Sanierungskosten von bis zu 10 Millionen Euro – so viel war auch dem deutschen Onlinehändler Cyberport sein österreichischer Partner im stationären Handel nicht wert: Die Investorensuche für die Elektronikkette Niedermeyer blieb erfolglos, die verbleibenden 45 Filialen des einst 98 Standorte starken Filialnetzes werden in den kommenden Wochen schließen. Wegen des erfolgreichen Abholshop-Konzepts „Cyberport.at Niedermeyer“ wurde der deutsche Elektronikversender als möglicher Retter für die Elektronikkette gehandelt, die Anfang April Insolvenz anmeldete. Dabei wurde jedoch ausgeblendet, dass Cyberport – trotz seines starken Standbeins im stationären Handel – sehr genau um die Vorteile einer schlanken E-Commerce-Aufstellung weiß.
Mit Niedermeyer ist in Österreich innerhalb von drei Jahren bereits die zweite nationale Elektronikkette gescheitert. Während Niedermeyer auf ein dichtes Netz aus mittelgroßen Filialen setzte, betrieb das 2010 insolvent gegangene Cosmos in der Alpenrepublik insgesamt 27 Flächenmärkte. Beide Handelsketten verzeichneten zuletzt Umsätze im dreistelligen Millionenbereich, machten zusammengenommen aber unter 10 Prozent des Umsatzvolumens im österreichischen Elektronikhandel aus. Wie hierzulande wird der Markt auch in dem Nachbarland durch die Flächenmärkte der Media-Saturn-Gruppe und das Verbundgruppen-Dreigestirn aus EP, Expert und Euronics dominiert.
Ruinöser Online-Wettbewerb oder hausgemachte Pleite?
Dennoch ist im Zuge der Niedermeyer-Pleite in Österreich eine Debatte über die Ursachen der Insolvenz und deren generelle Aussagekraft für den Elektronikhandel in Gang gekommen. Häufig wird dabei auf die Konkurrenz aus dem Onlinehandel verwiesen: So heißt es beim Alpenländischen Kreditorenverband, die Elektro-Branche müsse ihr Geschäftsmodell überdenken, um den Druck aus dem Onlinehandel standzuhalten. Der Spezialist für Standortanalysen RegioPlan Consulting sieht bereits in naher Zukunft „eine ganz massive Veränderung“ des Einzelhandels durch den E-Commerce. So werde der stationäre Handel in erster Linie zu einem Ort der Warenpräsentation und der Kommunikation, während die Kaufakte und -abschlüsse sich zunehmend ins Netz verlagerten.
Doch gibt es auch Stimmen, die individuelle strategische Fehler für die Niedermeyer-Insolvenz verantwortlich machen. Die Kette habe mit ihrem dichten Filialnetz auf das fehlgeleitete Konzept eines „Elektro-Nahversorgers“ gesetzt. Angesichts der hohen Konkurrenzsituation, sinkender Margen und einer ungünstigen Konjunkturentwicklung seien die Niedermeyer-Standorte weder für die Konsumenten noch für die Industrie besonders attraktiv gewesen. „Zu klein und gleichzeitig zu groß“, lautet das Urteil des Branchenmagazins Elektro.at. Desweiteren wird ins Feld geführt, dass Niedermeyer weder mit dem angebotenen Sortiment noch mit der gelieferten Beratungs- und Servicekompetenz einen echten Kundennutzen geliefert habe: „Niedermeyer wurde zu einem Händler, der eigentlich alles hatte, aber doch nie das, was man gerade brauchte“, schreibt dazu Die Presse.
Ist ProMarkt der „deutsche Niedermeyer“?
Auch wenn es somit kaum möglich ist, die Pleite von Niedermeyer an einzelnen Faktoren festzumachen, stellt sich doch die Frage, welche Aussagekraft die Insolvenz für die deutsche Elektronikbranche besitzt – denn bei allen Unterschieden zählt Österreich doch zu den Nachbarländern, die am ehesten mit Deutschland vergleichbar sind. Zudem gibt es auch hierzulande mit ProMarkt aktuell den Fall eines nicht gerade unbedeutenden Marktteilnehmers, der sich in akuten Schwierigkeiten befindet. Wie Niedermeyer bietet auch die zum Rewe-Konzern gehörende Elektronikkette bereits seit einigen Jahren Multichannel-Funktionen wie die Online-Vorbestellung und Vor-Ort-Abholung von Waren an. Dennoch werden in beiden Fällen pauschal Online-Versäumnisse als Grund für die wirtschaftliche Schieflage in Feld geführt.
Dabei zeigen die Ausfälle im österreichischen Elektronik-Retail, dass es nicht so sehr die zusätzlich zum stationären Geschäft angebotenen Online-Funktionalitäten sind, die für die Überlebenschancen der Handelsketten den Ausschlag geben. Entscheidend ist vielmehr, ob es gelingt, kanalübergreifend ein Angebot zu schaffen, dass den Kunden im Vergleich zum Wettbewerb echte Mehrwerte bietet. Dazu zählen die Attraktivität des angebotenen Sortiments, natürlich der Preis, aber auch die Qualifikation der Verkaufsmitarbeiter sowie Umfang und Qualität der angebotenen Service-Leistungen. Wer hier eine in seinen Sortimentsschwerpunkten hochwertige Produktauswahl anbietet und diese mit einer guten Beratung und großzügigen Kundenservices verbindet, hat gute Chancen, gegen die E-Commerce-Konkurrenz zu bestehen – der Umfang der angebotenen Multichannel-Services und einige Euro Preisdifferenz dürften in diesem Fall eher eine untergeordnete Rolle spielen. Wer allerdings weiter auf ein x-beliebiges Gemischtwarenangebot setzt, dieses zu nicht besonders attraktiven Preisen anbietet und wenig Aufwand in Personal und Service investiert, wird schwerlich gegen die Konkurrenz aus Amazon, Notebooksbilliger und Co. bestehen können.
Genau hier liegt auch das Dilemma von ProMarkt: Mit Fachhandelskompetenz kann der Retailer nicht punkten. Gleichzeitig war Rewe nicht willens bzw in der Lage, mit einem entsprechenden Engagement für ein in der Breite und bei den Preisen herausragendes Sortiment zu sorgen. Bei Media-Saturn stellt sich die Situation dagegen anders dar: Nach einigem Zögern ist die Metro-Zentrale nun bereit, mit Preissenkungen und dazugekauften Online-Marktanteilen in die Zukunft der Retail-Kette zu investieren. Schon bald dürfte hier allerdings wieder die Frage der Rentabilität entscheidende Bedeutung erlangen.
Die Verbundgruppen: deutsche "Elektronik-Nahversorger"
Eine hohe Relevanz besitzt das Beispiel Österreich schließlich auch für die Verbundgruppen und die unabhängigen Händler. Die vergleichsweise hohen Abgänge bei den Synaxon-Vertriebslinien PC-Spezialist und Microtrend zeigen, dass viele Fachhändler nicht mehr in der Lage sind, mit ihrem Warenangebot bei den Kunden ihre Existenznotwendigkeit zu begründen. Während im IT-Bereich das Service-Geschäft noch eine Ausweichmöglichkeit bietet, dürften vor allem die CE-Verbundgruppen zunehmend unter Druck geraten. Die – mehr oder weniger überzeugenden – Multichannel-Konzepte von EP, Euronics und Expert sind alles andere als eine Überlebensgarantie für die Kooperationsmitglieder, die sich im Hinblick auf Größe und Sortiment am besten als „Elektro-Nahversorger“ bezeichnen lassen. (mh)