Cool im Auftritt, hart im Nehmen

Warum Verkäufer nicht rücksichtslos sein dürfen

22.09.2017 von Helmut König
Vertriebler müssen cool und hart sein, so glaubt man. Aber gute Verkäufer und Sozialpädagogen haben mehr miteinander gemein, als sie glauben.
Verkäufer müssen erst eine Beziehung und Vertrauen zum Kunden aufbauen, erst dann geht es weiter.
Foto: Antonio Guillem - Shutterstock.com

Verkäufer müssen cool sein, hart im Nehmen und hart im Geben, dann haben sie Erfolg. So ist die gängige Meinung. In Vorträgen und Trainings hört man immer wieder die Erfolgsstorys von Verkäufern, die es mit einer großen Portion Rücksichtslosigkeit oder Frechheit weit gebracht haben. Sie werden dabei, so glaubt man, vom Wettbewerb gefürchtet und von ihren Kunden geliebt. Aber, lieben wir rücksichtlose Geschäftspartner? Oder sind diese Verkäufer eher Wölfe im Schafspelz, die beim Kunden die sprichwörtliche Kreide gefressen haben und sonst in ihrem Umfeld knallhart sind?

Verkäufer versus Sozialpädagoge

Gute Verkäufer und Sozialpädagogen haben mehr miteinander gemein als sie glauben; auch wenn sie es sehr wahrscheinlich nicht zugeben würden. Sie müssen sich auf andere Menschen einstellen, sie müssen Menschen helfen und sie müssen sich auf Beziehungen einlassen können. Erst, wenn eine Beziehung und Vertrauen entstanden ist, geht es weiter. Beim Sozialpädagogen kann dann Hilfestellung in einer sozialen Situation gegeben werden, beim Verkäufer kommt ein Geschäft zustande. Beides entwickelt sich nur weiter, wenn der jeweilige "Kunde" mit dem Ergebnis zufrieden ist. Beide profitieren von ihrer Tätigkeit durch den Lohn, den sie in Form von Gehalt oder Provision bekommen.

"Das ist zu teuer!" - 18 Antworten auf diesen Kundeneinwand
"Zu teuer? Im Vergleich zu was genau?"
"Teuer" ist ein relativer Begriff. Wenn Sie herausfinden, mit welcher Alternativlösung Sie Ihr Interessent vergleicht, können Sie in der Folge präzise den Mehrwert Ihrer Lösung, Ihres Produktes oder Ihrer Dienstleistung darstellen.
"Wirklich? Wie kommen Sie zu dem Schluss?"
Diese Antwort führt dazu, dass Ihr Interessent seine Sicht begründet. Somit verstehen Sie die spezifischen Bedenken und Vorbehalte und können diese aufgreifen und entsprechend entkräften.
"Ich verstehe, Sie wissen: die besten Produkte/Lösungen benötigen in der Regel etwas mehr Budget."
Geoffrey James, Vertriebsexperte aus den USA, hat einmal gesagt, dass der Einwand "Preis" erst dann ernst zu nehmen ist, wenn der Interessent diesen Aspekt mindestens zwei Mal auf den Tisch bringt. Bedeutet, dass Sie mit dieser Aussage diejenigen Interessenten identifizieren, die entweder tatsächlich nicht genügend Budget haben oder aber diejenigen, die einfach mit dem Budget "spielen" möchten. Oftmals geht es danach ja eh in die Verhandlungsrunden mit dem Einkauf.
"Was bedeutet es für Sie, wenn Sie das Projekt nicht umsetzen - was ist die Konsequenz daraus?"
Einer meiner persönlichen Favoriten, denn durch diese Gegenfrage bringen Sie Ihren Gesprächspartner dazu, zu reflektieren, was passiert, wenn er Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung nicht in Anspruch nimmt.
"Ist es eine Frage des Budgets oder des Cash Flow?"
Durch diese Frage finden Sie heraus, ob es dem Interessenten um einen Nachlass auf Grund mangelnder Budgets oder um eine Verlängerung des Zahlungsziels geht. Sobald Sie dies wissen, können Sie entsprechend gezielt in die weiteren Verhandlungen treten.
"Losgelöst von der Budgetfrage: Hilft Ihnen unser Produkt/unsere Dienstleistung, Ihre Herausforderung zu lösen?"
Eine direkte Gegenfrage, die konsequent und ohne Umschweife auf den Wert Ihres Produktes beziehungsweise Ihrer Dienstleistung abstellt. Dadurch stellen Sie die Werthaltigkeit wieder in den Fokus.
"Was genau ist zu teuer?"
Diese Gegenfrage führt dazu, dass Ihr Interessent erläutert, welche Teile des Angebotes ihm zu teuer erscheinen. Aussagen wie "Nun, das ist eine Menge Geld für etwas telefonieren" verdeutlicht mir beispielsweise sofort, dass der Interessent den Wert einer professionellen Kaltakquise für sich noch nicht erkannt hat und wahrscheinlich davon ausgeht, dass es sich um eine klassische Call Center Telefonie handelt.
"Zu Teuer? Das stimmt mich jetzt nachdenklich"
Nachdenklich - mit dieser Formulierung stellen Sie wieder auf die Wertigkeit Ihres Produktes/Ihrer Dienstleistung ab. Sie bringen zum Ausdruck, dass es für Sie gar nicht wirklich nachvollziehbar ist, dass ein Interessent den Wert nicht erkennt.
"Ist die Investition der einzige Aspekt, der Sie von einer Beauftragung abhält?"
Mit dieser Frage finden Sie heraus, ob es noch anderweitige Einwände gibt oder ob es tatsächlich "nur" um das Budget geht.
"Gut, ich verstehe. Auf welche Produktfeatures/Leistungsbestandteile können Sie am ehesten verzichten?"
Damit sagen Sie dem Interessenten, dass die Investitionshöhe unmittelbar mit der Werthaltigkeit Ihres Produktes/Ihrer Dienstleistung verbunden ist. Wenn der Kunde weniger zahlen möchte, dann sollte er sich darüber im klaren sein, dass er nicht die volle Gegenleistung erwarten darf.
"Ist es so, dass der Preis Sie davon abhält in das Produkt/die Dienstleistung zu investieren, die Ihnen wirklich weiterhilft?"
Hier gehen Sie latent auf das Thema "Geiz ist geil"/Billigkäufe ein, ohne es auszusprechen. Aber Sie sensibilieren Ihren Ansprechpartner nochmals zu diesem Thema. Darüber hinaus finden Sie mit dieser Frage heraus, ob Ihr Produkt/Ihre Dienstleistung wirklich die beste Lösung für die Aufgabenstellung des Kunden ist.
"Bedeutet dies, dass wir niemals die Möglichkeit zur Zusammenarbeit finden?"
Colleen Francis von Engage Selling Solutions aus USA sagt, dass das Wort "niemals" ein maßgeblicher Trigger ist. "Niemals" ist ein sehr mächtiges Wort und die meisten Menschen mögen das Wort auch nicht. Daher werden viele der Interessenten mit "Naja, nein, niemals würde ich nicht sagen…" antworten. Und schon liegt der Ball wieder beim Vertrieb, da er nun in die konkreten Verhandlungen einsteigen kann oder aber das Gespräch und die Verhandlung tatsächlich komplett beenden kann.
"Welchen Return on Investment wünschen Sie sich genau?"
Diese Gegenfrage lenkt die Gedanken des Interessenten weg von "teuer" und "billig" hin zu dem langfristigen Wert, den Ihr Produkt/Ihre Dienstleistung mit sich bringt.
"Verstehe ich richtig, dass unsere Preise im Vergleich zum Mitbewerb höher sind?"
Wenn Ihre Preise höher sind als die des Mitbewerbs, so dienst diese Gegenfrage dazu, direkt auf die Differenzierung zum Mitbewerb einzugehen.
"Haben Sie in der Vergangenheit schon einmal in ein ähnliches Produkt/eine ähnliche Dienstleistung investiert?"
Oft haben Interessenten tatsächlich eine unrealistische Preisvorstellung, was ein gutes Produkt oder eine professionelle Dienstleistung kosten darf. Ein Grund hierfür kann sein, dass der Interessent noch niemals ein vergleichbares Produkt oder Dienstleistung bezogen hat. Mit dieser Gegenfrage haben Sie die Chance derartige "Missverständnisse" auszuräumen.
"Wann haben Sie das letzte Mal etwas nur wegen des Preises gekauft?"
Auch hier geht es, ähnlich wie bei Punkt 11, um das "billig". Gerade im B2B-Umfeld kenne ich kaum verantwortliche Mitarbeiter, die sich damit rühmen "billig eingekauft zu haben". Vielmehr geht es darum Lösungen beschafft zu haben, die dem Unternehmen einen Mehrwert bringen.
"Ich verstehe Sie und ich hatte erst vor kurzem 2/3/4 Kunden wie Sie, die ebenfalls Bedenken wegen des benötigten Budgets hatten. Letztendlich haben sich diese Kunden doch entschlossen das Projekt umzusetzen und wissen Sie was daraus resultierte?"
Und dann setzen Sie das Gespräch mit einer eindrucksvollen Case Study fort, die belegt warum Ihr Produkt/Ihre Dienstleistung sein Geld wert ist. Wichtig ist hierbei, dass es sich um "echte Case Studies" handelt, die Sie dem Kunden auch schriftlich nachweisen können.
"Wie verhält es sich beim Vertrieb in Ihrem Unternehmen? Verkauft Ihr Unternehmen seine Produkte/Lösungen/Dienstleistungen über den Preis?"
Ein weiterer Favorit von mir, eine Aussage, die ich als Joker immer gerne im Ärmel habe. Auch Ihre Kunden müssen Ihre Produkte/Dienstleistungen verkaufen und mit sehr großer Wahrscheinlichkeit erfolgt dies nicht über eine Billigpreis-Strategie.

Umsonst ist nicht umsonst

Jemandem zu helfen führt nicht automatisch zum Erfolg. Jemand zu helfen, ohne eine Gegenleistung zu fordern, ist aber häufig die einzige Möglichkeit, Erfolg zu entwickeln. Erfolgreiche Verkäufer und Sozialpädagogen geben oft eine persönliche Leistung an eine Zielgruppe, bei der sie die Chance zu einer Gegenleistung vermuten. So investiert ein Sozialpädagoge Zeit in die Betreuung eines schwierigen Kindes, weil er hofft, dass sich das Kind dadurch entwickelt. En Verkäufer investiert Zeit und Arbeit in die Betreuung eines potentiellen Kunden, weil er hofft, dass sich dadurch eine Geschäftsbeziehung entwickelt. Haben beide Erfolg, waren natürlich viele andere daran beteiligt; klappt es nicht, stehen sie wie immer allein da.

Wege aus der Sackgasse

Die Schwierigkeit liegt in der Auswahl der Zielgruppe, bei der die größte Wahrscheinlichkeit für Erfolg liegt. Ein Hausverkäufer wird sich bei Geringverdienern schwertun, ein Sozialpädagoge bei radikal geprägten Gesellschaftsschichten. Hier liegt aber ein deutlicher Unterschied zwischen diesen beiden Berufsgruppen. Der Verkäufer wird immer an seinem Verkaufserfolg gemessen, der Sozialpädagoge an dem Erfolg, und mag er noch so klein sein, in einer bestimmten Zielgruppe. Das Management eines Unternehmens oder einer Organisation hat die Aufgabe, unentgeltliche Vorleistungen zu fördern, aber auch zu kontrollieren, denn das ist einer der Wege, durch den neue Zielgruppen entstehen. Hier muss aber auch ein Belohnungssystem bestehen, wenn eine Aktion keinen Erfolg gebracht hat. Die scheinbar erfolglose Aktion kann aufzeigen, wo man in einen bestimmten Markt vorerst nicht weiter investiert, und auch das ist ein Erfolg.

Jeden Tag eine gute Tat

Beide Berufsgruppen geben auch unentgeltliche Leistung in Zielgruppen, bei denen sie keinen direkten persönlichen Erfolg erwarten. Dies geschieht vor allem bei Vereinen, Organisationen oder Einzelpersonen, die Unterstützung benötigen. Auch dies geschieht oft aus einem tiefen persönlichen Antrieb, hat aber heute mehr denn je auch einen marktwirtschaftlichen Sinn. Bei Einzelpersonen spricht man von der sozialen Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, bei Unternehmen von der sozialen Verantwortung von Unternehmen, was heute oft als CSR - Corporate Social Responsibility - bezeichnet wird. Hier entsteht bei Unternehmen zwischenzeitlich eine wirtschaftliche Notwendigkeit für soziales Verhalten, weil im Rahmen des Fachkräftemangels ein Unternehmen mit einer bemerkbaren sozialen Verantwortung für neue Mitarbeiter besser präsent ist. Unternehmen beginnen, die soziale Verantwortung ihrer Mitarbeiter zu fördern.

Es hat aber auch alles zwei Seiten: so wichtig unsere Verantwortung als Unternehmen, Verkäufer und Sozialpädagoge gegenüber der Gesellschaft ist, so wichtig ist auch das Maß aller Dinge. Wenn zu viel Arbeit in Projekte gesteckt wird, die keinen wirtschaftlichen Nutzen bringen, kommt man schnell ins straucheln, weil das eigene Überleben nicht mehr gewährleistet ist. Es mach schon Sinn, in Projekte ohne Gegenleistung zu investieren, und wenn das im richtigen Verhältnis geschieht, bleibt das auch ein Standbein der Ausübung eines Berufsbildes bzw. einer Berufung. (oe)

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