Sicherheitsbedenken haben sich durchgesetzt

Was der Verzicht auf chinesische Technik im 5G-Netz bedeutet

12.07.2024
Die Mobilfunknetze in Deutschland sollen nicht länger auf wichtige Komponenten aus China angewiesen sein. Doch der Abschied von Lieferanten wie Huawei und ZTE ist technisch und rechtlich schwierig.
In ihren 5G-Netzen müssen Telekom, Telefónica und Vodafone wichtige Komponenten von Huawei und ZTE ersetzen.
Foto: Fit Ztudio - shutterstock.com

Die Bundesregierung und die Betreiber der deutschen Mobilfunknetze haben sich nach langem Streit auf einen weitgehenden Bann chinesischer 5G-Technologie geeinigt. Um einer Schadensersatzklage vorzubeugen, erfolgte der Kompromiss in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrags, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) in Berlin mitteilte.

Der Kompromiss sieht vor, dass die Provider mehr Zeit für den Umstieg haben und einfache Elemente von Huawei und ZTE weiter nutzen können. Dafür verpflichten sich die Provider auf einen flächendeckenden Austausch - nicht nur in der räumlichen Nähe von Bundesministerien und sensiblen Einrichtungen.

Im Kernnetz dürfen die kritischen Komponenten spätestens Ende 2026 nicht mehr eingesetzt werden, erklärt Faeser. Hier geht es um die zentralen 5G-Rechenzentren für die Datenübertragung. In einem zweiten Schritt geht es um die Zugangs- und Transportnetze, hierzu zählen etwa Funkmasten. Über die finanziellen Konditionen haben alle Seiten Stillschweigen vereinbart. Zu möglichen Ausgleichszahlungen wollte Faeser nichts sagen.

Sabotage und Spionage befürchtet

Die Bundesinnenministerin sah dringenden Handlungsbedarf, weil sie Deutschland gegen Risiken durch Sabotage und Spionage beim Ausbau der Netze wappnen möchte. Aber auch Wirtschaftsminister Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock drängten auf ein rasches Verbot.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sah dringenden Handlungsbedarf beim 5G-Netz, um Deutschland vor möglicher Sabotage und Spionage zu wappnen.
Foto: Alexandros Michailidis - shutterstock.com

Sie zogen eine Parallele zur einstigen Abhängigkeit Deutschlands von billigen Gas-Importen aus Russland. Die Bundesrepublik dürfe beim Ausbau einer wichtigen Infrastruktur wie dem Mobilfunk der fünften Generation (5G) nicht auf Schlüsselkomponenten aus China setzen. Digitalminister Volker Wissing (FDP) machte sich dagegen Sorgen, ob sich die Mobilfunkversorgung nach einem Umbau verschlechtert.

Auf seiner Sommerreise sagte Habeck in Magdeburg: "Über die Telekommunikation werden im Grunde fast alle kritischen Infrastrukturen gesteuert und wir haben ein staatliches Interesse, dass die Technik, die dort verwandt wird, nicht geeignet ist oder genutzt wird, um Daten abfließen zu lassen. Diese chinesische Technik unterliegt dem chinesischen Gesetz und die Unternehmen selbst sind gehalten, die Daten, die sie sammeln, China zu übermitteln. Das ist der Grund, warum wir dort agieren und eingreifen mussten."

Huawei ist Weltmarktführer

Die Vorbehalte der Politik betreffen vor allem Huawei, den Weltmarktführer im Bereich Mobilfunk-Infrastruktur. Aber auch gegen den kleineren Wettbewerber ZTE aus China bestehen politische Vorbehalte. Huawei ist der führende chinesische Technologie-Konzern, der nicht nur Smartphones, Tablet Computer und Laptops baut, sondern auch ein wichtiger Zulieferer für unterschiedlichste Infrastrukturprojekte ist.

Trotz Widerständen und Ablehnung in den USA und Europa ist Huawei weltweit der größte Anbieter für TK-Netzwerkausrüstung.
Foto: Dell’Oro Group

Der Konzern ist nicht an der Börse notiert, verweist aber darauf, das Unternehmen gehöre über Mitarbeiteraktien den Angestellten und werde auch von diesen kontrolliert. Wie andere chinesische Unternehmen ist Huawei allerdings auch gesetzlich verpflichtet, mit dem chinesischen Staat zusammenzuarbeiten.

Vorwürfe aus den USA

Insbesondere Politiker und Wirtschaftswissenschaftler aus den USA behaupten, Huawei müsse aufgrund der autoritären Machtstrukturen in China für die Staatsführung seine Kunden im Ausland ausspionieren. Beklagt wird auch eine intransparente Firmenstruktur. Formell gehörten die Mitarbeiteranteile nicht den Beschäftigten selbst, sondern einer Gewerkschaft. Und die werde wie alle Gewerkschaften in China von der Partei kontrolliert.

Eine "smoking gun" konnten die Huawei-Kritiker bislang nicht präsentieren: Der Konzern wurde noch nie in der Öffentlichkeit in konkreten Fällen der Spionage oder Sabotage überführt. Da unterscheidet sich der chinesische Konern von amerikanischen Unternehmen, denen schon mehrfach nachgewiesen wurde, dass sie US-amerikanischen Geheimdiensten Hintertüren eingerichtet hatten oder US-Geheimdienste sich diese verschafft hatten.

Alternativen aus Skandinavien

Neben Huawei und ZTE aus China sind auf dem Markt der Radio Access Networks (RAN) vor allem Nokia aus Finnland und Ericsson aus Schweden aktiv. Technologisch spielen sie annähernd in der gleichen Liga, die chinesischen Zulieferer sind aber häufig preiswerter.

Weltweit macht das den Europäern zu schaffen. Zum Beispiel kündigte Ericsson bereits im März die Entlassung von 1.200 Beschäftigten in Schweden an und hat soeben durchwachsene Zahlen vorgelegt sowie einen pessimistischen Ausblick auf den Rest des Jahres 2024 gegeben.

Ein Alternativkonzept ist Open RAN, bei dem Komponenten unterschiedlicher Hersteller miteinander kombiniert werden können. Neben den klassischen RAN-Anbietern Huawei, ZTE, Nokia und Ericsson kommen hier neue Player wie Rakuten Symphony (Japan) oder Juniper Networks (USA) mit ins Spiel.

Erfahrungen in Großbritannien

Die umfangreichsten Erfahrungen mit dem Umbau eines Netzes liegen aus Großbritannien vor, wo Huawei bereits im Jahr 2020 als Ausrüster ausgeschlossen wurde. Im Februar 2024 zeigte ein 5G-Benchmarking-Test des spanischen Unternehmens Medux, dass Großbritannien im internationalen Vergleich nur noch über ein schwaches 5G-Netz verfügt.

In dem Vergleichstest lag Berlin auf dem ersten Platz, gefolgt von Barcelona und Paris. London landete deutlich abgeschlagen auf dem letzten Platz des Metropolen-Rankings.

Digitalminister Wissing ist sich nach dem Kompromiss aber sicher, dass dieses Szenario sich in Deutschland nicht wiederholen wird und der 5G-Ausbau nicht ins Stocken gerät. Mit den vereinbarten Übergangsfristen gebe man den Netzbetreibern die nötige Zeit für eine geordnete Umstellung. (Christoph Dernbach, dpa/pma)