Hürden und Chancen

Was die Cloud vom Partner wirklich fordert

12.04.2012
Noch knabbert die Cloud bloß am klassischen Hard- und Software-Business. Doch langfristig wird sich das bisherige Verkaufsmodell allein nicht mehr rechnen. Reseller und ISVs müssen ihr Geschäftsmodell grundlegend verändern - ein Balance-Akt.
Die Herausforderungen für Partner, die ins Cloud-Geschäft einsteigen, sind enorm sind enorm - die Chancen auf zukunftsträchtiges Geschäft rechtfertigen aber die Investitionen.
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Noch knabbert die Cloud bloß am klassischen Hard- und Software-Business. Doch langfristig wird sich dieses Verkaufsmodell allein nicht mehr rechnen. Reseller und ISVs müssen ihr Geschäftsmodell grundlegend verändern - ein Balance-Akt.
In den nächsten Jahren wird dem Channel eine zentrale Funktion als Know-how-Lieferant, Berater und Integrator rund um Prozessthemen zukommen. Treiber dafür ist das Cloud Computing. Doch was bedeutet das ganz konkret für Systemhäuser, ISVs, Consultants und Reseller?

Martin Berchtenbreiter, General Manager Mittelstand & Partner bei Microsoft Deutschland
Foto: Microsoft

Vertriebspartner sind gefordert, den Kunden dahingehend zu beraten, wie er seine IT mittels Cloud-Angeboten möglichst flexibel auf künftige Geschäftsentwicklungen vorbereiten kann, zum Beispiel bei einer geplanten Gründung von Niederlassungen oder schlicht zur Verbesserung von Einkauf und Vertriebsprozessen. Und der Reseller muss klären, mit welchen Sourcing-Lösungen sich diese Anforderungen möglichst kostengünstig erfüllen lassen."Geschäfts- und Umsatzchancen werden in Cloud-Projekten vor allem durch Beratung und spezifische Anpassung generiert", ist Martin Berchtenbreiter, General Manager Mittelstand & Partner bei Microsoft Deutschland, überzeugt.

Das ist eine enorme Herausforderung, für die Experton-Analyst Steve Janata derzeit nur wenige Reseller wirklich gerüstet hält: "Viele verfügen weder über ausreichend qualifizierte Mitarbeiter noch über die notwendige Erfahrung aus realisierten Projekten. Das heißt im Umkehrschluss: Cloud Computing hat langfristig das Potenzial, diesen Teil der Wertschöpfungskette in seinen Grundfesten zu erschüttern." Microsoft-Manager Berchtenbreiter macht dagegen Mut: "Viele unserer Partner sind hier bereits auf einem guten Weg."

Rolle und Geschäftsmodell definieren

Hersteller und Distributoren appellieren an die Partner, im ersten Schritt genau zu definieren, welche Rolle(n) sie künftig übernehmen wollen. Sepp Blank, Geschäftsleiter bei Magirus Deutschland, bringt die Kernfragen auf den Punkt: "Will ich Herstellerangebote vermarkten, Kooperationen eingehen oder eigene Services anbieten?"
Basierend auf dieser Entscheidung gilt es, das neue Geschäftsmodell zu entwickeln. "Für Systemhäuser, Reseller, ISVs und Service-Provider eröffnen sich so neue Geschäftschancen - zum Beispiel als Cloud Broker, der aus der Fülle der Sourcing-Optionen die besten auswählt und in die Kunden-Umgebung integriert", führt Klaus Berle, Leiter Cloud Competence Center Deutschland bei HP, aus.

Systemhäuser, die diesen Weg bereits eingeschlagen haben, betonen ebenfalls die Notwendigkeit, mehr Prozess- und Unternehmensberatung zu leisten. Das Systemhaus Janz IT hat diese Herausforderung bereits vor fünf Jahren angenommen und gemeistert. Neben massiven Investitionen in die Ausbildung der Mitarbeiter, in Cloud-fähige Lösungen und in die Anpassung von Prozessen nennt Geschäftsführer Dirk Waltje eine weitere Herausforderung: "die notwendige Balance zwischen dem klassischen Systemhausgeschäft und den Cloud-Themen halten".

Mögliche Rollen der Partner in der Cloud
Was alle Rollen eint
Die Hauptaufgabe der Partner wird im Cloud-Geschäft sein, Kunden strategisch zu beraten, die künftigen Prozesse zu definieren und bei der Auswahl passender Cloud-Dienste zu unterstützen. Wo beispielsweise könnten sich für den Anwender Standardapplikationen lohnen? Wo zusätzliche Ressourcen aus der Cloud bezogen werden? Was sollte der Kunde auf keinen Fall auslagern?
Cloud Consultant
System- und Beratungshäuser müssen dazu Cloud-spezifisches Technologie-Know-how aufbauen, Demo-Kapazitäten bereitstellen und gegebenenfalls eigene Betriebsumgebungen aufbauen.
Cloud-ISV (Independent Software Vendor)
Bietet seine Applikationen als Web-basierte Services an (SaaS). Vermarkten lassen sich die Anwendungen auch über B2B-Marktplätze (Appstores), die zunehmend von Herstellern, beispielsweise von IBM, Fujitsu, HP, SAP, aber auch seit kurzem von der Telekom angeboten werden.
Cloud-Dienstleister
Anbieter von Dienstleistungen rund um die Cloud, mit Schwerpunkt auf Orchestrierung und Integrierung von Cloud-Leistungen für und beim Kunden. Hier geht es darum, den Mix aus traditionellen On-Premise-Applikationen (betrifft vor allem ERP-Software) mit Cloud-basierten Services und Applikationen zu verknüpfen und dafür ein einheitliches Management zu schaffen.
Cloud Provider
Anbieter oder Hoster von Platform as a Services (PaaS). PaaS umfasst zusätzlich zur Infrastruktur auch Entwicklungsumgebungen, Vereinbarungen über die Laufzeiten, Monitoring, Skalierung, Service Level Agreements (SLA), Abrechnungssysteme, etc.
Cloud Builder
Partner, die Kunden dabei unterstützen, Rechenzentren und Applikationen so umzurüsten, dass sie Cloud-fähig werden

Betriebswirtschaftliche Aspekte

Channel Sales Kongress "Cloud Computing"

Der Kongress findet am 9. Mai in München statt und vermittelt Systemhäusern und Resellern einen Überblick über Cloud-basierte Lösungen und Partnerprogramme, Praxisbeispiele sowie Tipps zur Vertragsgestaltung und zur Neuausrichtung des Geschäftsmodells für das Cloud-Business.
Vor Ort vertreten sind: Also Actebis, Akamai, Avnet, Hewlett-Packard, IBM, nfon, Sage Software, PFU (Fujitus Imaging Solutions), Samsung, Telekom und Vitec Distribution.
Infos und Anmeldung unter: www.channelpartner.de/events/cloud

Hermann Ramacher, Geschäftsführer von ADN
Foto: ADN

Wer Cloud-basierte Lösungen anbieten will, muss außerdem das Provisionsmodell für diese spezifischen Vertriebsmitarbeiter komplett umbauen: Die Abschlussquote muss hier mehr zählen als die Umsatzquote. "Das ist eine der zentralen Aufgaben der Unternehmensführung, denn damit verändert sich konsequenterweise auch die gesamte Gehaltsstruktur", betont ADN-Chef Hermann Ramcher.

Obendrein bedarf der gesamte Business-Plan einer veränderten Wirtschaftlichkeitsberechnung. "Denn die monatlichen oder jährlichen Provisionen stellen sich beispielsweise im Software-as-a-Service-Geschäft (SaaS) in der Liquiditätsrechnung anders dar als die gewohnten einmaligen Lizenzerträge", wie Guido Wirtz, Vice President Customer Consulting bei Also Actebis, anmerkt. Zumal bei SaaS einige Standardservices wegfallen, die der Partner bisher für seine Endkunden erbracht hat. "Die Herausforderung für den Partner ist hier, neue Services anzubieten, für die der Kunde auch in Zukunft bereit ist, etwas zu bezahlen, beispielsweise für Beratungs- und Migrationsleistungen in die Cloud. Das setzt klar definierte Preismodelle und Angebote voraus", so Wirtz.

Einige Cloud-Modelle, beispielsweise IBM SmartCity oder SPLA-Angebote von Citrix und Microsoft, setzen zudem den Aufbau eines eigenen Hosting-Centers, und damit weitere Investitionen sowie zusätzliches Know-how voraus. Denn die Hosting-Struktur muss durchgehend mandantenfähig sein, Server und Applikationen müssen deshalb komplett anders aufgesetzt werden. Hingegen ist bei HPs cCell-Services beispielsweise diese Investition nicht nötig.

Vertrauen, Verantwortung, Verträge

Henning Meyer, Geschäftsführer von Acmeo
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Managed-Services und Managed-Private-Clouds sind bei Unternehmenskunden derzeit die meistgefragten Bereitstellungsmodelle. "Das verschiebt die Betriebsverantwortung, also die Verantwortung für Funktion und Verfügbarkeit der Dienste, zum Anbieter", stellt Acmeo-Chef Henning Meyer klar. Mit gravierenden Folgen für den Partner. Denn um dieser Verantwortung gerecht zu werden, braucht er umfassendes Wissen zu den branchenspezifischen Compliance-Aspekten und Datenschutzauflagen. Security-Aspekte müssen einen weitaus höheren Stellenwert erhalten. "Damit einher geht eine Support-Bereitschaft von 7x24h, die ebenfalls entsprechende Anpassungen im Geschäftsmodell voraussetzt", so Ramacher.

Im Kern geht es bei Cloud Computing um Vertrauen, darin ist sich die Branche einig. Um dieses Vertrauen zu gewinnen, bedarf es im Vorfeld bereits einer engen Kundenbeziehung. Doch der Partner muss auch Rechtssicherheit gewährleisten, er braucht vertragliche Regelwerke, die dem Kunden die benötigten Service-Level-Agreements und Datenschutzregelungen zusichern sowie Sicherheitsdokumentationen.

Und für gewöhnlich will der Kunde erst einmal in Demo-Szenarien testen, ob die zugesagten Services auch tatsächlich funktionieren. Aus Gründen des Datenschutzes legen zudem viele Unternehmen noch immer großen Wert darauf, dass die Dienste aus deutschen Rechenzentren heraus gehostet werden.

Integration und Migration werden komplexer

Anspruchsvolle Aufgaben kommen auf die Partner zudem bei der Migration und der Integration von Cloud-basierten Diensten und Applikationen in die bestehende IT-Landschaft des Kunden zu. Denn sie erfordern ein hohes Maß an Schlüsselkompetenzen zu Fragen der Standardisierung, Automatisierung, Orchestrierung und des zentralen Managements.
"Es wird Wert gelegt auf Lösungen, die herstellerübergreifend virtualisieren, integrieren und verwalten können. Software oder Systeme, die nur einen bestimmten Hersteller an Prozessorarchitektur, Speicher oder Netzwerkmodulen erlauben, haben von vornherein das Nachsehen", erklärt Frank Strecker, Direktor Cloud Computing bei IBM in Deutschland. Zwar versprechen alle Hersteller, diese Offenheit zu gewährleisten. Doch die Realität sieht nach dem Bekunden von Branchenkennern anders aus.

Die Integration von Cloud-Diensten bleibt deshalb eine doppelt anspruchsvolle Aufgabe: Denn nicht nur die Unternehmens-IT des Kunden muss dazu standardisiert sein, sondern auch die Cloud-Anbieter müssten sich auf Standards einigen. Und die sind zurzeit nicht in Sicht.

Erwartungshaltung der Kunden

Gleichzeitig wachsen die Ansprüche der Anwender gegenüber Cloud-Systemhäusern: Sie übertragen Erfahrungen, die sie als Privatanwender, beispielsweise mit Apple Apps oder mit dem Bezug von Amazon-Ressourcen, gemacht haben, zunehmend auf Business-Anwendungen. "Der Druck, der durch diese Konsumhaltung auf die Systemhäuser entstanden ist, ist enorm", weiß ADN-Chef Ramacher. "Der Partner muss die Professionalität, die der Kunde beispielsweise von Apple bei der Bereitstellung von Diensten gewohnt ist, letztlich für jedes Cloud-Angebot leisten."

Erwartet werden nicht nur komfortable Self-Service-Portale, sondern auch eine granulare Abrechnung. So bemängelt Prof. Dr. Helmut Krcmar, Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, Technische Universität München: " Bei echtem Cloud Computing muss man zum Beispiel für acht Minuten einen Speicher von 100 Terabyte nutzen können. Solche Anforderungen erschrecken heute eher noch viele Anbieter."

Obendrein muss der Partner bei der Vermarktung von Cloud-basierten Angeboten langfristig neue Wege einschlagen: "Dazu gehört zum Beispiel die Frage: Wie kann ich meine SaaS-Angebote in meinen Webshop integrieren? Wie kann ich meine Website dahingehend für die Search Engines optimieren? Die Homepage als elektronische Visitenkarte allein wird ganz sicher nicht mehr ausreichen", so Wirtz.

Hilfe von Distis und Herstellern

Hersteller und Distis wissen um diese Herausforderungen. Viele Hersteller, unter anderem Citrix, Fujitsu, HP, IBM, Microsoft, Oracle, Fehler! Hyperlink-Referenz ungültig., VMware, NetApp, HDS und Datacore, ebenso wie weitere zahlreiche Open-Source-Anbieter haben ihre Partnerprogramme an die unterschiedlichen Rollen angepasst, die der Partner im Cloud-Business einnehmen wird, und bieten spezielle Unterstützung für Consultants, Integratoren, Systemhäuser, Hoster und ISVs. Dell will in den nächsten Wochen ein solches Programm vorstellen.
Auch Distributoren stehen Partnern bei der Entwicklung entsprechender Geschäftsmodelle und insbesondere bei der Aus- und Weiterbildung sowie bei Vermarktung, Vertragsentwürfen und beim Aufbau eigener Demo-Center zur Seite. Eigene Rechenzentren, Finanzierungshilfen und zunehmend auch vorgefertigte Kalkulations- und Leistungsbeschreibungen sind weitere Angebote, auf die Partner zurückgreifen können.

Boni-Programme hinken hinterher

Ob SaaS, IaaS oder PaaS: Alle Angebote, egal ob als Public, Private oder Hybrid Cloud bereitgestellt, erfordern generell ein anderes Business-Modell vom Partner und somit eine andere Boni-Struktur vom Hersteller. "Nicht alle Hersteller tragen diesem Wandel bereits Rechnung und honorieren eher die Abschlüsse als die Umsätze wie es die Cloud erfordert", so die Erfahrung Ramachers. Auch Blank erkennt hier "zweifellos Nachholbedarf". Noch immer werde das Cloud-Business vielerorts gebremst durch "ängstliche Umsatzbewahrer", wie es Acmeo-Chef Meyer formuliert. Als Musterbeispiele für echte Cloud-orientierte Boni-Modelle gelten in der Branche unter anderem Microsoft im SPLA-Bereich, IBMs SmartCloud, Commvault und GFI.

Stephan Wippermann, Vice President Geschäftspartnerorganisation & Mittelstand bei IBM Deutschland
Foto: IBM

Stephan Wippermann, Vice President Geschäftspartnerorganisation & Mittelstand bei IBM Deutschland, appelliert hier an die Partner: "Unsere Boni-Programme honorieren sehr wohl das Engagement der Partner in Richtung Cloud-Services, zumal wir gemeinsam mit dem Partner Business-Pläne entwickeln. Voraussetzung ist, dass der Partner im Gespräch unbedingt transparent macht, dass er sein Portfolio neu ausrichten möchte und anstelle des bisherigen transaktionsorientierten Geschäfts künftig stärker transformationsorientierte Annuitäts-Umsätze tätigen wird."

(rb)

Cloud Computing - Markt und Meinungen
Cloud-Markt in Deutschland 2012 bis 2017: Investitionen und Ausgaben nach Segmenten (B2B) in Millionen Euro
Quelle: Experton Group 01/2013
Cloud-Technologien: Marktanteile in Deutschland 2013 (1,55 Milliarden Euro)
Quelle: Experton Group 01/2013
Das treibt Unternehmen in die Cloud:
mangelnde eigene IT-Ressourcen, Wunsch, vorhandene Ressourcen effizienter zu nutzen Wunsch nach Kostensenkung; schnellere Bereitstellungs- und Evaluierungszeiten (Druck aus Fachabteilungen); mehr Flexibilität; bessere Arbeitsabläufe; Verantwortung für IT-Betrieb stärker auf den Anbieter verschieben