Cloud Service Provider

Was AWS, Microsoft & Co. in Deutschland vorhaben

22.11.2014 von Bernd Reder
Amerikanische Cloud Service Provider investieren gerade kräftig in den Standort Deutschland und stampfen neue Data Center aus dem Boden. Alles im Sinne des datenschutzbewussten, gleichwohl zahlungskräftigen deutschen Anwenders. Der wiederum muss den Marktdurchblick behalten.

Cloud Computing ist in Deutschland zweifellos auf dem Vormarsch. Die Marktforscher der Experton Group gehen davon aus, dass 2014 der Umsatz mit Cloud-Computing-Produkten bei 6,6 Milliarden Euro liegt. Die Hälfte davon entfällt auf Cloud-Services. Für 2015 erwartet Experton einen Umsatz von mehr als 9 Milliarden Euro.

Die Marktforschungsgesellschaft Experton Group taxiert den Markt für Cloud-Computing-Produkte in Deutschland auf 6,6 Milliarden Euro. Etwa die Hälfte davon entfällt auf Cloud-Services.
Foto: Experton Group

Doch speziell Cloud-Dienste, die durch Cloud Service Provider aus dem Ausland bereitgestellt werden, werden hier zu Lande von Anwendern kritisch betrachtet. Der Grund ist die Sorge um den Schutz unternehmenskritischer Daten vor dem Zugriff ausländischer Behörden, insbesondere solcher in den USA. Dies ist - neben einer größeren Nähe zum lukrativen deutschen Markt - einer der Gründe, weshalb Anbieter von Public-Cloud-Services aus den USA begonnen haben, Rechenzentren in Deutschland zu errichten.

Microsoft: Zwischen Entwicklern und Anwendern

Auch Microsoft zählt zu den Public-Cloud-Anbietern, die angeblich ein Data Center in Deutschland eröffnen wollen, so wie dies in jüngster Zeit Oracle und Amazon Web Services getan haben. Allerdings gibt es noch keine Aussage dazu von dem Unternehmen. Die Public-Cloud-Computing-Strategie von Microsoft ruht derzeit im Wesentlichen auf zwei Säulen: Microsoft Azure, einer Plattform die ursprünglich als Basis für Platform-as-a-Service-Angebote auf Grundlage von .NET ausgelegt war, und Office 365. Nach Anlaufproblemen hat sich Azure in der Version 2.0 mittlerweile zu einem "Renner" entwickelt.

Eine wichtige Rolle wird künftig bei Microsoft das Thema "Mobility" spielen. Das spiegelt sich auch in der Cloud-Strategie wider. So bietet das Unternehmen mit Azure Mobile Services ein Bindeglied zwischen mobilen Systemen sowie Daten und Anwendungen in der Microsoft-Cloud.
Foto: Microsoft

Ebenso wie der große Konkurrent AWS verfügt Microsoft über ein nahezu lückenloses Angebot. Azure bietet mittlerweile ein "Vollsortiment" von Infrastructure-as-a-Service- und Platform-as-a-Service-Diensten (IaaS, PaaS). Es umfasst unterschiedliche Betriebssystemplattformen, inklusive Linux, Datenbanken aller führenden Anbieter (Oracle, MongoDB, SQL-Versionen) sowie SAP-Anwendungen.

Mit Bing zu Analytics

Hinzu kommen Directory-Services sowie seit dem Frühjahr 2014 ein Cloud-basiertes Identity-Management und Mobile Device Management (MDM) mit der "Enterprise Mobility Suite". Die Beratungsgesellschaft Crisp Research geht zudem davon aus, dass künftig die Suchmaschinen-Technik Bing eine zentrale Rolle im Cloud-Portfolio von Microsoft spielen wird. Sie könnte ähnlich wie IBMs Watson und Google als Teil von Cloud-basierten Collaboration- und Analytics-Anwendungen (Big Data) zum Zuge kommen. Crisp Research schätzt, dass Microsoft 2016 rund 18 Milliarden Dollar seines Umsatzes mit Cloud-Produkten erzielen wird, an die 80 Milliarden mit anderen Angeboten.

"Als führender Anbieter im Public-Cloud-IaaS-Markt kann sich Microsoft mit seiner Azure-Plattform zunehmend profilieren. Die IaaS-Services sind übersichtlich strukturiert, und das Azure-Portal bietet eine große Transparenz sowie ein gutes Handling für Planungs- und Bestellprozesse", sagt Frank Heuer, Senior Advisor bei der Experton Group, die unter anderem den Cloud Vendor Benchmark herausbringt.

Amazon Web Services kann jetzt Deutsch

Wenn es um pure Rechenpower und Storage-Kapazitäten geht, zählen die Amazon Web Services (AWS) gewissermaßen zu den Boliden der Cloud-Computing-Szene. Über das neue Rechenzentrum in Frankfurt am Main bietet AWS unter anderem Amazon Elastic Compute Cloud (EC2) und zugehörige Services an, darunter den Storage-Service Amazon Elastic Block Store (EBS), die Amazon Virtual Private Cloud sowie Auto Scaling und Elastic Load Balancing. Diese Services zielen auf Anwender ab, die ihre IT-Infrastruktur nach Bedarf um Rechen- und Speicherressourcen erweitern möchten. Alles, was dazu nötig ist, findet sich in der Amazon-Cloud, bis hin zu ergänzenden Produkten wie WAN-Optimierungssystemen.

Dass sich AWS nicht mit dem Lieferanten von IaaS-Services (Infrastructure as a Service) zufrieden geben will, belegen zwei neue Produkte. Seit Ende Oktober 2014 bietet AWA mit dem AWS Directory Service einen Cloud-gestützten Verzeichnisdienst (Directory Service) an. Es liegt auf der Hand, wem AWS damit Kunden abjagen möchte: Microsoft und dessen Pendant Active Directory Service (AD). Dieser hat sich zum De-facto-Standard entwickelt, was die Verwaltung von IT-User-Accounts, der damit verknüpften Rechte und Regelwerke sowie von Access Control Lists (ACL) betrifft. Auch Microsoft vermarktet AD als Cloud-Dienste über seine Azure-Cloud und konnte bislang alle Anläufe von Konkurrenten abwehren, vergleichbare Produkte auf dem Markt durchzusetzen.

AWS Zocalo: Dokumenten-Sharing in der Cloud

Ebenfalls ein Indiz dafür, dass AWS verstärkt auf Anwendungen aus der Cloud setzt, ist AWS Zocalo. Dies ist ein Zocalo ist ein zentral verwalteter Service für das Speichern und Weitergeben von Dokumenten in Unternehmen. Nutzer können von jedem Ort aus auf die Daten zugreifen, diese bearbeiten und sie für Kollegen freigeben.

Unter dem Namen Zocalo bietet Amazon einen Cloud-Dienst für das gemeinsame Bearbeiten, Speichern und Freigeben von Dokumenten in Unternehmen an. Daran wird deutlich, dass AWS verstärkt Business-Applikationen anbieten möchte.
Foto: AWS
Chad Fowler, 6Wunderkinder
Foto: Fowler

Zu den Anwendern in Deutschland, die Cloud-Dienste von AWS nutzen, zählt die Berliner Software-Firma 6Wunderkinder. Sie hat sich auf plattformübergreifende Tools für die Aufgabenverwaltung spezialisiert. Das Unternehmen nutzt unter anderem die Datenbank Amazon DynamoDB. "Dank der hohen Skalierbarkeit der Datenbank können wir nun Daten erfassen und verarbeiten, die wir auf andere Weise nicht nutzen könnten", sagt Chad Fowler, Chief Technology Officer von 6Wunderkinder.

Ein weiterer Vorteil der Cloud-Lösung ist nach seiner Einschätzung, dass die firmeninterne PostgreSQL entlastet wird. "Wir verlagern einen Großteil der Daten auf unserem primären Datenspeicher in die Amazon DynamoDB. So kann unsere Postgre-Datenbank ihre eigentlichen Aufgaben erfüllen." Speziell für Startup-Firmen wie 6Wunderkinder bieten Cloud-Dienste somit Vorteile: Sie können auf IT-Ressourcen zurückgreifen, für die sie in einem eigenen Rechenzentrum viel Geld hinlegen müssen. Und das ist bekanntlich bei jungen Unternehmen knapp.

Dennoch ist auch bei AWS nicht alles Gold, was glänzt. René Büst, Experte bei der Beratungsfirma Crisp Research, moniert beispielsweise, dass eine "Stärkung des AWS Marketplace für die einfachere Nutzung von skalierbaren Standard-Workloads erforderlich" sei. Zudem müsse AWS ein Partnernetzwerk aufbauen und für deutsche ISVs (Independent Software Vendors) deutlich attraktiver werden.

Salesforce.com: In Europa angekommen

Oft fällt der Name Salesforce.com ein wenig unter Tisch, wenn es um Cloud-Service-Provider geht. Dabei zählt das Unternehmen aus den USA mit seinen CRM-Lösungen (Customer Relationship Management) zu den Pionieren in diesem Bereich. Mittlerweile bietet Salesforce.com eine breite Palette von Cloud-gestützten Public-Cloud-Services an. Dazu zählen die Vertriebsplattform Sales Cloud sowie die Salesforce1 Platform, mit der Unternehmen Anwendungen und Services entwickeln und bereitstellen können. Mit der Service Cloud auf Grundlage von Salesforce1 haben Unternehmen beispielsweise die Möglichkeit, Kundenanfragen zu bearbeiten.

Doch auch Salesforce.com muss sich nach der Decke strecken. Denn Amazon und vor allem Microsoft gehen in dieselbe Richtung, Stichwort Applikationen und App Stores via Cloud. Salesforce.com konterte wiederum mit Superpod, einer Private Cloud Infrastructure auf Basis der Converged-Infrastructure-Systeme von HP. Damit will Salesforce Unternehmen ansprechen, welche die Kontrolle über die IT-Systeme behalten wollen, über die sie Cloud-Dienste beziehen. Dazu zählen Firmen aus der Finanzbranche und dem Gesundheitsbereich.

CRM - ja, aber auch andere Cloud-Services

Zu den Problemen, mit denen sich Salesforce konfrontiert sieht, zählt paradoxerweise sein Erfolg im CRM-Bereich: Das Unternehmen wird von vielen potenziellen Kunden schwerpunktmäßig damit in Verbindung gebracht, weniger mit einem umfassenden Cloud-Angebot. Daher geht Salesforce nun in die Offensive, sprich rückt näher zum Kunden. Im Oktober eröffnete das Unternehmen in Großbritannien sein erstes Rechenzentrum in Europa. In Frankreich kooperiert Salesforce mit dem Rechenzentrumsbetreiber Interxion.

Die Fünf Größten Anbieter von CRM-Software im Vergleich 2011-2013
Umsatz Deutschland
Marktanteil Deutschland
Umsatz EMEA
Marktanteil EMEA

Für 2015 steht die Eröffnung eines Data Centers in Deutschland an. Damit will Salesforce Unternehmen den Schritt erleichtern, ihre Geschäftsdaten einem US-Cloud-Service-Provider anzuvertrauen. Dieses "vertrauensbildenden Maßnahmen" sind umso wichtiger, als Salesforce verstärkt Cloud-Services anbieten möchte, die (Bestands-)Kunden einen Mehrwert bieten. Dazu zählt beispielsweise Wave Analytics für die Analyse und Visualisierung von Geschäftsdaten.

Google: Noch zu weit weg vom Markt?

Eigentlich ist Google bei Public-Cloud-Services für den Bereich Infrastructure as a Service (IaaS) gut aufgestellt. Das Unternehmen verfügt über leistungsfähige Rechenzentren in aller Welt mit einer hervorragenden Netzwerkanbindung. Zudem hat Google, ähnlich wie Microsoft, einschlägige Erfahrungen mit Cloud-Diensten für private und Business-Kunden, siehe Google Docs, sowie Infrastruktur- und PaaS-Services auf Basis seiner Google Cloud Platform. Compute Engine ist der IaaS-Service des Unternehmens, der Virtual Machines nach Bedarf bereitstellt.

Die App Engine zielt auf Entwickler von Anwendungen. Hinzu kommen Cloud-Dienste für das Speichern von Daten, der Cloud Datastore (eine NoSQL-Datenbank) sowie die SQL-Datenbank-Lösung Cloud SQL auf Grundlage der Open-Source-Software MySQL. Frank Heuer von der Experton Group kritisiert jedoch die "mangelnde Nähe zu deutschen Unternehmensanwendern". Der fehlende Bekanntheitsgrad der Cloud-Lösungen von Google bleibe weiter hinter dem der Pendants von AWS und Microsoft zurück.

Somit leidet Google offenbar derzeit unter einem Problem, mit dem sich etliche Hightech-Unternehmen konfrontiert sehen: Sie haben gute Produkte, aber keiner weiß es. Dies mag im Fall von Google damit zusammenhängen, dass Cloud Computing - noch - nicht zum Kerngeschäft gehört. Derzeit sieht sich das Unternehmen zudem mit dem wachsenden Druck durch Facebook konfrontiert, muss also seine Ressourcen dazu nutzen, seine Position im Online-Anzeigengeschäft zu verteidigen.

HP: Infrastruktur im Fokus

Helion heißt das Zauberwort bei HP. Im Mai 2014 stellte das Unternehmen unter diesem Namen sein neu geordnetes Cloud-Portfolio vor. Helion besteht aus den Professional Services und der Helion Managed Virtual Private Cloud. Zudem hat der Hersteller bekannte Produktlinien wie HP CloudSystems und Cloud Service Automation mit dem Helion-Etikett versehen. Die Infrastructure-as-a-Service-Ebene wird von Helion OpenStack bereitgestellt. Seine starke Position im OpenStack-Bereich baute HP Ende September 2014 durch die Übernahme des Open-Source-Anbieters Eucalyptus aus. Für HP bringt die Übernahme, die Gerüchten zufolge "unter 100 Millionen Dollar" kostete, einen weiteren Vorteil: Eucalyptus konzentrierte sich in der Vergangenheit auf den Aufbau von Private-Cloud-Umgebungen, die mit Amazons Cloud-Diensten interoperabel sind.

Alles aus einer Hand - diesen Ansatz verfolgt HP mit seinem Helion-Produktportfolio im Bereich Cloud Computing. Von der Hardware-Plattform bis hin zum Cloud-Management sollen Anwender alle Komponenten bei HP ordern können.
Foto: HP

Damit eröffnet HP Anwendern die Möglichkeit, private Cloud-Umgebungen einzurichten, in denen sie unternehmenskritische Daten speichern und bearbeiten können. Gleichzeitig haben sie die Option, bei Bedarf auf preisgünstige und skalierbare Cloud-Dienste zurückzugreifen, die Public-Cloud-Service-Provider wie Amazon bereitstellen.

Mit seinem Bekenntnis zu einer Open-Source-Lösung für die "Orchestrierung" von Clouds hebt sich HP von Anbietern wie Microsoft oder VMware ab, die auf herstellerspezifische Ansätze setzen. Allerdings kann sich gerade Microsoft dank der starken Marktstellung von Azure eine solche Politik auch durchaus leisten.

Studie: OpenStack auf dem Vormarsch

Laut einer Studie von Crisp Research zum Thema OpenStack ist die Technik in 19 Prozent der Unternehmen im Einsatz. Weiter 56 Prozent planen dies. Unter den Distributionen bevorzugen 42 Prozent der Befragten HPs Helion OpenStack. Auf Platz zwei folgt die Lösung von Red Hat (14 Prozent). Die Marktforscher gehen zudem davon aus, dass sich IaaS-Cloud-Dienste auf Grundlage von OpenStack in kommenden Jahren durchsetzen werden. Dies würde HPs Strategie bestätigen und die Chancen des Unternehmens verbessern, sich auch bei Infrastructure-as-a-Service-Angeboten zu etablieren, die über Public Clouds angeboten werden.

T-Systems: Zugpferd bei IaaS

Deutsche Anbieter von Public-Cloud-Services im Bereich Infrastructure as a Service sind im "Leader's"-Quadrant des Cloud Vendor Benchmark der Experton Group rar gesät. Am besten präsentiert sich T-Systems, noch vor Host Europe und deutlich vor der eigenen Konzernmutter Telekom.

Die führenden Anbieter von IaaS-Diensten in Deutschland laut der Experton Group: Mit T-Systems und Host Europe sind auch deutsche Anbieter unter den führenden Providern vertreten.
Foto: Experton Group

T-Systems steckt allerdings mitten im Umbau. Rund 4.900 der 29.000 Stellen in Deutschland sollen wegfallen. Der Auftragsschwund soll durch neue Geschäftsaktivitäten wie Cloud-Services kompensiert werden. Doch eine schlichte Kopie der Angebotspalette von AWS, Microsoft und Co. wäre verfehlt. Im Cloud-Computing-Bereich kann T-Systems vielmehr folgende Vorteileins Feld führen:

Wohin die Reise für T-Systems geht, machen Kooperationen deutlich, etwa mit Salesforce.com. T-Systems tritt in solchen Fällen als "Cloud-Broker" auf, vermittelt also passende Cloud-Services an seine Kunden. Zudem stellt das Unternehmen Cloud-Dienste von Partnern über seine eigenen Rechenzentren bereit. Dieses Modell zielt auf Anwender ab, die aus Datenschutzgründen keine Cloud-Dienste von ausländischen Providern nutzen wollen oder dürfen.

Das Cloud-Wölkchen ist mittlerweile bei einer respektablen Zahl der Produkte von T-Systems zu finden. Das Unternehmen setzt im Bereich Cloud-Services auch auf Partnerschaften mit CSPs wie Salesforce.com und Microsoft.
Foto: T-Systems

Es ist davon auszugehen, dass sich T-Systems zu einem "Full-Cloud-Service-Provider" entwickelt, mit Dienstleistungen wie Managed Services, Hilfestellung beim Aufbau und Betrieb von Private und Hybrid Clouds sowie der Option für Anwender, Public-Cloud-Dienste zu buchen.

Die Cloud und der Datenschutz

Dass Cloud-Service-Provider aus den USA verstärkt Rechenzentren in EU-Ländern und in Deutschland aufbauen, hat nur bedingt mit der größeren Nähe zum Kunden zu tun. Damit und mit freiwilligen Selbstverpflichtungserklärungen - siehe Microsoft - wollen sie Bedenken von Cloud-Nutzern ausräumen. Dass gerade Themen wie die Kontrolle über die eigenen Daten, der Standort des Rechenzentrums eines CSP und dessen Firmensitz eine Rolle bei der Auswahl des Anbieters spielen, belegen zahlreiche Studien.

Eine Untersuchung von Bitkom Research und KPMG ergab beispielsweise, dass 75 Prozent der deutschen Unternehmen, die Cloud-Dienste einsetzen oder dies tun wollen, von ihrem Provider erwarten, dass er die Services ausschließlich über Datacenter im EU-Raum bereitstellt. Und 73 Prozent verlangen, dass der CSP seinen Hauptsitz im Rechtsgebiet der EU hat. Cloud-Service-Provider aus Deutschland oder EU-Staaten stellen den auch diesen Punkt gerne heraus und werben damit, dass sie alle EU- und deutschen Datenschutzvorschriften penibel einhalten und deutschem beziehungsweise EU-Recht unterliegen.

Das heißt nicht, dass Amazon, Microsoft, Google, Oracle oder Salesforce.com per se solche gesetzlichen Regelungen unterlaufen, nur weil sie US-Firmen sind. Tatsache ist aber, dass sie als Unternehmen mit Hauptsitz in den USA amerikanischem Recht unterliegen. Und das bedeutet wiederum, dass sie gemäß Regelungen wie dem Patriot Act verpflichtet sind, auf Anfrage von US-Behörden Daten von Kunden herauszugeben, egal, in welchem Rechenzentrum diese lagern. Daran ändern auch Data Center in Dublin, Frankfurt am Main oder München nichts.

Microsoft: Kampf gegen übergriffige Gerichte

Ein Beispiel für die rigorose Sichtweise amerikanischer Behörden: Im Sommer 2014 verurteilte ein Gericht in New York Microsoft dazu, E-Mails eines Kunden herauszugeben, die im Microsoft-Rechenzentrum in Dublin lagerten. Gegen diese "Cloud-Hausdurchsuchung" hat Microsoft Rechtsmittel eingelegt. Unterstützung erhält das Unternehmen dabei von anderen IT-Firmen, etwa Google, Apple, AT&T, Cisco und Verizon. Sie alle fürchten, dass ein derartiges Durchgriffsrecht amerikanischer Behörden Anwender im Ausland abschreckt.

Microsoft möchte keine E-Mails von Kunden an die US-Behörden herausgeben, die in seinem Data Center im irischen Dublin gespeichert sind.
Foto: Microsoft

Und das zu Recht, denn mittlerweile kristallisiert sich speziell in Deutschland heraus, dass Unternehmen, aber auch öffentliche Einrichtungen, auf CSPs mit Sitz in Deutschland oder zumindest der EU zurückgreifen beziehungsweise dies tun müssen. Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass sich derzeit in vielen Unternehmen eine Arbeitsteilung herauskristallisiert: Unternehmenskritische Daten werden im eigenen Rechenzentrum oder einer Private Cloud gespeichert und bearbeitet, weniger kritische Services, etwa Office oder Storage-Kapazitäten für - verschlüsselte - Archivdaten ordert ein Anwender bei einem Service-Provider.

Allerdings gilt es bei der Debatte über die Sicherheit von Geschäftsdaten bei einem (ausländischen) Cloud-Anbieter folgenden Punkt zu bedenken: Die meisten Rechenzentren von Unternehmen, speziell von Mittelständlern, weisen meist nicht dieselben hohen IT-Security-Standards auf wie Cloud-Rechenzentren. Dass Unternehmensdaten durch illoyale oder fahrlässige eigene Mitarbeiter oder eine Attacke von Cyber-Kriminellen auf das Firmenrechenzentrum abhanden kommen, ist somit wahrscheinlicher als "Data Breaches" bei einem Cloud-Service-Provider.

Interview Pironet NDH: "Partner auf Augehöhe"

Für Cloud-Services "Made in Germany" macht sich Pironet NDH stark. Die Tochtergesellschaft des Systemhauses Cancom sieht speziell für mittelständische Cloud-Service-Provider gute Chancen auf dem deutschen Markt. Für solche Unternehmen sprechen laut Khaled Chaar, Managing Director Business Strategy bei Pironet NDH, Gründe wie der Standort Deutschland und maßgeschneiderte Angebote für Kunden aus dem Mittelstand. Wir haben mit ihm über den Markt und den Wettbewerb mit den "Großen" der Zunft gesprochen.

Chaled Chaar sieht Pironet NDH mit guten Chancen auf dem deutschen Cloud-Markt.
Foto: Pironet NDH

CW: Herr Chaar, warum entscheiden sich viele Unternehmen für die Cloud-Angebote großer Provider?

CHALED CHAAR: Weil solche Unternehmen über hoch standardisierte Cloud-Plattformen, jahrelange Erfahrung mit dem Betrieb entsprechender Rechenzentren und über ein umfangreiches Know-how verfügen. Deshalb entscheiden sich viele Unternehmen beim Schritt in die IT-Wolke für einen der großen Anbieter. Doch nicht alles spricht für die überwiegend in den USA beheimateten Provider.

CW: Welche Faktoren sprechen dagegen?

CHAAR: Was Mittelständlern, zu Recht, Bauchschmerzen bereitet, ist das Thema Datenschutz. Denn außerhalb des europäischen Wirtschaftsraumes legen die Gesetzgeber häufig weniger Wert auf den Schutz sensibler Daten als hierzulande. Bestes Beispiel sind die USA: Unter Berufung auf das 'Patriot Act' dürfen amerikanische Geheimdienste und Ermittlungsbehörden im Verdachtsfall auf Server und Daten von Unternehmen zugreifen - auch ohne richterliche Verfügung.

CW: Allerdings argumentieren US-Service-Provider, dass sie Rechenzentren in der EU oder in Deutschland betreiben und damit dem hier geltenden Datenschutzrecht unterliegen...

CHAAR: Auch wenn ein solcher Cloud-Anbieter Rechenzentren hierzulande betreibt, sein Hauptsitz aber in den USA ist, gelten die angesprochenen US-Gesetze. Innerhalb der Europäischen Union sind die Gesetze zum Datenschutz zwar deutlich strenger, aber wer sicher gehen will, dass seine Daten nach deutschem Recht gespeichert und verwaltet werden, sollte sich einem Anbieter anvertrauen, dessen Hauptsitz und dessen Rechenzentren sich in Deutschland befinden.

CW: Haben mittelständische Cloud-Service-Provider wie Pironet NDH überhaupt eine Chance gegen Großanbieter wie Microsoft, Amazon oder Google?

CHAAR: Mittelständische Anbieter haben gute Chancen, vor allem dann, wenn sie mit ihren Produkten mittelständische Unternehmen adressieren. Denn große Provider tun sich häufig schwer, die für den Mittelstand typischen IT-Strukturen in der Cloud abzubilden. Oft sind die IT-Landschaften solche Firmen über Jahre gewachsen und entsprechend heterogen. Der Transfer in die Cloud ist damit ein komplexes Unterfangen. Hier können mittelständische Cloud-Provider punkten: Sie kennen die Anforderungen ihrer Kunden aus eigener Erfahrung und ermöglichen daher eine enge Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

CW: Heißt das, ein Mittelständler muss auf die zweifellos preislich attraktiven Angebote von 'großen' Providern verzichten, wenn er sich an einen kleineren Cloud-Service-Provider bindet?

CHAAR: Nein, natürlich nicht. Auch wenn Unternehmen sich für einen mittelständischen Cloud-Anbieter entscheiden, müssen sie nicht zwangsläufig auf die hochstandardisierten Lösungen der großen Provider verzichten. So gibt es beispielsweise die Möglichkeit, Clouds miteinander zu kombinieren. Die Unternehmen speichern dann weniger sensible Daten in einer Standard-Public-Cloud, während sie schützenswerte Informationen in eine private IT-Wolke geben.

CW: Wie können sich kleinere Cloud-Service-Provider noch von den Angeboten großer Anbieter abheben, etwa durch einen besseren Service?

CHAAR: Eine Option ist, dass kleinere Provider Leistungen anbieten, die über die reinen Cloud-Dienste hinausgehen. Dazu gehören unter anderem Managed Services und diverse betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen. Und, Sie haben Recht, auch die individuelle Betreuung ist ein Faktor, den gerade Mittelständler schätzen. (sh)