Mehr als Zahlen, Daten, Fakten

Warum Sie den "Sozial-Kram" stärker beachten sollten

13.08.2013
Die harten Daten wie Umsatz und Ertrag sind meist das Resultat der sogenannten "weichen" Erfolgsfaktoren. Doch mit diesen, zu denen Mitarbeiterkommunikation und -motivation gehören, beschäftigen sich die Manager hingegen ungern.
In schlechten Zahlen spiegeln sich primär die Misserfolge der Vergangenheit wider. Aber un klar ist, was die Ursache hierfür ist und folglich der Umsatz gesteigert werden kann.
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Top-Manager lieben "harte" Zahlen, Daten und Fakten. Eher ungern befassen sie sich hingegen mit den Denk- und Verhaltensmustern, die ihre Organisation prägen. Das ist schade! Denn die harten Daten wie Umsatz und Ertrag sind meist das Resultat der sogenannten "weichen" Erfolgsfaktoren.

Ich bin ein logisch denkender Mensch und ein rationaler Planer - dieses Selbstbild haben die meisten Top-Manager. Deshalb messen sie beim Treffen von Entscheidungen "harten" Zahlen, Daten und Fakten eine hohe Bedeutung bei. Eher ungern beschäftigen sie sich hingegen mit den "weichen" Erfolgsfaktoren - wie der Mitarbeiterkommunikation und -motivation. Oder der Zusammenarbeit und Führungskultur in ihrer Organisation.

Diese Erfahrung sammelt Dr. Georg Kraus, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal (D), immer wieder. Mit diesem "Sozial-Kram" wollen viele Top-Manager nichts zu tun haben - auch weil ihre Leistung an harten Zahlen gemessen wird. Zum Beispiel dem Umsatz und Ertrag. Oder dem Börsenkurs. Deshalb liegt ihr Fokus fast automatisch auf diesen harten Daten.

Dabei übersehen Top-Manager laut Kraus jedoch oft: Die sogenannten "hard facts" eignen sich nur bedingt als Instrument zum Steuern des Erfolgs von Unternehmen. Denn in den Zahlen spiegeln sich primär die (Miss-)Erfolge der Vergangenheit wider. "Aus ihnen lässt sich zwar ableiten, dass ein Handlungsbedarf besteht, aber meist nicht, was getan werden sollte, um beispielsweise den Ertrag oder die Innovationskraft eines Unternehmens zu steigern."

Kraus erläutert dies an einem Beispiel. Angenommen ein Unternehmen erzielt zu geringe Umsätze. Dann lässt sich über eine Zahlen-Daten-Fakten-Analyse zwar ermitteln, dass die Vertriebsmitarbeiter beispielsweise nur zehn Kundenbesuche pro Woche machen; des Weiteren, dass sie nur bei zwei Besuchen Abschlüsse erzielen und deren Volumen im Schnitt zu niedrig ist.

Nicht beantwortet ist damit aber die Frage: Was ist die Ursache hierfür und wie kann folglich der Umsatz gesteigert werden? Denn besagte "Mängel" können zahlreiche Ursachen haben. Darauf weist Dr. Anja Henke, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Carpe Viam, Düsseldorf, hin. Die Verkäufer können zum Beispiel demotiviert oder ungenügend geschult sein. Sie können auch überlastet sein. Doch damit nicht genug: Alle genannten Ursachen können ihrerseits wiederum viele Ursachen haben. Das erläutert Henke am Beispiel mangelnde Motivation.

Aus "soft facts" werden "hard facts"

Der "fehlende Biss" der Verkäufer kann seine Ursache darin haben, dass diese sich nicht mit den Produkten des Unternehmens identifizieren. Oder darin, dass sie sich eher als Berater denn als Verkäufer verstehen. Oder darin, dass sie frustriert sind, weil sie von ihren Vorgesetzten kaum Anerkennung erfahren. Oder darin, dass sie überfordert sind, weil ihnen der Innendienst zu wenig Support gewährt.

Daraus folgt laut Julia Voss, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Voss+Partner, Hamburg: "Wer solche ,hard facts‘ wie den Umsatz oder Ertrag positiv beeinflussen möchte, muss sich in der Regel mit den ,soft facts‘ befassen. Denn wenn diese nicht stimmen, dann können auch nicht die gewünschten ,hard facts‘, wie eine Umsatzrendite von zwölf Prozent zu erzielen, erreicht werden."

Das ist vielen Top-Managern nicht ausreichend bewusst – "auch weil sie häufig ein eher mechanistisches Weltbild haben", beklagt die Wiener Managementberaterin Sabine Prohaska. Deshalb unterschätzen sie oft, "welche Potenziale, aber auch Gefahren beispielsweise in der Unternehmenskultur stecken". Prohaska ist felsenfest überzeugt: "Eine hoch motivierte Mannschaft kann scheinbar Unmögliches erreichen." Und eine demotivierte Belegschaft? "Sie kann ein Unternehmen ruinieren."

Schwachstelle Strategieumsetzung

Die Münchener Strategieberaterin Dr. Daniela Kudernatsch stellt im Kontakt mit Unternehmen immer wieder fest: Sie haben eine zukunftsweisende und -fähige Strategie. Doch im Betriebsalltag gelingt es ihnen nicht diese umzusetzen. Oft fragen sich die Verantwortlichen dann: Was sind die Ursachen? Haben wir die Ziele zu hoch gesteckt? Oder haben wir die falsche Mannschaft? Oder identifizieren sich die Mitarbeiter zu wenig mit den Zielen des Unternehmens? Solche Fragen stellen sich die Verantwortlichen zu Recht. "Denn nur wenn die Faktoren bekannt sind, die den Erfolg oder Misserfolg fördern, können sie gezielt beeinflusst werden."

Von Ferdinand Piëch, dem heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden und früheren Vorstandsvorsitzenden der Volkswagen AG, wird kolportiert: Er zog sich nach seinem Amtsantritt als Vorstandsvorsitzender einen Blaumann an und arbeitete mehrere Tage am Fließband. Das tat er nicht, um zu lernen, wie man den Motor in ein Auto einbaut. Nein, er wollte die (Arbeits-)Einstellung der Mitarbeiter kennenlernen. Denn hieraus konnte er Rückschlüsse ziehen: Wo sollte das Management den Hebel ansetzen, um die Kultur des Unternehmens wie gewünscht zu beeinflussen?

Auf der nächsten Seite geht es u.a. um das Entwickeln einer Unternehmenskultur.

Die eigenen Mitarbeiter befragen
Mitarbeiterbefragung
Von den eigenen Mitarbeitern kann man viel lernen – wenn man kluge Fragen stellt. Management-Consultant und Buchautorin Anne M. Schüller (www.anneschueller.de) präsentiert eine ganze Reihe an Fragen, mit denen Führungskräfte die Ist-Situation in der Zusammenarbeit mit ihren Mitarbeitern ermitteln können.
Fragen zum Ist-Zustand (I)
Was mir bei uns am besten gefällt, ist: …
Was mir bei uns am meisten fehlt, ist: …
Was sich an meinem Arbeitsplatz konkret verbessern ließe: …
Ich biete an, folgende Aufgaben zu übernehmen: …
Ich biete an, folgende Aufgaben abzugeben: …
Fragen zum Ist-Zustand (II)
Mein größter Wunsch an meine Führungskraft ist: …
Was wir für die Kunden noch tun könnten: …
Warum mir unser Unternehmen so wichtig ist: …
Was ich Außenstehenden über uns sagen würde: …
Woran ich bei mir selber arbeiten möchte: …
Fragen zum Ist-Zustand (III)
Wobei ich mir Unterstützung wünsche: …
Was mich bewegen könnte, noch lange hier zu bleiben: …
Was ich immer schon mal sagen wollte: …
Was mir besonders am Herzen liegt: …
Was man beim nächsten Mal noch fragen könnte: …
Fragen zur Ermittlung der Mitarbeiterloyalität
Ich kann mir gut vorstellen, noch länger hier zu arbeiten. Und dies, weil ….
Ich spreche mit Dritten (Bekannte, Freunde, Kunden) positiv über uns. Und dies, weil ….
Ich ermutige Interessenten, bei uns Kunde zu werden. Und dies, weil ….
Ich ermutige potenzielle Mitarbeiter, sich bei uns zu bewerben. Und dies, weil ….
Ich tue all dies nicht, weil …
Fokussierende Fragen
Welches sind die drei Dinge, die Sie sich von Ihrem Vorgesetzten am meisten wünschen?
Wenn es eine Sache gibt, die Sie unbedingt übernehmen wollten, was wäre das für Sie?
Wenn es eine Sache gibt, die Ihnen in Hinblick auf Ihre Arbeit als besonders nutzlos erscheint, die also wirklich niemandem etwas bringt, was wäre das für Sie?
Und wenn es eine Sache gibt, die wir im Interesse der Kunden unbedingt verändern sollten, was wäre da aus Kundensicht betrachtet das Wichtigste für Sie?
Frage ans Gewissen
"Lieber Mitarbeiter, stellen Sie sich vor, Sie wären unser Unternehmensgewissen. Was würden Sie uns sagen?"

Die Weichen in Richtung Erfolg stellen

Untersuchungen zeigen laut Dr. Georg Kraus, dass es drei zentrale Treiber gibt, wenn es um das Entwi-ckeln der Unternehmenskultur geht. Erstens: das Verhalten der Führungskräfte. "Denn sie prägen durch ihre Entscheidungs- und Verhaltensmuster das ‚Tagesgeschäft‘." Zweitens: die firmeninterne Kommunikation. "Denn nur wenn die Mitarbeiter verstehen, welche Ziele das Unternehmen warum erreichen möchte, können sie ihr Verhalten hieran orientieren."

Drittens: die Möglichkeiten zur Selbstorganisation. "Denn nur, wenn die Mitarbeiter Handlungsspielräume haben, können sie sich aktiv einbringen und die Unternehmenskultur mitgestalten." Hierzu sind die Mitarbeiter bereit - wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Auch dies zeigen zahlreiche Untersuchungen. Sie belegen nicht nur, dass die Mitarbeiter häufig mit der Kultur ihres Unternehmens unzufrieden sind, sondern auch, dass sie gern daran mitwirken würden, diese zu verändern.

Vor diesem Hintergrund empfehlen Dr. Anja Henke und Dr. Georg Kraus den Top-Managern von Unternehmen, sich auch aktiv mit der Unternehmenskultur zu befassen und deren Ist-Zustand zu analysieren. Im zweiten Schritt sollten sie sich dann nochmals vor Augen führen: Welche Ziele wollen wir als Organisation mittel- und langfristig erreichen? Zum Beispiel die Umsatzrendite steigern? Oder uns als "Innovationsführer" im Markt etablieren?

Und danach können sie sich fragen: Inwieweit weicht der Ist-Zustand von unseren Zielvorstellungen ab? Und: Welche Faktoren stehen dem Erreichen der Unternehmensziele im Weg? Dann wird laut Georg Kraus schnell klar, "wo der Hebel angesetzt werden sollte, um die Kultur des Unternehmens so zu entwickeln, dass auch künftig die betriebswirtschaftlichen Ziele erreicht werden und die nötigen Marktanpassungen erfolgen".

Führungskräfte brauchen neues Selbstverständnis

Das klingt einfach! Doch Sabine Prohaska warnt: Viele Top-Manager neigen aufgrund ihres mechanistischen Weltbilds zu Aktionismus, wenn sie ein Defizit in der Kultur ihres Unternehmens registrieren. Das heißt, sie führen irgendwelche Tools oder Managementmethoden in ihrer Organisation ein, die andere Unternehmen erfolgreich nutzen. Zum Beispiel die Balanced Scorecard. Oder Lean Management. Oder KVP. Oder regelmäßige Mitarbeiterbefragungen.

Sie überlegen sich aber nicht ausreichend: Wie bringen wir diese Tools zum Laufen? Das wäre aber nötig, weil neben den Geschäftsfeldern der Unternehmen auch deren Struktur und Kultur verschieden sind. Deshalb bringt es laut Dr. Daniela Kudernatsch wenig, "die Erfolgsrezepte anderer Unternehmen zu kopieren". "Jedes Unternehmen", so ihr Credo, "muss seine eigenen Routinen, also Denk- und Verhaltensmuster entwickeln, wie es seine Performance steigert und herausfordernde Ziele erreicht."

Ein zentraler Erfolgsfaktor hierbei ist für Kudernatsch: Die Führungskräfte müssen ein neues Selbstverständnis entwickeln. Statt sich primär mit den harten Fakten sowie mit Verwaltungsaufgaben zu befassen, sollten sie sich - getreu der Maxime "go and see" statt "meet and mail" intensiv mit den Mitarbeitern und den wertschöpfenden Prozessen beschäftigen. Außerdem sollten sie es als eine ihrer Kernaufgaben begreifen, Veränderungsprozesse - "das heißt Lernprozesse" - in ihrer Organisation anzustoßen und zu begleiten. Denn nur wenn ein Unternehmen lernt, kann sie sich verbessern. (oe)

Der Autor Bernhard Kuntz ist Geschäftsführer der PRofilBerater GmbH, Darmstadt, für die auch der im Artikel erwähnte PR-Journalist und SEO-Spezialist Andreas Lutz arbeitet. Er ist u.a. Autor der Marketing- und PR-Ratgeber "Die Katze im Sack verkaufen", "Fette Beute für Trainer und Berater" sowie "Warum kennt den jeder?" (Telefon: 06151/896 59-0; E-Mail: info@die-profilberater.de; Internet: www.die-profilberater.de).

13 Warnzeichen vor dem Unternehmensunglück
13 Warnzeichen vor dem Unglück
Dirk Elsner gehen Ratgeber ja eigentlich auf die Nerven - nun schrieb er dennoch einen. Immerhin: Er beansprucht kein wissenschaftliches Niveau. Es folgen 13 Warnzeichen, die zeigen, dass Ihr Unternehmen auf dem Weg ins Unglück sein könnte.
1. Formalien interessieren mehr als Fakten:
In Gesprächsrunden beziehungsweise bei Feedbacks wird mehr über die Berichtsformate und Gestaltung von Powerpointfolien als über Inhalte diskutiert.
2. Präsentation vor Performance:
Beim Management punkten eher diejenigen, die (sich) gut präsentieren und weniger diejenigen, die gute Ergebnisse abliefern und sich für Sachlösungen einsetzen.
3. Recht vor richtig:
Vor (wichtigen) Entscheidung werden erst einmal Rechtsgutachten und Einschätzungen von Unternehmensberatungen und Wirtschaftsprüfern eingeholt.
4. Optimierungsprogramme erhalten putzige Namen, ...
... welche die tatsächlichen Ziele von Kostenkürzungen und Restrukturierungen verschleiern oder verniedlichen.
5. Abstimmung vor Durchsetzung:
Ausführlich betrachtet in dem Beitrag:
6. Extern vor intern:
Die Geschäftsleitung verlässt sich lieber auf Empfehlungen externer Berater als auf die der eigenen Führungskräfte und Mitarbeiter.
7. Kontrolle von Kreativität:
Die Compliance-Abteilung ist größer als die Produktentwicklung.
8. Kosten vor Wirkung:
In Ihrem Unternehmen streiten sich Abteilungen, wer welchen Anteil an den Kosten für den Kopierer trägt.
9. Leitsätze vorgelebter Kultur:
In Ihrem Unternehmen werden Leitsätze für eine Corporate Culture aufgehängt, aber nicht gelebt.
10. ISO-SIX vor Fähigkeit:
Das Management verspricht sich von formalisierten Guru-Moden wie Six Sigma oder auch ISO-Zertifizierungen, die Kosten und Qualität in den Griff zu bekommen.
11. Glattbügeln vor Anecken:
Das mittlere Management hält kritische Entwicklungen vom Vorstand fern, weil sie fürchten, beim Überbringen schlechter Nachrichten als schwache Führungskräfte zu gelten und negative Konsequenzen scheuen.
12. Sprache vor Handeln:
Mit der Gesprächskultur in Meetings lässt sich innerhalb von 3 Minuten ein Bullshit-Bingo gewinnen.
13. Star vor Core:
Ein vermeintlicher Management-Star wird als "Mr. Wirtschaftswunder" für die Unternehmensspitze angepriesen.