Lesen Sie, wie sich Cloud-Kosten realistisch kalkulieren und mit den Aufwendungen für einen Betrieb im eigenen Data Center vergleichen lassen.
von Jochen Michels (Unternehmensberater)
Infrastruktur aus der Cloud war schon ein Thema, als 2009 der BITKOM-Leitfaden zum Cloud Computing erarbeitet wurde. Es waren aber weder Preise noch Abrechnungsmethoden in Sicht und so gab es auch keine Cloud-basierte IaaS (Infrastructure-as-a-Service). Amazon wurde als einziger Anbieter kaum beachtet.
Noch auf der diesjährigen CeBIT wurde im Forum Cloud Computing von VDE/GI über alles gesprochen außer über die Preise. Welche Kosten auf Kunden zukommen, blieb im Dunklen. Im März änderte sich das Bild schlagartig. Nicht nur Amazon und Microsoft mit Azure, sondern auch IBM, T-Systems und Hewlett-Packard geben nun klare Preisinformationen heraus.
Der Kunde kann jetzt selbst errechnen, was die großen Provider verlangen, wenn er sein Rechenzentrum in die Cloud verlagert. Die Preise sind manchmal attraktiv, manchmal aber auch prohibitiv. Computing und Storage wird so flexibel und billig, dass viele IT-Verantwortliche neu rechnen müssen. Wenn sie das nicht tun, wird es die nächst höhere Ebene erledigen, denn jetzt wird ihre Sprache gesprochen. Wenn man seine IT-Infrastruktur künftig für die halben Kosten aus der Cloud beziehen kann, lohnt dann noch die eigene IT?
Infrastruktur frisst 80 Prozent der IT-Budgets
Bisher standen einzelne Dienste (CRM, ERP, Fibu oder Tausende Apps) im Zentrum der Cloud. Jetzt geht es um die zentrale IT-Infrastruktur. Es geht um Computing, Storage, Transport, also um Commodity-IT pur - und warum? Weil sie 60 bis 80 Prozent des jährlichen IT-Budgets kostet. Wenn man das halbiert, spart man alles vom Gebäude bis zum Support und kann endlich die dringenden Neuentwicklungen finanzieren.
Alle großen Provider sind heute am Cloud-Markt. Preise und Leistungen sind vergleichbar. Der Wechsel von einem zum anderen hat keine prohibitive Hürde mehr und Monopol-Allüren haben keine Chance. Fast ist es wie bei Strom oder Gas, dennoch gibt es markante Unterschiede. Im Folgenden wird an konkreten Bei-spielen gezeigt, wie IT-Verantwortliche rechnen sollten.
Die fünf großen Anbieter, nennen wir sie A bis E, sind alle weltweit tätig. Viele Preise werden in den USA bestimmt. Wir rechnen zwar hier mit 1,36 Dollar je Euro, doch sollte man das im Vertrag genau fixieren oder eine kontrollierte Bandbreite vereinbaren. Schwankungen der Dollar-Relation sollten den Deal nicht konterkarieren. Open-Source-Instanzen sind nicht immer billiger als Windows. Weil ein Provider in dieser Betrachtung nur Windows anbietet, legen wir Windows mit 32 oder 64 Bit zugrunde. VMware, Citrix oder andere Virtualisierung bucht man preiswirksam in vielen Varianten, ebenso wie Verfügbarkeit, I/O-Leistung, Lizenzen, Bindungs- und Bereitstellungsfristen. Wir begrenzen in diesem Beispiel die Vielfalt auf eine mittlere RZ-Größe und wenden typische Eckpreise der Anbieter an.
Grundschema für die Cloud-Kosten
Die Zeitdimension müssen Unternehmen immer einbeziehen, damit sie wirklich Leistung nach Bedarf kau-fen. Kapazität zu buchen, die teilweise ungenutzt bleibt, das war gestern. Das Grundschema für eine Kos-tenbetrachtung von IT-Infrastruktur aus der Cloud sieht dann so aus:
Computing |
Leistung |
Instanzbezeichnung Prozessor und Cores Taktfrequenz Leistungs-Einheit, (z. B. TPMC, SpecInt, rperf ) |
Preis |
Basispreis ( Sockel) einmalig Grundpreis pro Monat Stundenpreis pro Stunde Währung/ Umrechnung |
|
Lizenz |
Preis |
Angabe in Euro pro Monat Umrechnung in pro Stunde |
Memory/RAM |
Menge und Preis |
Größe in GB Euro je GB pro Monat Euro je GB pro Stunde Euro Ges. Memory pro Stunde |
Storage |
Menge |
GB enthalten in Unit GB Sockelpreis pro Monat GB zus. (im SAN) pro Monat GB StorageGesamt pro Monat |
Preis |
€ pro GB für Sockel pro Monat € pro GB in SAN pro Monat € gesamt für Sockel pro Monat € gesamt in SAN pro Monat € Sockel plus SAN pro Monat Summe/Stde (/720) pro Stunde Plattform 32 / 64 Bit I/O Performance low, medium, high |
|
Gesamtpreis |
Euro pro Unit |
Stunde |
Diese preisentscheidenden Kriterien sind jedem IT-Chef wohlvertraut oder sollten es sein. Daraus ergibt sich, was man bei einem Provider pro Einheit zahlt, Mehrwertsteuer kommt hinzu. Die Einheit hat oft ei-nen Namen (Unit) und eine Klasse (z.B. Small, Standard, Gold) und bezieht sich immer auf eine Stunde. Sowohl fürs Computing, den Storage, die Verfügbarkeit, Betreuung und Nutzung, sowie für die eingesetzte Hardware gibt es auch versteckte Unterschiede.
Nicht jeder Provider dediziert einem die bezahlte Serverzeit. Dann findet man nach einer Arbeitspause zum Beispiel die virtuelle Maschine von anderen Kunden belegt. Die wichtigen Details müssen Cloud-Kunden unbedingt normieren, wie es in Tabelle 1: Provider Preise im Vergleich dargestellt ist.
Hier geht es zur Tabelle: Provider-Preise im Vergleich |
Da grundsätzlich alle Cloud-Preise mengenmäßig hoch skalierbar sind, kann man seinen Jahresbedarf prak-tisch zu jedem Preis kontrahieren. Je höher das Volumen ist, desto niedriger sollte der spezifische Preis pro Stunde sein. Da wir ein mittelgroßes Volumen (300 Server - 3 Millionen Euro) zugrunde legen, liegt der beste Preis wohl in einer oberen Klasse.
So haben wir von jedem Provider die oberste Einheit für die weitere Berechnung herangezogen. Steht man vor dem Vertrags-Abschluss, muss man immer alle Varianten genau durchrechnen, so dass man den günstigsten Preis herausfindet. Solch eine große Tabelle würde hier aber den Platz sprengen.
Die unterschiedlichen Unit-Inhalte der angebotenen Cloud-Dienste egalisieren wir hier durch ein einheit-liches Maß für die Server-Leistung und die GB-Stunde. Erst das macht sie vergleichsfähig. Das folgende Schema erläutert, wie die Anzahl Rechenkerne (Cores) mit der Taktfrequenz multipliziert wird.
Der sich daraus ergebende Server-Leistungs-Wert (SLW) wird dann noch zur Arbeitsspeichergröße in MB addiert und ergibt für jeden Server den SLWR (= SLW+RAM). Mit kSh (kiloSLWR pro Stunde) dimensionieren wir ihn auf handhabbare Zahlen mit Zeitbezug. So messen wir zunächst das eigene Rechenzentrum und dann alle Cloud-Anbieter mit gleicher Elle.
Kriterium |
Metrik |
Bemerkung |
Kapazität |
Server-Leistungs-Wert + RAM in Megabyte = SLWR (SLW+RAM) |
SWL = Core-Anzahl mal Frequenz |
Leistung |
SLWR-Stunden im Jahr |
24 mal 365 = 8760 Stunden |
Nutzfaktor |
in Prozent vom Total |
99,90% ergeben 8.751 Stunden |
Leistungsmenge |
p.a. in kilo SLWR-Stdn |
kSh pro Jahr |
Preis |
Euro pro kiloSLWRh |
Euro pro kSh |
Zeile 26 (fett) zeigt die Preise der fünf Anbieter für ihre jeweilige Verkaufseinheit (Unit). Mit diesem wird die benötigte Menge bepreist und ergibt die Jahreskosten. Man kann zwar auf dem Spotmarkt billiger einkaufen, doch eignet sich das nicht für durchgehend stabilen Jahresbetrieb. Zeile 34 (fett) zeigt den jeweiligen Preis für die Vergleichsgröße eine kSh (=1.000 SLWR-Stunden). Diese Preise spreizen von Euro 0,026 bis 0,086 pro kSh, also um das Dreifache. Sie zeigen, dass man bei der Tarif- und Anbieterwahl aufpassen muss.
Was kostet das eigene Data Center?
Stellen wir diese Angebote nun dem eigenen Data Center gegenüber. In Tabelle 2 ist die Leistung-Kosten-Struktur des Eigen-RZ gezeigt, das bei 300 Servern etwa 3 Mio. Euro Jahreskosten verursacht.
Jahreskosten in Euro (Eigenbetrieb) |
3.000.000 |
Anzahl Server |
300 |
Anzahl SLW+RAM |
5.000.000 |
Euro je SLW+R-Jahr |
0,600 |
Install. Storage in GB-phys (für Daten ca. 50%) |
300.000 |
Storage in GD-std. pro Jahr |
2.628.000.000 |
Stunden je Jahr |
8.760 |
Verfügbarkeit |
99,00% |
Prod.-Stunden |
8.672 |
Jahresbedarf des RZ in SLW+R-Std. |
|
(Server-Leistungswert+RAM-Stunden) |
43.362.000.000 |
Meist sind die echten Kosten bei diesem Maschinenpark höher, aber wir rechnen vorsichtig. Wem dieser Betrag zu hoch erscheint, sollte zunächst seine eigenen Kosten genau ermitteln. Wenn man sich nicht "in die Tasche lügt", kommt man mit einer richtigen Kostenrechnung kaum auf niedrigere Jahreskosten.
Die Serverleistungswerte (SLW) müssen für jeden einzelnen Server aufgrund dessen Ausstattung er-rechnet werden, was mit einer Tabelle schnell geschafft ist. Ebenso wird der Storage ermittelt.
Im konkreten Beispiel ergeben sich bei einer Verfügbarkeit von 99,00 Prozent im Jahr etwa 43,3 Mio. kSh als Leistung des eigenen RZ-Betriebes. Die muss man vom Provider kaufen.
Cloud-Kosten mit internen IT-Kosten vergleichen
In der folgenden Tabelle sind nun diese Jahreskosten des Eigenbetriebs dem entsprechenden Cloud-Angebot der fünf großen Provider gegenübergestellt. Da wir von jedem Provider die obere Klasse mit dem höheren Stunden-Preis genommen haben, ist die enthaltene Leistung natürlich auch höher. Entsprechend weniger Units benötigt man zum Abarbeiten des bisher selbst erbrachten Volumens.
Das erfreuliche Ergebnis zeigt, dass die Cloud-Angebote bis zu 60 Prozent der Jahreskosten des größten Budget-Anteils einsparen. Die Unterschiede zwischen den Anbietern sind auffallend, bei manchen spart man sehr große Summen, bei anderen würde man aber draufzahlen. Ein weiterer Kostenvorteil wird sich ergeben, wenn man die Cloud entsprechend dem Leistungsbedarf "atmen" lässt.
Hier geht es zur Tabelle: Vergleich Interne IT versus Cloud-Provider |
Vorsicht bei hohen Einsparungen!
Bei den grossen Einsparungen muss man nach dem Pferdefuß suchen. Ein versteckter Kostenfaktor könnte die Netzanbindung sein. Wenn es zum Cloud-Anbieter keine großen Bandbreiten gibt, dann nützt einem das günstige Angebot wenig. Da sind die Ballungsgebiete im Vorteil. Schlimmstenfalls muss ein TK-Anbieter erst einmal Kabel legen.
Das kann Zeit und zusätzliche Kosten bedeuten. Aber selbst diese Kosten dürften die handfesten Einsparungen nicht annähernd "auffressen". Die im Land oder weltweit verteilten Nutzer haben vielleicht sogar besseren und billigeren Zugang und entlasten die Verbindungen zwischen Zentrale und Rechenzentrum.
Fazit
Natürlich kann man die reine maschinelle Leistung nicht als alleinigen Maßstab für eine Entscheidung für oder gegen Cloud Computing nehmen. An versteckte "goodies" im eigenen RZ hat man sich seit Jahren ge-wöhnt und nimmt sie selbstverständlich in Anspruch. Auch das Gefühl, über die eigene IT komplett zu "verfügen", gibt mancher ungern auf. Aber betreibt heute noch jemand sein eigenes Kraftwerk?
Und dass dieser Eigenbetrieb das Doppelte kostet, wird auch nicht jeder Controller gut finden. Selbst bei vorsichtigen Annahmen spart man mindestens eine halbe Million Euro und mehr pro Jahr. Wenn ein Cloud-Anbieter nach der Kalkulation sogar Mehrkosten bringen würde, lässt sich das vielleicht durch andere Ta-rifwahl oder Verhandlungen ändern. Wenn ein Provider andererseits plötzlich für "kostenfrei erwartete Ne-benleistungen" ein Preisschild aufstellen sollte, hat man dafür noch eine Marge. Da lohnt es sich, die Datenschutz-Frage neu zu bewerten, die manchmal Cloud-Überlegungen blockiert.
Was ist noch zu beachten?
In jedem Fall sollte man auch eine Liste all derer Faktoren aufstellen, die für einen Verbleib im eigenen Hause abzuwägen sind:
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Unabhängigkeit von externen Gegebenheiten eines Providers (Preispolitik, Inland/Ausland).
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Kompetenz der eigenen Mitarbeiter bewahren oder aufgeben?
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Ist absolute Hoheit über die eigenen Verfahren, Daten und Programme unabdingbar?
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Sind Stabilität und Bandbreite der Verbindungsleitungen zum Cloud-Anbieter vorhanden?
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Sind Datenschutz und Sicherheit möglicherweise prohibitiv?
Rechtfertigen diese Kriterien die Preisdifferenz von ein bis zwei Millionen Euro pro Jahr, sollten Unter-nehmen die IT im Hause behalten. Andernfalls aber startet man Ausschreibung und Vertragsverhandlungen, klärt die internen Fragen mit seinen Mitarbeitern, dem Controlling und gegebenenfalls der Unternehmens-leitung und dem Betriebsrat und trifft die Entscheidung.
Führt diese zum Verbleib der IT im eigenen Haus, kann man dies transparent belegen. Man weiß dann genau, wofür man die erheblichen Budgetteile auf-wendet. Jedenfalls werden sie nicht für das Computing, Storage und den Betrieb bezahlt, sondern für ganz andere Dinge. Kein Finanzchef kann mehr kritische Fragen stellen, kein Vorstand auf den "IT-Guru" verweisen. Das kann sehr erleuchtend sein und die IT steht plötzlich in viel besserem Licht da. Der Anbieter hat dann zwar den Deal verloren, wird aber womöglich eine neue Chance bekommen.
Der ausführliche Analyse-Bericht ist beim Autor unter www.jomi1.com erhältlich.
(Computerwoche / rb)