Die Arbeitsstrukturen und -inhalte in den Betrieben ändern sich immer schneller. Folglich werden auch in kürzeren Abständen neue Anforderungen an die Mitarbeiter gestellt. Deshalb brauchen gute Mitarbeiter heute teils andere Fähigkeiten als früher.
Was unterscheidet einen sehr guten Mitarbeiter von einem durchschnittlichen? Klar ist: Wer in seinem Beruf Spitze sein möchte, braucht das nötige fachliche Wissen und Können. Denn ohne dieses kann weder ein Schreiner Möbel bauen, noch ein IT-Spezialist Software entwickeln.
Doch dieses Fachwissen allein genügt in der Regel nicht, um beruflich erfolgreich zu sein. "Denn Be-rufstätige agieren nicht im luftleeren Raum", betont Prof. Dr. Karl Müller-Siebers, Präsident der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW), Hannover. "Sie sind Teil einer Organisation." Also müssen sie mit anderen Menschen kooperieren und harmonieren. Und dies setzt ebenfalls gewisse Fähigkeiten voraus. Doch welche?
Das hängt auch von der Struktur der Betriebe und deren Arbeitsorganisation ab, erklärt Stefan Bald, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. So waren zum Beispiel in den sehr hierarchisch strukturierten Betrieben, die bis vor knapp 20 Jahren die Unternehmenslandschaft prägten, primär die klassischen Sekundärtugenden, auch preußische Tugenden genannt, gefragt. Die Mitarbeiter sollten pünktlich und fleißig sein; zudem gewissenhaft und zuverlässig ihre Aufgaben erfüllen. "Und ansonsten den Mund halten", ergänzt Bald.
Anforderungen ändern sich immer schneller
Jahrzehntelang funktionierte dieses System und wurde immer weiter optimiert. Doch irgendwann kamen die Unternehmen laut Dr. Daniela Kudernatsch, Managementberaterin aus Straßlach bei München, zur Erkenntnis: "Wenn wir uns weiter verbessern wollen, müssen wir die Arbeit neu strukturieren." Als Folge davon begann vor circa 20 Jahren der Siegeszug der Team- und Projektarbeit. Das heißt, statt einzelnen Mitarbeitern Teilaufgaben zu übertragen, wurden nun an Mitarbeitergruppen mehr oder weniger komplexe Aufgaben delegiert, die sie weitgehend eigenverantwortlich lösen sollten.
Dies wirkte sich auf die Anforderungen aus. "Teamfähig soll unser Mitarbeiter sein", lautete fortan eine Standardanforderung in Stellenanzeigen. Und zudem sollten die Neuen "kommunikativ" und "konfliktfähig" sein. "Denn wenn mehrere Mitarbeiter gemeinsam eine Aufgabe erfüllen, dann besteht nicht nur ein größerer Abstimmungsbedarf. Es gibt auch mehr Reibungspunkte", erklärt Daniela Kudernatsch.
Entsprechend boomten neben den Team- und Projektmanagement- auch die Kommunikations- und Konfliktmanagementtrainings. Und heute? Heute ist die Team- und Projektarbeit in den meisten Unternehmen "gängige Praxis", betont Prof. Müller-Siebers. Dafür gewinnen neue Themen an Bedeutung. Denn aufgrund der Globalisierung und des rasanten technischen Fortschritts stehen die Unternehmen unter einem enormen Veränderungsdruck. Und ihre Mitarbeiter? Sie müssen immer häufiger ihre Denk- und Verhaltensmuster den veränderten Rahmenbedingungen anpassen.
Mitarbeiter müssen "Selbstentwickler" werden
Hieraus resultiert oft ein immenser Lernbedarf - ein Bedarf, der "mit ‚verordneten’ Qualifizierungsmaßnahmen, die von der Personalabteilung für alle Mitarbeiter konzipiert werden, schon lange nicht mehr gedeckt werden", erklärt Werner Ollechowitz, Bereichsleiter Personal bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall. "Dafür ist der Lernbedarf individuell und in den Fachbereichen zu verschieden." Das heißt, "das Lernen für heutige und künftige Aufgaben muss ein Teil des Arbeitsalltags werden". Und: Die Mitarbeiter müssen ihre Entwicklung selbst in die Hand nehmen - "unterstützt von ihren Vorgesetzten oder der Expertise der Personalentwicklung". Sie müssen sozusagen "Selbstentwickler" werden - auch um begehrte Arbeitskräfte zu bleiben.
Das setzt mehrere Fähigkeiten voraus. Die Mitarbeiter müssen zum Beispiel lernen, selbst (oder mit selbstorganisierter Unterstützung) ihren Entwicklungsbedarf zu ermitteln sowie eigene Lernprozesse zu organisieren. Und sie müssen lernen, sich zum Lernen zu motivieren - auch wenn es mal nicht auf Anhieb klappt.
Diese Fähigkeit zur Selbstmotivation wird in der modernen Arbeitswelt zu einer Schlüsselkompetenz. Davon ist Martin Baltes, Gruppenleiter Recruiting Fach- und Führungskräfte beim DAX-Konzern Merck in Darmstadt überzeugt. "Denn je eigenständiger und -verantwortlicher die Mitarbeiter arbeiten und je häufiger sie vor neuen Herausforderungen stehen, umso öfter geraten sie an einen Punkt, bei dem sie zunächst das Gefühl haben: Das kann ich nicht." Dann wird von Arbeitnehmern, so Berater Bald, heute erwartet, dass sie nicht unmittelbar die Flinte ins Korn werfen, sondern sich fragen "Unter welchen Voraussetzungen könnte ich die Aufgabe doch lösen?" und einen Versuch wagen.
Zuversicht "Ich schaffe das schon"
Das setzt laut Ollechowitz voraus, dass die Mitarbeiter die erforderliche Grundzuversicht entwickeln, um "neuartige Aufgabenkomplexe anzugehen - im gebotenen Komplexitäts-, Zeit- und Kostenrahmen". Doch dies allein genügt nach Auffassung von Bald nicht: "Die Mitarbeiter müssen auch lernen, ihre Gedanken und ihr Verhalten zu steuern." Das heißt, sie dürfen bei neuen Herausforderungen zwar durchaus zunächst innerlich fluchen. Doch nach einiger Zeit sollten sie denken "Das gehört eben zu meinem Job" und "So schlimm, wie es erscheint, wird es schon nicht werden" und sich zum Handeln durchringen.
Diese Fähigkeit, sich in eine positive, zuversichtliche Stimmung zu versetzen, fehlt vielen Arbeitnehmern noch - vermutet Bald. Die Folge: Sie verfallen bei neuen Herausforderungen oft in eine Art Schockstarre und fühlen sich schnell überfordert. Als Indiz hierfür verweist Bald auf die wachsende Zahl von psychischen Erkrankungen. Seine Anregung: Man sollte zumindest einmal darüber nachdenken, inwieweit hier ein Zusammenhang besteht. Dann ließen sich auch Präventionsmaßnahmen organisieren. (oe)
Der Autor Bernhard Kuntz ist Inhaber der Agentur Die PRofilBerater GmbH, Eichbergstraße 1, 64285 Darmstadt, Tel.: 06151 896590, E-Mail: info@die-profilberater.de, Internet: www.die-profilberater.de