Wenn ein IT-Unternehmer sich mit der Frage beschäftigt, welchen Wert sein Unternehmen hat, dann muss er die Frage aushalten, ob er die letzten Jahre oder gar Jahrzehnte überhaupt ein Unternehmen aufgebaut hat.
Auch wenn juristisch in Form einer GmbH oder AG ein Unternehmen auf dem Papier existiert, hängen heute gerade kleine IT-Systemhäuser oder Softwarehäuser mit 15-20 Mitarbeitern oftmals stark vom Inhaber selbst ab. Und dieser Fakt erschwert einen Verkauf, da die Kaufpreisvorstellungen in diesen Fällen häufig komplett überzogen sind.
Ein potentieller Käufer eines IT-Unternehmens interessiert sich neben den Fachkräften und Kunden insbesondere für das Geschäftsmodell und die organisatorische Reife. Der Blickwinkel hängt dabei ganz entscheidend von der jeweiligen Beschaffenheit und der strategischen Ausrichtung des Käufers ab.
Die Sichten von Käufer und Verkäufer
In Bezug auf den Kaufpreis liegen die Sichten von Verkäufer und potentiellem Käufer oder Investor meistens weit auseinander. Der Verkäufer möchte in der Regel einen möglichst hohen Preis für sein (Lebens-)Werk erhalten und der Käufer zu einem möglichst attraktiven Preis kaufen. Beim Risiko sind sie sich meistens einig. Beide Seiten sind nur dann an einer Transaktion interessiert, wenn das Risiko im Verhältnis steht oder möglichst gering ist.
Wie kann es nun gelingen, dass ein Verkäufer den passenden Käufer findet oder umgekehrt? Ob eine Transaktion eine Chance hat, entscheidet sich bereits bei der Anbahnung im Erstgespräch.
Da es sich in jedem Verkaufsprozess zentral um den Unternehmenswert und daraus abgeleitet den Kaufpreis dreht, toben sich hier vor allem betriebswirtschaftliche Berater und leider auch viele Branchenfremde wie Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und sogar Banker aus. Die IT-Branche bezeichnet sich selbst häufig als speziell. Deshalb ist es amüsant mit anzusehen, wie viel Zeit und vor allem Geld im Vorfeld zu einem Unternehmensverkauf verschwendet werden, um Bilanzen und Zahlen zur Geschäftsentwicklung der letzten Jahre zu analysieren. Letztendlich werden darauf dann Standard Bewertungsmethoden (Ertragswertverfahren, Substanzwertverfahren o.ä.) angewendet.
Dieses Vorgehen zeigt, wie theoretisch und verkopft viele Methoden sind. Dabei wird komplett übersehen, dass ein Firmenverkauf oder -zukauf primär ein Geschäft zwischen Menschen ist und zwar zwischen Unternehmern oder TOP-Entscheidern, die in der Anbahnung auf ganz andere Dinge Wert legen. Natürlich kann in fleißiger Detailarbeit über viele Wochen ein 40-50 seitiges Exposé erstellt werden. Die Frage lautet: Wofür?
Würden Sie pro Woche ein solches Exposé studieren, um dann den Rückschluss zu ziehen, dass ein Gespräch mit dem potentiellen Verkäufer interessant ist? Entscheider lesen diese Dokumente zumeist gar nicht oder lesen sie und haben am Ende so viele Verständnisfragen, dass sie entweder direkt Abstand vom Vorhaben nehmen oder den Käufer zwingen, in einer sehr frühen Phase, ohne das überhaupt eine persönliche Beziehung entstehen konnte, Rede und Antwort zu stehen. Damit ist die Führung im Prozess bereits verloren, bevor dieser überhaupt richtig starten kann.
Unter der Annahme, dass wir aktuell - zumindest bei IT-Systemhäusern - in einem Käufermarkt sind und nicht in einem Verkäufermarkt, bedarf es entweder Zeit und hohes persönliches Engagements des Verkäufers. Oder aber die Unterstützung eines auf die IT-Branche spezialisierten M&A-Beraters mit breitem Marktzugang in Verbindung mit einem optimalen Prozess.
Pragmatismus ist nicht immer zielführend
So pragmatisch, wie viele IT-Unternehmer ihr Geschäft führen, starten Sie auch häufig ihren Verkaufsprozess. Der Hauptfehler besteht darin, dass Verkäufer oder unerfahrene Berater direkt die Kaufpreisvorstellung im Markt oder im Gespräch kommunizieren. Dadurch entstehen in der Regel fünf Nachteile für den verkaufenden IT-Unternehmer:
Der kommunizierte Kaufpreis vom Verkäufer wird in der Regel nie erzielt.
Kommuniziert der Verkäufer den Wunschkaufpreis zu früh, dann entstehen Leitplanken, die im Verlauf des Prozesses oftmals wenig unternehmerische Kreativität zu lassen, weil sich alles auf eine Zahl reduziert.
Es wird eine "Angriffsfläche" geschaffen, bei der der Verkäufer in die Situation getrieben wird, zu argumentieren, warum die Kaufpreisehöhe gerechtfertigt ist
Ein neutraler Marktspiegel, ein Benchmarking, ist mit dieser Vorgehensweise kaum möglich.
Aufgestellte Ursprungsannahmen auf Verkäuferseite verändern sich häufig innerhalb des Verkaufsprozesses durch neue Ansichten aus Gesprächen mit unterschiedlichsten Käufern und Investoren.
Der Erfolg einer Transaktion hängt grundsätzlich von zwei entscheidenden Faktoren ab, die zunächst vom Kaufpreis entkoppelt sind:
Die Beziehung zwischen den Beteiligte
Die Synergie zwischen den Geschäftsmodellen von Verkäufer und Käufer
Und das ist in den ersten beiden Gesprächen, zumeist schon im Ersttermin beim persönlichen Kennenlernen, zu klären.
Eine weitere wichtige Einflussgröße auf den Kaufpreis ist die Motivation des verkaufenden IT Unternehmers. Warum möchte dieser überhaupt verkaufen oder sucht einen strategischen Investor für eine Beteiligung? Und zu welchem Zeitpunkt? Auf diese Fragen braucht jeder Verkäufer eine klare und überzeugende Antwort, denn sie werden im Prozess von Käufer- oder Investorenseite garantiert gestellt.
Fazit
Einen Unternehmenswert oder Kaufpreis auf Basis von Zahlen, Daten und Fakten zu ermitteln, ist eine schöne und zumeist langwierige und teure interne Übung. Sie führt aber nicht zu einer realistischen Aussage über den Marktwert eines Unternehmens bzw. zu einem erzielbaren Kaufpreis.
Deshalb: Lassen Sie den Markt am besten anonym ansprechen und führen dann Gespräche mit ernsthaften Interessenten. Schneller bekommen Sie als Verkäufer kein Gefühl für die Situation.