Interview mit Geschäftsführer Carlo Wolf

Was Cisco in Deutschland vorhat

24.06.2011 von Thomas Hafen
Während der Konzern Cisco vor allem mit seiner Restrukturierung beschäftigt ist, hat Cisco-Deutschland-Chef Carlo Wolf ambitioniertere Ziele als das Kostensparen. Welche, verrät er im Interview mit ChannelPartner.
Sieht Cisco in der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung: Carlo Wolf, Geschäftsführer Cisco Deutschland und Vice President Europe
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Konzernweit will Cisco eine Milliarde Dollar an Betriebsausgaben einsparen. Das wird nicht ohne Entlassungen gehen. Inwieweit ist Deutschland von den Sparmaßnahmen betroffen?

Carlo Wolf: Das Gesamtpaket setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen. Wir werden bis Ende des Sommers brauchen, um genau sagen zu können, wie wir diese Einsparungen erzielen werden. Mit Sicherheit wird die Milliarde aber nicht allein durch Personalmaßnahmen eingespart werden. Wir werden uns aus bestimmten Marktsegmenten zurückziehen, die Schließung der Flip-Akquisition mit insgesamt über 500 Mitarbeitern wurde ja bereits kommuniziert. Wir haben in Nordamerika ein Vorruhestandsprogramm ins Leben gerufen, da muss man abwarten wie viele Mitarbeiter das annehmen.

Cisco insgesamt liegt deutlich hinter den Erwartungen der Analysten und verliert Marktanteile in seinen Kernmärkten. Wie ist denn die wirtschaftliche Lage in Deutschland?

Wolf: Wir haben in Deutschland ein gesundes Wachstum und wachsen deutlich über dem Konzernschnitt. Wir haben innovative Produkte und halten unsere Marktanteile in unseren Kernmärkten. Aber ich geben offen zu, dass wir stark an der Differenzierung arbeiten müssen. Wir müssen dem Markt zeigen, dass das Netzwerk eben nicht Massenware ist, sondern dass ich mit Themen wie Energiemanagement, IPv6 oder Sicherheit eine Differenzierung schaffen kann. Es ist ganz wichtig, dass wir gemeinsam mit unseren Partnern in der Lage sind, das am Markt zu positionieren. Ein Switch ist eben nicht nur ein Switch.

Haben Sie für das kommende Fiskaljahr, das ja zum 01.08.2011 beginnt, für Deutschland spezifische Ziele formuliert?

Wolf: Ja, wir haben uns vier Ziele vorgenommen. Erstens: Wir wollen als Cisco Deutschland zur gesellschaftlichen Veränderung beitragen. Ich denke, wir haben als Technologieunternehmen einen maßgeblichen Einfluss, wie wir Bildung gestalten können, wie wir Veränderungen im Gesundheitswesen vorantreiben können. Wie können wir Auswirkungen der Demographie abfedern, wie können wir dazu beitragen, Menschen länger im Job zu halten, mit Telepresence etc.?

Das ist ja ein ziemlich hoher Anspruch für ein Unternehmen, das Router und Switches produziert.

Wolf: Es geht darum, greifbar zu machen, welchen Einfluss eine Technologie letztendlich auf den hat, der sie nutzt oder den sie betrifft. Wenn wir es schaffen, über Hochleistungsnetze und hoch auflösende Videotechnologien, Telemedizin zu älteren Menschen nach Hause zu bringen, dann ist das ein technologischer Fortschritt, der dazu beiträgt, Lebensqualität zu erhalten.

Welche weiteren Ziele hat Cisco Deutschland?

Wolf: Unser zweites Ziel bezieht sich mehr auf den industriellen Sektor: Wir möchten Relevanz für Innovation und Produktivität erzielen. Welchen Beitrag können wir leisten, dass deutsche Unternehmen Innovation und Produktivität vorantrieben können? Deutschland kann sich nicht durch Bodenschätze oder preiswerte Arbeitskräfte am Markt differenzieren. Unsere Vorteile sind eine große Innovationskraft und eine sehr hohe Produktivität. Dazu wollen wir mit unseren Technologien beitragen - durch Vernetzung, Collaboration, Video. Unser drittes Ziel ist es, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Wir stehen im Wettbewerb um Talente. die richtigen Mitarbeiter zu finden, ist nicht so einfach, umso wichtiger ist es, die, die man hat zufrieden zu stellen. Das vierte und letzte Ziel ist wirtschaftlicher Erfolg.

"Partner sind unsere erweiterte Vertriebsorganisation"

Welche Veränderungen wird es für Partner geben?

Wolf: Wir hatten bisher acht Vertriebsregionen in der Welt, die mit Wirkung zum 01.08.2011 auf drei Regionen reduziert werden. Wir gehören als Deutschland wieder zu einer Region EMEA, die es ja bis 2005 schon einmal gab. Darüber hinaus haben wir zwei Go-to-Market-Modelle angekündigt. Das eine heißt "Customer-led" das andere "Partner-led". Wir haben immer ein indirektes Modell gehabt und das wird auch unsere Maßgabe bleiben. Wir wollen das Partnermodell stärken und mehr Kunden darüber betreuen. Das ist sicher eine Veränderung. die die Partner betrifft - aber im positiven Sinne, weil wir die Partner als unsere erweiterte Vertriebsorganisation stärken und ausbauen wollen.

Wollen Sie die Betreuung der bestehenden Partner intensivieren oder auch neue Partner gewinnen?

Wolf: Auf jeden Fall beides; bestehende Partner werden wir immer weiter entwickeln müssen, denn unser Portfolio entwickelt sich auch weiter. Wenn Sie das Marktsegment Data Center nehmen - da waren wir vor zwei Jahren nicht sonderlich präsent. Heute sind wir dort sehr erfolgreich positioniert, das heißt auch für unsere Partner eine Veränderung, wenn auch nicht für alle. Nicht jeder unserer Netzwerkpartner geht den Schritt mit ins Data Center, aber viele tun es.

Und wo wollen Sie neue Partner akquirieren?

Wolf: Im unteren Marktsegment haben wir sicher noch Potenzial, die Anzahl der Partner auszubauen, um eine bessere Flächendeckung im Markt zu erzielen. Da spielt die geographische Nähe zum Kunden eine ganz andere Rolle als im Großkundensegment. Da gibt es zwei Themen die für uns relevant sind: Zum einen Partnerrekrutierung, um diese Flächendeckung zu erreichen, das andere ist aber die Entwicklung derer, die bereits mit uns Geschäft gemacht haben, die aber nicht regelmäßig Umsatz bringen.

Sie hatten ja das Segment Data Center angesprochen, zu dem auch die Blade-Server-Plattform UCS (Unified Computing System) gehört. Mit UCS konnte Cisco innerhalb von zwei Jahren nach Markteinführung bereits Platz drei im weltweiten Blade-Server-Markt erreichen. Ist dieser Erfolg auch neuen Partnern zu verdanken?

Wolf: Ich glaube wir haben einfach ein gutes Produkt an den Markt gebracht. Wir haben zum einen bestehende Partner in die Lage versetzt, mit uns in diesen Markt zu wachsen. Manche waren bereits im Data-Center- oder Server-Umfeld aktiv, beispielsweise das Unternehmen Computacenter, mit dem wir schon im Netzwerkbereich zusammengearbeitet haben, Da haben wir die Zusammenarbeit ausgebaut. Andere wie Dimension Data, die keine Erfahrung im Data-Center-Bereich hatten, haben sich dieses Feld gemeinsam mit uns erschlossen. Wir haben aber auch eine Reihe von neuen Partnern akquiriert, die speziell in diesem Markt aktiv sind. Beispiele sind Bechtle, Fritz & Macziol oder Magirus als Distributor, mit denen wir im klassischen Netzwerkgeschäft wenig Berührungspunkte hatten.

Auf der anderen Seite haben Sie sich durch den Einstieg ins Server-Geschäft Partner wie HP und Dell vergrault. Ist der Verlust an Marktanteilen in den Kernmärkten eine direkte Folge davon?

Wolf: HP hat ja eine eigene Akquisition im Netzwerkbereich getätigt und 3Com übernommen. Das ist eben der Trend im Markt. Ich kann die Themen im Rechenzentrum nicht mehr trennen. Wir machen auch nicht alles alleine. Teil unsers Erfolges sind Partnerschaften mit EMC und VMware oder Citrix und NetApp. Mit dem Servergeschäft alleine kann ich eben nicht mehr die Bedürfnisse des Kunden im Rechenzentrum befriedigen.

"Wir haben im Switching-Umfeld Preisdruck"

Nochmals zurück zum Verlust der Marktanteile in den Kernmärkten. Was ist denn der Grund dafür? Ist Cisco zu überheblich geworden oder zu teuer?

Wolf: Wir haben im Switching-Umfeld Preisdruck, das ist zweifellos so. Wir sind nach wie vor unangefochtener Marktführer in diesen Segmenten, das weckt natürlich Begehrlichkeiten bei anderen. Wenn Sie in vielen Bereichen aktiv sind, schauen Sie da vielleicht nicht so genau hin. Deshalb wollen wir uns in Zukunft auf fünf Themen konzentrieren Wir wollen in unserem Kerngeschäft - Routing, Switching, Security, Mobility und Services - die Marktführerschaft ausbauen. Priorität Nummer zwei ist alles, was mit Collaboration zu tun hat; Nummer drei ist Datacenter / Virtualisierung / Cloud; Nummer vier ist Video und zwar über das gesamte Spektrum von Tandberg bis zum Settop-Box-Geschäft, das wir mit Scientific Atlanta übernommen haben. Priorität fünf lautet Business and Technology Architectures und soll eine Klammer um die anderen Themen bilden und diese zusammenführen.

Cisco zieht sich aus dem Consumer-Geschäft zurück. Bedeutet das auch das Aus für Linksys?

Wolf: Home Networking ist eine Networking-Komponente die wir weiter besetzen werden. Das wird sehr stark über unsere Service-Provider-Kunden an den Endkunden getragen. Wir werden das sicher nicht mit dem gleichen Vertriebsmodell in den Markt bringen können, wie wir unsere Netzwerkprodukte bei Großunternehmen positionieren.

Sie hatten das Thema Virtualisierung / Cloud schon erwähnt. Sie arbeiten dort eng mit EMC im Joint Venture VCE zusammen und sind gleichzeitig Partner von NetApp, dem größten Wettbewerber von EMC im Storage-Bereich. Wie passt das zusammen?

Wolf: Das funktioniert erstaunlich gut. Das hat viel damit zu tun, wie offen man damit umgeht und wir gehen da sehr offen damit um. Die Besonderheit an der EMC-Allianz ist, dass wir zusammen mit EMC und VMware ein gemeinsames Unternehmen - VCE - gegründet haben und dass wir das Produkt, den sogenannten Vblock gemeinsam anbieten. Es sind zwei Allianzen, das ist sehr abhängig von der Kundensituation, von den Kundenbeziehungen und von den Lösungen die wir dort positionieren.

Und der Gewinner heißt immer Cisco …

Wolf: Aus diesem Blickwinkel ja, aber EMC baut genauso Lösungen mit Brocade als Netzwerkpartner - das ist ein Geben und ein Nehmen. So eine Partnerschaft ist nicht einseitig exklusiv. Da gehen wir sehr professionell damit um, definieren Zielkunden, wo wir gemeinsam aktiv werden, bei anderen eben nicht. Reibungen gibt es da keine, auch wenn sich das seltsam anhört.

"Das Vblock-Konzept kommt an"

Wie wird das Vblock-Konzept von den Kunden angenommen?

Wolf: Das kommt erstaunlich gut an. Die Kunden wollen für immer mehr Anwendungsfälle eine Lösung und die besteht eben aus Servern, Storage, Virtualisierung und dem Netzwerk. Gerade dort, wo sich viele Kunden mit neuen Themen wie Virtual Desktop beschäftigen, ist das Interesse groß. Wir stellen da einen Vblock hin und richten 500 virtuelle Desktops ein, da kommt alles aus einer Hand, das ist sehr überzeugend für den Kunden.

Wie sieht das Vertriebskonzept von VCE aus?

Wolf: Das Unternehmen hat keinen anderen Zweck als die Lösung im Markt zu etablieren und die Markteinführung zu unterstützen, das Know-how zur Verfügung zu stellen und Kundenberatung sowie Kundensupport zu bieten. VCE verkauft kein Produkt direkt, das geht nach wie vor über Partner. VCE ist eine reine Support-Organisation.

Cisco-Manager Bernd Heinrichs stellte die Frage: Wie viele Männer passen in einen virtuellen Speicher?
Die vorläufige Antwort der Damen-Combo HottSax aus München: ein Tusch!
Dann geht die Suche nach der Antwort los: Ein Mann, schlagen Sabrina Kalthoff und Sylvia Drescher von Conet Solutions vor.
Eine andere Antwort war: drei.
Waren sich nicht einig, ob sie das glauben sollten: Jörg Richter von Comstor in Berlin, Elena Simon von BCC in Braunschweig und Carsten Zöllmann, Cisco Brand Protection.
Dann die Probe aufs Exempel: Ein paar Männer werden zu Gruppen gebündelt - mit lockender Musik ...
Gespannt beäugt von Cisco- Manager Bernd Heinrichs und seiner Assistentin Silvia Fernandez Perez ...
... und den bereits gespeicherten hinzugefügt.
Cisco-Chef Michael Ganser rechnet dann vor, dass noch zweieinviertel Männer Platz haben müssten.

Aber will VCE nicht ein eigenes Partner-Netz aufbauen?

Wolf: Ja, das ist richtig, das ist Teil der Aufgabe, diese Lösung in den Markt zu treiben. Es ist aber nicht das Ziel des Unternehmens, durch den Verkauf von Lösungen Gewinn zu erzielen. Das Ziel von VCE ist ein Ökosystem und das Know-how um diese Vblock-Lösung sicherzustellen. Dazu gehören auch Partner und Zertifizierungen, und Ausbildung dazu speziell um diese Vblock-Lösung. Alles, was bei VCE passiert, kommt letztendlich EMC, VMware und Cisco zugute.

Ist denn ein Vblock mehr als bloß eine Bestellnummer, unter der die Einzelkomponenten zusammengefasst werden?

Wolf: Vblock ist mehr als eine Bestellnummer. Es ist eine Referenzarchitektur, die Produkte sind aufeinander abgestimmt und es gibt eine gemeinsame Produktentwicklung. Aber wenn ein Vblock verkauft wird, werden die Umsätze anteilsmäßig den lokalen Vertriebsorganisationen der drei beteiligten Hersteller zugeordnet. (haf)