Im Sommer 2011 übernahm Roman Rudolf das Ruder von Avnet in Deutschland. Der Manager war zuletzt mehrere Jahre in der US-amerikanischen Zentrale für weltweite Fusionen und Übernahmen verantwortlich. Welche Schwerpunkte er in seiner neuen Funktion setzt, erläutert Rudolf im Interview mit ChannelPartner.
Im klassischen Infrastruktur-Geschäft wird die Distribution für Hersteller wichtiger, wie jüngst HP und IBM deutlich machten. Doch bei den Cloud-Modellen schwankt derzeit die Rolle der Distribution zwischen der einer bloßer Ausbildungs-Stätte und der eines Cloud Aggregators. Wie positioniert sich Avnet?
Roman Rudolf: Der Distribution wird auch im Cloud-Computing-Zeitalter eine zentrale Rolle zukommen. Denn zum einen werden Endkunden ihre Kernprozesse oder ihre geschäftskritischen Anwendungen nicht in eine Public Cloud auslagern. Und zum anderen werden sie kaum alle Lösungskomponenten von einem einzigen Hersteller beziehen. Deshalb brauchen Reseller auch in Zukunft einen Partner, der sie herstellerübergreifend bei der Konzeption und Bereitstellung aller IT-Infrastrukturkomponenten für die private Cloud ebenso unterstützt wie bei der Bereitstellung von Software as Service oder Managed-Service-Angeboten. Wir setzen unseren Fokus momentan darauf, Partner durch Ausbildung für die Cloud-Thematik fit zu machen. Denn hier besteht aktuell ein riesiger Bedarf.
Sie waren bei Avnet viele Jahre für Fusionen und Akquisition verantwortlich. Inwiefern planen Sie auch in ihrer aktuellen Funktion als Deutschland-Chef Übernahmen?
Rudolf: Wir werden als Value Added Distributor wachsen, organisch mit bestehenden und ausgewählten neuen Herstellern, die unser Portfolio weiter abrunden, schließen aber Akquisitionen im Distributionsumfeld nicht aus. Auch der deutsche Markt bietet noch das Potenzial für weitere Konsolidierungen, und Avnet wird dabei eine aktive Rolle spielen.
Also Actebis übernimmt seit einiger Zeit auch Systemhäuser und Service-Anbieter. Inwiefern plant Avnet ähnliche Schritte?
Avnets Cloud-Strategie
Nach Ansicht des Avnet-Deutschlandchefs Roman Rudolf wird Cloud Computing überwiegend bei Startups und bei Großkonzernen zum Einsatz kommen, bei Mittelstandskunden dagegen nur punktuell.
"Das Kernthema der Cloud ist die Standardisierung von Prozessen", begründet er seine These. "Die meisten mittelständischen Unternehmen sind aber doch gerade deshalb erfolgreich, weil sich ihre Prozesse, die ihre Kernkompetenzen abbilden, von denen ihrer Wettbewerber unterscheiden. Cloud Computing, auf breiter Ebene eingesetzt, bedingt aber gerade die Standardisierung von Prozessen."
Ein weiteres Hindernis für die flächendeckende Verbreitung der Cloud ist Rudolf zufolge die Bandbreite: "SMB-Kunden müssen in ihre Netzwerkinfrastruktur investieren, um die nötige Performance sicherzustellen." Hinzu komme die Komplexität bei der Abrechnung: Zum Endkunden hin ist ein einheitliches, transparentes Abrechnungsmodell erforderlich, während im Backend die unterschiedlichsten Lizenzmodelle der einzelnen Hersteller abzubilden sind.
Großes Potenzial bei Cloud-Projekten sieht der Manager vor allem bei Startup-Kunden, vor allem für jene ISVs, die Branchenlösungen entwickeln und diese per SaaS zur Verfügung stellen können.
Auch bei Enterprise-Unternehmen könnten Partner mit Cloud-Angeboten punkten: "Sie haben einfach die Größe, um es für Cloud-Anbieter lohnenswert zu machen, einen eigenen, neuen Standard für einen Kunden aufzusetzen", so Rudolfs Fazit.
Rudolf: Diesen Weg werden wir auf keinen Fall einschlagen. Denn an irgendeiner Stelle gibt es immer Überschneidungen und somit die Situation, mit Partnern im direkten Wettbewerb zu stehen. Das kommt für uns nicht in Frage.
Welche Themen stehen bei Avnet 2012 ganz oben auf der Agenda?
Rudolf: Wir betrachten Services und Software ganz klar als die Themen, die ein immenses Wachstumspotenzial bergen. Darauf wird unser Schwerpunkt liegen. Und wir werden sicherlich unser Portfolio ausbauen, indem wir neue Herstellerverträge zeichnen, zum anderen, indem viele Hersteller, die wir bereits im Portfolio führen, ihr Sortiment durch Akquisitionen erweitern. Allein IBM hat in jüngster Vergangenheit knapp 20 Anbieter übernommen. Für Reseller bedeutet es eine enorme Herausforderung, mit diesem Tempo Schritt zu halten. Denn für all diese neuen Technologien müssen sie Mitarbeiter ausbilden, die Produkte wollen positioniert sein et cetera. Es ist unsere Aufgabe als VAD, sie im Bereich Technik, Vertrieb und Marketing auszubilden, ihnen die Marktmöglichkeiten aufzuzeigen, die mit der Portfolio-Erweiterung verbunden sind, und sie so zu unterstützen, dass sie diese Chancen auch in Geschäft ummünzen können.
Wie sieht diese Unterstützung konkret aus?
Rudolf: Wir haben in Ergänzung zu bestehenden Ausbildungsprogramm das Service-Modell "Solutions-Path" entwickelt. Es umfasst aktuell die partnerspezifische Development- und Schulungsprogramme Get Blue - Teile des Avnet StoragePath - und Avnet CloudReady, die auf IBM-Produkten basieren. Wir planen, Avnet StoragePath auch für andere Hersteller aufzusetzen.
Darüber hinaus haben wir ein mobiles Demo-Center für HP-basierte Cloud-Lösungen eingerichtet, das HP Cloud Center of Excellence.
Das sind Modelle, die von Herstellern auch zunehmend honoriert werden. So wurde Avnet dieses Jahr erneut von IBM in der Kategorie "Value Add Distribution" mit dem BestSeller Award geehrt. IBM zeichnete uns für die gute Partnerentwicklung, die Weiterbildungs- und Trainings-Erfolge und für die erfolgreiche Gewinnung neuer Partner aus. Dafür stehen wir als VAD. Dieser Preis ist eine erneute Bestätigung für unsere Fokussierung auf das Mittelstandsgeschäft sowie unsere zahlreichen Ausbildungs- und Serviceangebote im Bereich Partnerentwicklung.
Avnet SolutionPath
Das dreistufige Programm soll Partner für den Lösungsverkauf in unterschiedlichen Themen und Branchen fit machen. Es baut auf folgenden Bausteinen auf:
1. Aufzeigen neuer Märkte
In individuellen Gesprächen, loten Partner und Distributor aus, bei welchen Endkunden der Partner das jeweilige Thema platzieren kann, wie hoch das Potenzial für ihn insgesamt ist und unter welchen Aspekten und mit welchen Argumenten er es adressieren kann.
2. Ausbilden
Der zweite Baustein umfasst Grundlagen-Trainings für Technik, Vertrieb und Marketing und mündet in so genannten Musterleitfäden ("Playbooks") für bestimmte Anwendungs- und Einsatzszenarien. Am Ende dieser Schulungen soll der Partner imstande sein, dem Endkunden anhand einer Whiteboard-Skizze genau darzustellen, wo, wie und weshalb der Kunde in seinem konkreten Geschäftsprozess vom Einsatz der Technologie profitieren kann. Unterstützend kommen die "Flight-Cases" - mobile Demo-Labore - zum Einsatz, mit denen sich die Szenarien vor Ort bei Kunden oder remote zu Testzwecken demonstrieren lassen. Abschließend legen die Teilnehmer ihre von Avnet gesponserten Zertifizierungen im Prometric Testcenter des VADs ab.
3. Anwenden
Hier lernen Partner anhand konkreter Szenarien (entlang der Playbooks oder anhand selbst entworfener Kundensituationen), das Gelernte in Projekten umzusetzen. Unterstützt werden sie dabei von Avnets Service-Technikern und Consultants. So wurde beispielsweise der Vertriebsmitarbeiter eines Business Partners vor Ort bei seiner Telefon-Akquise zu einem der SolutionsPath-Themen beraten und ganztägig im Tagesgeschäft geschult.
Auf Basis des SolutionsPath Konzeptes hat Avnet spezielle IBM-Programme im Bereich Storage (unter dem Namen "Get Blue") und Cloud Computing sehr erfolgreich umgesetzt.
Avnet plant hierzulande, beide Modelle in absehbarer Zeit auch auf andere Herstellerpartner auszuweiten.
Werden Sie Avnet SolutionsPaths auch für weitere Themen anbieten?
Rudolf: In den USA stehen den Partnern bereits weitere SolutionsPath -Programme für Virtualisierung, Mobility, Networking und Security zur Verfügung, ebenso wie für die Branchen Healthcare, Government, Financial, Energy und Retail. Eine Ausweitung, auch auf spezielle Branchen, ist hierzulande durchaus denkbar. Eine weitere Möglichkeit wäre, das bestehende Konzept um ergänzende Lösungen, zum Beispiel aus dem Networking- und Security-Bereich zu erweitern. Im ersten Schritt werden wir uns jedoch ganz klar auf Storage- und Cloud-Themen konzentrieren.
(rb)
Bilanz Q2/2012: Weniger Umsatz, mehr Ertrag
.Im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2012 setzte Avnet weltweit 6,69 Milliarden US-Dollar (rund 5,25 Milliarden Euro), das sind 1,1 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
Der Geschäftsbereich Avnet Technology Solutions (ATS), der weltweit mit 3,1 Milliarden US-Dollar den Löwenanteil zum Umsatz beisteuert, verbuchte in der EMEA-Region zwar einen Umsatzrückgang um knapp 5 Prozent auf 1,01 Milliarden US-Dollar. Doch beim Betriebsergebnis machten sich bei ATS in der EMEA-Region die Konzentration auf profitables Wachstum sowie Restrukturierungsmaßnahmen bezahlt: Der Ertrag stieg um 30 Prozent, die Betriebsgewinnmarge um 92 Basispunkte. Zudem verbesserte ATS EMEA auch die Bruttogewinnmarge um 80 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal. Vor allem das Geschäft mit Servern und Software zog im Vergleich zum Vorjahresquartal um mehr als 35 Prozent an. Im Storage-Bereich erhöhte sich der Umsatz um mehr als 20 Prozent.