Hewlett-Packard startet in eine neue Ära. Was vor 76 Jahren in der wohl legendärsten Garage von Palo Alto begann, wird nun zweigeteilt. Doch Experten zweifeln, ob der angeschlagene IT-Konzern durch die Aufspaltung wieder in Form kommt.
Am Anfang standen zwei Tüftler und eine Garage. 1939 - lange bevor es Apple, Microsoft oder Google gab - gründeten Bill Hewlett und Dave Packard mit einem Startkapital von 538 Dollar in Palo Alto den Technologiekonzern Hewlett-Packard. Der Rest ist Geschichte: HP wurde mit Computern und Druckern zur treibenden Kraft der IT-Industrie, die Laube der beiden Pioniere zur Geburtsstätte des kalifornischen Tech-Mekkas Silicon Valley. Doch das ist lange her.
HP ist längst keine Erfolgsstory mehr, der Konzern kriselt seit Jahren vor sich hin. Nun soll eine Aufspaltung die Wende bringen.
"Heute ist ein historischer Tag", sagt Meg Whitman. Die HP-Chefin ist in New York, um die Werbetrommel für die Zerlegung des Unternehmens zu rühren. Am Montagmorgen notierten die Aktien der aus der Aufspaltung hervorgegangenen neuen Gesellschaft Hewlett Packard Enterprises erstmals unter dem Kürzel HPE an der Wall Street - Whitman eröffnete den Handel mit dem traditionellen Läuten der Börsenglocke. Nach Interviews mit US-Sendern wie CNBC hat die 59-jährige Top-Managerin Journalisten nun zum Lunch geladen, um ihre Strategie zu erläutern.
Der Konzern wird zweigeteilt, um sich dem radikalen Wandel der Branche anzupassen. Das klassische Geschäft mit PCs und Druckern läuft künftig unter dem Namen HP Inc., die Aktie bleibt unter dem alten Börsenkürzel HPQ gelistet. Die wachstumsstärkeren, aber bislang noch weniger ertragreichen Dienstleistungen für Unternehmen wandern dagegen zu Hewlett Packard Enterprises, die Leitung des neuen Konzerns übernimmt Whitman. Einzeln können die Sparten ihre Wachstumspotenziale besser entfalten, so ihre Hoffnung.
Whitman schildert das Manöver als mutigen Schritt nach vorn. Sie spricht von "Lösungen für den neuen Stil der Geschäftswelt" und der "Ökonomie der Ideen", die es Unternehmern leichter denn je mache, geniale Einfälle in erträgliche Geschäfte zu verwandeln. An dieser Schnittstelle wolle Hewlett Packard Enterprises agieren. Das sind schöne PR-Worthülsen - doch Aktionäre überzeugen sie noch nicht. Die HPE-Aktie beendete ihren ersten Handelstag deutlich im Minus.
Die Story von Hewlett-Packard
Die Story von Hewlett-Packard Hewlett-Packard (HP) durchlebt seit drei, vier Jahren sehr stürmische Zeiten. Das liegt nicht nur an Verschiebungen auf dem Markt und starkem Wettbewerb, sondern auch an der Sprunghaftigkeit sowie Fehlentscheidungen im Topmanagement und in der Unternehmensstrategie. Allerdings hat der Konzern seit seiner Gründung bereits erfolgreich eine respektable Metamorphose durchgemacht.
1939: In der Garage fing alles an In der mittlerweile wohl berühmtesten Garage der Welt findet Hewlett-Packard 1939 seinen Anfang. Damals gründen Bill Hewlett und David Packard ihr Unternehmen und schrauben neben ihren eigentlichen Jobs in der Garage gleich auf dem Grundstück in Palo Alto, auf dem sie wohnen, einen Tongenerator zusammen. Sie legen damit unbewusst den Grundstein für das Silicon Valley, die vielbeachtete Hightech-Region in Kalifornien.
Die Walt Disney Studios zählen zu den ersten Kunden ... ... und kaufen gleich acht Oszillatoren HP200B, um ein innovatives Tonsystem für den Film "Fantasia" zu entwickeln.
1957: Der Gang an die Börse mit Messtechnik 1951 erfindet HP mit dem 524A ein Hochgeschwindigkeits-Frequenzmessgerät. Damit ist technisch die Grundlage für das Analysegeschäft gelegt. Fünf Jahre später baut das Unternehmen sein erstes Oszilloskop. 1957 geht HP an die Börse. Eine Aktie kostet 16 Dollar. (In Frankfurt wurde die HP-Aktie am 30. April 2013 für knapp 15,50 Euro gehandelt.)
1959: Produktion in Deutschland Die erste Produktion außerhalb der USA baut HP 1959 in Deutschland auf. Hier hat das amerikanische Unternehmen die meisten Kunden im europäischen Geschäft. Die Standortentscheidung für Baden-Württemberg ist angeblich eine Entscheidung gegen Bayern: In München soll ein Ministeriumsvertreter bei Gesprächen mit Bill Hewlett die bayerische Lebensart mit deftiger Brotzeit und Bier allzu sehr gelobt haben. Der Amerikaner war aber mehr an Produktivität als an Lebensgenuss interessiert und entschied sich deshalb für das als tüchtig und arbeitsam geltende Schwaben.
1962: Böblingen verantwortet das Softwaregeschäft Der nächste Umzug steht im Jahr 1962 an: Über 150 Mitarbeiter ziehen in das HP-eigene Werk in der Herrenberger Straße, an der noch heute der Sitz der deutschen Tochter liegt. Im Jahr 1963 wächst die technologische Bedeutung der deutschen GmbH: Böblingen baut eine Entwicklungsabteilung auf.
1966: Marktpremiere des ersten HP-Computers 1967 zeigt HP Deutschland, dass das Unternehmen nicht nur technologisch an der Spitze stehen will und führt als internationaler Vorreiter flexible Arbeitszeiten ein. Stechuhren haben ausgedient, auch in der Produktion. In den USA führt HP ein solches Arbeitszeitmodell erst sechs Jahre später ein.
1972: Der Taschenrechner hält Einzug Mit dem HP-35 bringt Hewlett-Packard 1972 den ersten wissenschaftlichen Taschenrechner der Welt auf den Markt, zwei Jahre später kommt der erste programmierbare Taschenrechner dazu, der HP 65.
1977: Miniaturisierung mit dem HP-01 n der Elektronik treibt HP die Miniaturisierung voran und bringt 1977 eine Art Personal Digital Assistant fürs Handgelenk heraus: Die HP-01 trägt sich wie eine Armbanduhr, zeigt aber nicht nur die Uhrzeit an, sondern dient auch als Taschenrechner und Kalender.
1980: Der erste Personal Computer HP 85 Im Jahr 1980 bringt HP seinen ersten Personal Computer auf den Markt, den HP 85. Mit kleinem Bildschirm und schmalem Druckwerk erinnert er noch stark an eine Schreibmaschine. Für die deutsche Tochtergesellschaft gewinnt das Softwaregeschäft an Bedeutung: Die GmbH übernimmt die Verantwortung für Entwicklung und Vermarktung von Anwendungssoftware im CAD/CAM-Bereich und behält sie auch bis zur Abspaltung des Geschäftsbereichs im Jahr 2000.
1988: Die fetten Druckerjahre kommen Ab 1988 beliefert Hewlett Packard mit seinem Tintenstrahldrucker HP DeskJet den Massenmarkt, ab 1991 auch mit einem Farbdrucker, dem DeskJet HP 500C.
1993: Jörg Menno Harms prägt HP Deutschland Im Jahr 1993 übernimmt Jörg Menno Harms den Vorsitz in der Geschäftsführung der HP GmbH. Bis heute ist er dem Unternehmen verbunden und hat den Vorsitz des Aufsichtsrats inne. Die ersten x86-Server von HP kommen unter dem Namen ProLiant auf den Markt.
1998: Jordana - der erste PDA Mit dem HP Jornada PDA baut Hewlett-Packard 1998 seinen ersten echten Personal Digital Assistant.
2001: Fusion mit PC-Hersteller Compaq Eine weitere Änderung äußert sich 2001 in der Gründung von HP Services. Der Computerhersteller will stärker auch mit Dienstleistungen Geld verdienen und bietet jetzt Consulting, Outsourcing, Support und Solution Deployment Services an. Das Internet und elektronische Dienstleistungen bilden den Kern der neuen HP-Strategie. Nach dem Abschluss der Übernahme von Compaq geht auch in Deutschland das neue Unternehmen HP am 3. Mai an den Start.
2004: Geschäftsfeld IT-Services wird ausgebaut Das Unternehmen erweitert sein Angebot für Privatanwender um digitale Unterhaltungstechnik vom Fotodrucker bis zum Personal Media Drive. Im selben Jahr macht HP einen großen Schritt in Richtung Dienstleister und schließt zum 1. April 2004 die Akquisition von Triaton ab, dem von ThyssenKrupp ausgegründeten IT-Dienstleister des Stahlkonzerns.
2005: HP feuert Fiorina und holt Mark Hurd Der Verwaltungsrat entlässt 2005 die Konzernchefin Carleton Fiorina. Ihr Compaq-Deal bleibt umstritten. Ihr Versuch, Konkurrenten wie Dell im unteren und IBM im oberen Leistungsbereich des IT-Geschäfts anzugreifen, gilt als wenig erfolgreich. Ihr Nachfolger wird Mark Hurd, Chef der NCR Corporation.
2008: EDS-Übernahme macht HP zum Servicegiganten Mit dem Zukauf von einer ganzen Reihe an Unternehmen will HP sein Geschäft in den Bereichen Software und Services stärken. 2008 übernimmt HP schließlich für 13,9 Milliarden Dollar den IT-Dienstleister EDS, nach der Compaq-Übernahme der zweitgrößte Deal der Unternehmensgeschichte. EDS beschäftigte damals knapp 120.000 Mitarbeiter, die einen Umsatz von 21,3 Milliarden Dollar erwirtschafteten. HP wird damit im Dienstleistungsgeschäft zu einem absoluten Schwergewicht mit 210.000 Mitarbeitern und einem Umsatz von 38 Milliarden Dollar.
2009: HP kauft den Networking-Spezialisten 3Com Seine Netzwerkkompetenz baut HP schließlich 2009 durch die Akquisition der 3Com Corporation aus. In Deutschland übernimmt zum 50-jährigen Bestehen der HP GmbH Volker Smid den Vorsitz in der Geschäftsführung. Er leitet bis heute die Deutschland-Tochter.
2011: eBay-Chefin Meg Whitman übernimmt das Ruder Der Verwaltungsrat ist gegen Apotheker und holt eBay-Chefin Meg Whitman. Seit dem 22. September 2011 ist sie CEO von HP. Sie geht einen anderen Weg, sieht das Hardwaregeschäft als wichtiges Standbein. Mittlerweile hat sie HP einen harten Sparkurs verordnet. Die Geschäftszahlen für 2012 waren noch katastrophal: Bei einem Umsatz 120,4 Milliarden Dollar machte HP einen Verlust von 12,7 Milliarden Dollar.
2013: Das PC-Geschäft bricht ein Unter Whitman will HP wieder in die technologische Offensive gehen. Neue Produkte rund um Cloud Computing, Big Data und Analytics sollen helfen, das Runder herumzureißen. Sie sollen das wegbrechende PC-Geschäft kompensieren helfen. HP ist zwar noch Marktführer, doch die PC-Verkäufe sind im ersten Quartal 2013 um fast 24 Prozent abgesackt.
2014: Die Aufspaltung kommt Anfang Oktober 2014 nimmt der einstige Branchenprimus Anlauf für den finalen Befreiungsschlag: Bis November 2015 soll der Konzern durch einen Aktiensplitt aufgeteilt werden in HP Inc. als Anbieter von Personal Computern und Drucker sowie in Hewlett-Packard Enterprise (HPE) mit Unternehmenslösungen für Infrastruktur, Software und Services.
2015: Neues Enterprise-Logo Im April stellt Hewlett-Packard Enterprise sein neues Logo vor.
Die Skepsis der Investoren kommt nicht von ungefähr. Die HP-Geschäfte laufen seit Jahren schleppend. Whitman sieht perspektivisch ein Potenzial für ein Umsatzwachstum von vier bis fünf Prozent bei Hewlett Packard Enterprises. Das ist wenig beeindruckend und zudem nur vage Zukunftsmusik.
Wann solche Raten erreicht werden sollen, das bleibt unklar. In diesem Jahr sanken die Erlöse der Sparte bislang nur. Und die Wachstumsmöglichkeiten des Hardware-Konzerns HP Inc. sind noch deutlich bescheidener, wie Whitman selbst zugibt.
Zudem ist HP alles andere als im Angriffsmodus. Beim umkämpften Public-Cloud-Geschäft, um das die Tech-Branche derzeit buhlt, hat man vor der Konkurrenz weitgehend kapituliert. "Amazon ist weit voraus", räumt Whitman ein. Statt selbst weiter mitzumischen, werde man versuchen, über Partnerschaften zu profitieren.
Ein Befreiungsschlag sieht anders aus. Whitmans Strategie wirkt eher wie die Fortführung der Sparprogramme und Selbstverzwergung der letzten Jahre. HP will weiter Kosten senken und Zehntausende Stellen streichen.
Experten bezweifeln, ob die Zweiteilung den Niedergang stoppen kann. "Was ist schlimmer als ein schwerfälliges HP? Zwei" kommentierte die Bloomberg-Kolumnistin Shira Ovide. Analysten sind sich einig, dass es auch in der neuen Struktur sehr schwierig wird, das Ruder herumzureißen.
Profiteur könnte zunächst HP-Inc.-Chef Dion Weisler sein, dessen höhermargiges Hardware-Geschäft nicht länger die Dienstleistungssparten quersubventioniert. Die HPQ-Aktie schoss am ersten Handelstag nach der Abtrennung um 13 Prozent nach oben. (dpa/rs)