"Absolventen brauchen die Fähigkeit, sich neue Themen zu erarbeiten. Man kann nicht voraussetzen, dass sie alles im Gepäck haben", betont Volker Scheidler, Geschäftsführer des IT-Dienstleisters SAC GmbH und Vorstand des IT-Beratungs- und Entwicklungshauses acoris AG. Um dafür eine Basis zu erarbeiten, sind die Ausbildungsstätten gefordert.
Für Professor Heimo Adelsberger vom Forschungszentrum für Informationssysteme technologiegestützter Lernprozesse der Uni Duisburg-Essen geht es um einen Wandel in der Lehre: die Ausbildungsstätten sollen nicht nur Theorien und Methoden vermitteln, sondern auch, wie diese anzuwenden sind, speziell in neuen Situationen. Die Bologna-Reform stelle zudem die Praxisrelevanz des Studiums und die Arbeitsmarktfähigkeit der Absolventen in den Vordergrund.
Was Bachelor-Absolventen noch nicht können
In der Praxis vermisst IT-Manager Scheidler bei Bachelor-Absolventen die Fähigkeit zur Selbstorganisation. "Laufen Projekte unterschiedlicher Auftraggeber gleichzeitig, mangelt es ihnen häufig am Zeitmanagement. Das haben die Absolventen in ihrem stark verschulten Studium nicht gerlernt." Kommen dann noch verbale oder schriftliche Kommunikationsprobleme dazu, werde es schwierig.
Und noch eine Kompetenz bleibt aus Scheidlers Sicht auf der Strecke: "In punkto IT-Skills sollten Informatiker in mindestens einer Programmiersprache richtig fit sein. Sie sollten die Systeme auch Hardwareseitig verstehen. Vielen fehlt die Hardwarenähe, um bei komplexen Systemaufbauten die Hintergründe zu begreifen."
Olaf Kempin, Co-Geschäftsführer des Personaldienstleisters univativ, rät Studenten dazu, sich um Praxiserfahrungen zu bemühen: "Unternehmen fragen immer mehr nach Fähigkeiten wie Kommunikation, Teamwork und einem ausgeprägten Kunden- und Dienstleistungsbewusstsein. Diese Soft Skills sollten unbedingt bereits während des Studiums über Werkstudententätigkeiten trainiert werden. "
Junge Bewerber könnten dieser speziellen und gleichzeitig breit gefächerten Nachfrage häufig nicht gerecht werden, so Kempin: "Egal ob es um die praktische Anwendung des Fachwissens oder das Trainieren der Soft Skills geht, wir fördern unsere Talente durch Schulungen im Haus. Zusätzlich arbeiten wir mit der Uni Duisburg Essen zusammen, die mit erp4students praxisorientierte Online-Trainings anbietet. Dort können sich Studenten zertifizierte Zusatzqualifikationen im SAP-Bereich aneignen."
Seit der Einführung der neuen Studienstruktur hat man bei acoris Konsequenzen gezogen. "Während früher Absolventen direkt als Junior-Consultant einsteigen konnten, geht das heute bei Bachelor-Absolventen nicht mehr. Sie beginnen als Assistant Consultant", so Scheidler. Man müsse hier bei der Ausbildung nacharbeiten und deutlich mehr in die Nachwuchskräfte investieren.
Mittelständler brauchen Generalisten
"Während sich Großunternehmen Abteilungen leisten, in denen Spezialisten tätig sind oder auf teure externe Berater zugreifen können, brauchen und suchen Mittelständler Generalisten mit breiter Ausbildung, die vielfältige und bereichsübergreifende Aufgaben bewältigen können. Da ist neben IT-Wissen auch betriebswirtschaftliches Wissen gefragt", meint Professor Adelsberger. Eine Folge davon sei die deutlich gestiegene Nachfrage nach Wirtschaftsinformatikern im Laufe der letzten 20 Jahre.
Generell lässt sich sagen, dass Fachwissen allein nicht ausreicht. "Eigenständigkeit, unternehmerisches Denken, Lernfähigkeit, Teamfähigkeit und interkulturelle Kompetenz sind die Skills, die sich die Unternehmen von ihren Nachwuchskräften insbesondere wünschen. Immer mehr Softwaredeals beinhalten eine Outsourcing-Komponente, in denen es häufig um die Zusammenarbeit mit Offshoring-Kollegen geht", sagt Stephan Pfisterer, Arbeitsmarktexperte beim Bitkom.
"Der deutlichste Unterschied für IT-Einsteiger in kleinen und mittelständischen Unternehmen besteht darin, dass hier keine großen Training-Areas vorhanden sind, in denen sie abgeschottet vom Leben ihre Ausbildung vervollständigen können", konstatiert Volker Scheidler. Bei KMUs kommen die Absolventen schneller in der harten Realität an, übernehmen früher Verantwortung, müssen - zumindest bei Dienstleistern - das Unternehmen von Anfang an nach außen repräsentieren und eine hohe Motivation mitbringen, Dinge zu gestalten.
Studenten sollten sich an IT-Trends orientieren
Heutige Studierende sollten die großen Trends im Auge behalten. Mobilität, Internet der Dinge, Industrie 4.0, Big Data, smarte Assistenzsysteme: Megatrends sind zwar unaufhaltsam, entfalten sich aber relativ langsam, sagt Adelsberger - Beispiel Telefonmobilität: vom ersten Autotelefon unter zehn Kilo (1972), über die ersten Handys (1992) zum Smartphone von heute.
Das spiegelt sich auch in der Arbeitsmarktstudie für IT-Fachkräfte des Branchenverbandes Bitkom. 2013 waren Anwendungsentwickler besonders gefragt. Zwei Drittel der Unternehmen haben hier Bedarf, knapp ein Drittel sucht Administratoren. Interessant ist dabei, dass als Themen an erster Stelle Cloud Computing gefordert war (40 Prozent), knapp gefolgt von Social Media. Apps und mobile Anwendungen lagen auf Platz 5 bei 22 Prozent. Das könnte sich in der neuen Arbeitsmarktstudie, die aktuell läuft, nochmal erhöhen. "Die mobilen Anwendungen haben ein großes Feld aufgemacht. Hier sollten sich die Studenten rechtzeitig mit Betriebssystemen wie iOS und Android auseinandersetzen und die entsprechenden Programmiersprachen und -techniken lernen", rät Adelsberger.
Durch Entwicklungen wie Industrie 4.0 und Internet of Things ändert sich Volker Scheidler zufolge vor allem eines: "Es wird noch mehr Prozessverständnis und kaufmännisches Wissen gefordert sein. Dazu gehört das Branchen-Knowhow zum Beispiel für Logistik, Maschinenbau oder Elektrotechnik, das den Informatikern erst mal nicht so nah ist."
Es gehe verstärkt um die Transferleistung, mit Fachleuten zu sprechen und ihre Anforderungen in die IT zu übersetzen. Kaufmännisches Verständnis ist notwendig, wenn man einschätzen müsse, ob sich ein Thema rechnet. Aspekte wie Forecasting und Aufwandsschätzung kämen in den Unis noch zu kurz. "Dieses Thema rollt auf die KMUs zu. Während es im Studium eher kein Problem ist, doppelt so lang bei viermal höherem Ressourcen-Einsatz zu brauchen, sieht das in der Wirtschaft ganz anders aus. Hier gibt es Nachholbedarf", so Scheidler.
Neue Konzepte fürs Praxislernen
In der Lehre ist noch Luft nach oben, sagt Adelsberger: "Die Unis und Fachhochschulen können deutlich besser in der Vermittlung werden. Es geht nicht darum, die Präsenzlehre mit E-Learning anzureichern."Die Hochschulen sollten den Lerner und das Lernergebnis in den Mittelpunkt stellen und geeignete Werkzeuge anbieten. Das sei wesentlich aufwändiger als die übliche Präsenzlehre. "Für effizientes Lernen ist es wichtig, Studenten bei solchen Kursen nicht allein zu lassen. Wenn man nicht klar kommt, muss Hilfe in der Not kommen - die Didaktik zeigt, dass hier das größte Frustrationspotential liegt", berichtet Heimo Adelsberger.
"Zugleich wird von den Unis und FHs - zu Recht - eine "Employability"-gerechte Ausbildung der Studenten gefordert, ganz besonders von den Studenten selbst: Sie wissen, dass der Nachweis von SAP-Kenntnissen bei der Jobsuche extrem wertvoll ist und für eine bessere Aufstellung sorgt", resümiert der Wirtschaftsinformatik-Professor. Reine Anwendungskenntnisse zu vermitteln, sei jedoch nicht Aufgabe universitärer Lehre.
Mit erp4students wolle man diese Lücke schließen. Reguläre Studenten können an der Uni Zusatzqualifikationen im SAP-Bereich zu günstigeren Konditionen online erwerben. Sie können im SAP-System fallstudien lösen und bei Fragen auf Tutoren zugrückgreifen.