SaaS im Kommen

Warum Kunden Software lieber mieten statt kaufen

28.01.2011 von Daniela Hoffmann
Sicherheit, Datenschutz, individuelle Prozesse - wie lässt sich das mit ERP zur Miete gewährleisten? Fünf Kunden erzählen von ihren Erfahrungen.

Sicherheit, Datenschutz, individuelle Prozesse - wie lässt sich das mit ERP zur Miete gewährleisten? Fünf Kunden erzählen von ihren Erfahrungen.

Lynn-Kristin Thorenz,IDC: Es lohnt sich, die SaaS-Angebote zu prüfen.
Foto: IDC

"Vor zwei Jahren war SaaS ein reines Hype-Thema, jetzt sehen wir, dass die Umsetzung in den Unternehmen beginnt", sagt Lynn-Kristin Thorenz, Consulting Director beim Marktforschungs- und Beratungsunternehmen IDC. "Für junge oder stark verteilt wachsende Unternehmen, wenn eine ERP-Neuanschaffung oder -Wechsel ansteht, lohnt es sich mittlerweile, auch SaaS-Angebote zu prüfen", meint Thorenz.

Doch die Anwender müssen sich auf Änderungen einstellen, sie können nicht erwarten, dass ihre aktuelle oft individuell gestalteten Installationen und Prozesse auch in einem Mietmodell bestehen bleiben. "Es sind erhebliche Gewöhnungseffekte notwendig, dazu gehört auch das Verständnis, dass nicht unbedingt an jeder Schraube gedreht werden muss", betont Karsten Sontow, Vorstand des Marktforschungs- und Beratungshauses Trovarit AG. Auch die Anbieter hätten noch massiv Hausaufgaben zu machen. Es hänge einiges davon ab, ob jetzt ein großer Player wie SAP den Markt bereitet und andere Anbieter dann mitziehen müssten, so die Einschätzung von Thorenz.

Eine Umfrage von Trovarit zufolge hält sich das Interesse an ERP as a Service noch in Grenzen. Doch die Nachfrage wird steigen.
Foto: Trovarit

Die Kunst bestehe darin, in sehr viel Standard dennoch ein Höchstmaß an flexibler Anpassbarkeit zu ermöglichen. "ERP als SaaS wird kommen, schon weil der Aufwand für den Betrieb deutlich geringer ist - aber es wird noch eine ganze Weile dauern", erwartet Sontow. Schließlich würden ERP-Systeme im Schnitt nicht mal alle zehn Jahre abgelöst. Die Experten sind sich einig: Das Argument, im eigenen Haus seien die Daten sicherer, ist Makulatur: An die hohen, zertifizierten Security-Standards der professionellen Rechenzentren kommt kein mittelständischer Betrieb heran. Wichtig ist jedoch, vertraglich zu vereinbaren, dass am Ort der Datenspeicherung auch die deutschen Datenschutz- und Compliance-Vorgaben eingehalten werden

myfactory

Der Autoteile-Großhändler GMT aus Neckartailfingen, der an drei Standorten in Deutschland rund 50 Mitarbeiter beschäftigt, entschied sich 2009 bewusst für das explizite SaaS-Modell (Software as a Service) des ERP- und CRM-Herstellers myfactory. Im Verbund mit sechs weiteren Unternehmen ging es um die Entscheidung für ein einheitliches ERP-System. Zunächst wurde über eine Sage-Bäurer-Lösung nachgedacht. Als aber klar wurde, dass rund 40.000 Euro allein für Hardware anfallen würden, machte sich Hubertus Böse, IT- und Marketingleiter bei GMT im Internet auf die Suche nach ERP-SaaS-Alternativen, die ohne Frontend im Unternehmen auskommen.

Über den dreimonatigen kostenlosen Testzugang des Herstellers myfactory konnte sich Böse ein gutes Bild machen. "Es gab dann eine kontroverse Diskussion, in der viele Bedenken geäußert wurden. Allerdings war vor kurzem bei einem befreundeten Unternehmen eingebrochen und Server samt Back-up-System gestohlen worden - das sprach für die deutlich höheren Sicherheitsstandards in professionellen Rechenzentren. Zudem war auch ausschlaggebend, dass wir kein eigenes IT-Personal benötigen", erinnert sich Böse. Nach der Entscheidung startete ein Pilotprojekt in einer neu eröffneten Niederlassung. Implementiert wurden Funktionen für CRM, die Warenwirtschaft und Finanzbuchhaltung sowie die Lohn- und Gehaltsabrechnung. Monatlich folgten und folgen die acht Niederlassungen, derzeit läuft der Ausbau auf 50 User.

"Wenn ich zusätzliche Funktionalität benötige, kann ich sie einfach dazu schalten und für 50 Euro im Monat testen", schildert Böse, dem das hohe Maß an Flexibilität gefällt. Ein Partnerunternehmen habe sich für eine SAP-Lösung entschieden und rund 140.000 Euro bis zum Betriebsstart in die Hand genommen, erinnert sich Böse, der nach eigenen Angaben etwa 12.000 Euro für das Customizing ausgab.

SAP Business ByDesign

Die Telefunken Semiconductors GmbH & Co. KG aus Heilbronn sah sich 2008 nach ihrer Ausgründung nach einem ERP-System um. Das vertraute SAP R/3 wäre für den Halbleiterhersteller, der etwa 300 Mitarbeiter beschäftigt, zu aufwendig und teuer gewesen. Zudem hätte der Betrieb eigens zuständige IT-Mitarbeiter erfordert. Deshalb schwenkte man auf das damals noch ganz neue SAP Business ByDesign um. "Die Entscheidung, nicht mehr Herr seiner Daten zu sein, ist nicht ganz einfach", meint Jürgen Grathwohl, Leiter Rechnungswesen und Controlling bei Telefunken Semiconductors. Der Halbleiterhersteller legte Wert darauf, dass SAP mit regelmäßigen Audits die Einhaltung des Reports SAS 70 Typ II (Statement on Auditing Standards) bestätigt. "Ich sehe keinen Nachteil im Vergleich zu einer Inhouse-Lösung", sagt Grathwohl.

Darum scheitern ERP-Projekte
Grund 1
Die Geschäftsleitung ist zu wenig involviert.
Grund 2
Eingriffe in die Organisation werden vermieden.
Grund 3
Der Nutzen des Vorhabens ist nicht klar.
Grund 4
Die Vorbereitung des Projektes waren so schlecht, dass sich die Schwerpunkte während ds Projektes ändern.
Grund 5
Die Führung des Implementierungspartners ist mangelhaft.

Auch Befürchtungen, dass die Performance über die Distanz schwächer sei, hätten sich nicht bestätigt. Mittlerweile haben die Heilbronner begonnen, auch ihre Produktion abzubilden. Schritt für Schritt sollen Demand Planning und Online-Verfügbarkeitsprüfungen im ERP erfolgen. Auf einige Features wie Konsolidierung oder eine automatisierte Schnittstelle zur Produktionsdatenbank wird noch gewartet. Die jährlichen Kosten beinhalten auch Sonderbeauftragungen für Anpassungen zum Beispiel von Reports. "Wir erzielen bei Lizenzen, Hardware und Personal Einsparungen von etwa 70 Prozent im Vergleich zum traditionellen SAP R/3", resümiert Grathwohl.

Allerdings fordert die SaaS-Lösung ihren Tribut, denn sie lässt sich nicht in dem Maße individuell gestalten wie herkömmlichen Lizenz-Installationen "Es gibt bei Standardsoftware immer Punkte, bei denen man schlucken muss - zum Beispiel, weil sich Genehmigungsprozesse nicht exakt so umsetzen ließen, wie wir das gewöhnt waren", räumt Grathwohl ein. "Auf der anderen Seite konnten wir uns in vielen Dingen dazu anregen lassen, unsere Prozesse zu verschlanken".

Comarch Semiramis

Quelle: Fotolia, Kobes
Foto: Fotolia, Kobes

Die Kinderwelt AG aus Bremen wurde erst im August 2009 gegründet. Das junge Unternehmen wollte von Anfang an eine ERP-Lösung einsetzen, die mitwachsen sollte - anstatt erst kleinere Systeme einzuführen und später mühsam zu migrieren. Die Geschäftsleitung entschied sich für die webbasierte On-Demand-ERP-Lösung Semiramis des Anbieters Comarch. Bisher nutzen drei Mitarbeiter die Software, Tendenz steigend.

"Wir wollten die IT am Anfang nicht unnötig aufblasen, sondern sukzessive ausbauen. Allerdings haben wir uns schon jetzt für eine Multisite-Installation entschieden, da es künftig weitere Niederlassungen geben soll", sagt Gabriele Hintze, Vertriebsleiterin bei der Kinderwelt AG. Derzeit wird nur die Warenwirtschaft genutzt, ein Online-Shop, Fibu, Berichtswesen und Angebotswesen sollen folgen. Abgesehen von einem Anfangsinvest für die Grundeinrichtung und ein Schulungspaket fallen jetzt monatliche Kosten für Support und Bereitstellung an. Genutzt wird Semiramis via Web-Browser über gesicherte Internet-Verbindung zum IBM-Rechenzentrum. Die On-Demand-Software läuft als Mehr-Mandanten-Lösung.

Scopevisio

Alexander Seel, Hessischen Berglandklinik Koller: Wir ersparen uns regelmäßige Updates.

Der 2007 gegründete SaaS-Anbieter Scopevisio hat sich bislang auf Funktionen für die Finanzbuchhaltung konzentriert. Derzeit wird die Lösung um weiteren Module zu einer ERP-Lösung ausgebaut: Noch in diesem Jahr sollen Lösungen für das CRM, Projektmanagement und die Faktura hinzukommen. Daran ist auch Anwender Alexander Seel interessiert, Leiter Finanz- und Rechnungswesen der Hessischen Berglandklinik Koller GmbH.

Als der für das Krankenhaus-Informations-System (KIS) zuständige IT-Dienstleister der geriatrisch ausgerichteten Klinik die bestehende Finanzbuchhaltungssoftware 2008 durch eine webbasierende Client/Server-Lösung ersetzen wollte, sah sich Seel nach Alternativen um. "Es wäre einiges an Investitionen angefallen für neue Hardware, Datenbank- und Software-Lizenzen", sagt Alexander Seel. Er errechnete die Betriebskosten sowohl für die Kauf- als auch für eine SaaS-Lösung von Scopevisio über fünf Jahre. "Der Unterschied betrug 15 Euro im Monat", meint Seel: Allerdings entfalle in der SaaS-Lösung der sonst notwendige IT-Arbeitsaufwand im eigenen Haus für Datensicherungen und das Einspielen von Updates.

Zudem seien die Anforderungen an den Datenschutz im Gesundheitsbereich besonders hoch, hier sieht sich Seel durch die professionellen Standards eines Rechenzentrums deutlich besser geschützt. "Bei der Überlegung Pro und Contra SaaS fiel eher die Frage ins Gewicht, wem die Daten gehören. Wir haben dann im Vertrag festgelegt, dass die Daten der Klinik gehören und der Anbieter keinen Zugang dazu hat", schildert Seel.

Das sei wichtig, ansonsten könnte der Anbieter möglicherweise den Zugriff verwehren, befürchtet Seel. Vier User nutzen derzeit die Software, indem sie sich teilweise auch von anderen Standorten aus direkt in die Anwendung einloggen. "Ich erhalte immer noch den Newsletter mit den Informationen über Updates und Patches des alten Anbieters. Dann freue ich mich alle paar Wochen, dass mir diese Arbeit erspart bleibt", sagt Alexander Seel.

Abas mit SteinhilberSchwehr

Daniel Schnelle, Geschäftsführer der Carl Schaefer GmbH & Co. KG: "Die Daten sind sicherer, als sie intern je sein könnten."

Die Gold- und Silberscheideanstalt Carl Schaefer aus Pforzheim beschäftigt im Bereich Edelmetallrecycling, Edelmetallhandel und Edelmetallhalbzeuge weltweit 75 Mitarbeiter. Sein ERP-System Abas lässt das Unternehmen im Rechenzentrum des IT-Dienstleisters SteinhilberSchwehr betreiben. Neben den Abas-ERP-Modulen nutzt der Mittelständler auch MS Office, Archivierung/DMS, CRM und E-Mail als Service aus dem Rechenzentrum.

"Für uns war der Kosten-Nutzen-Faktor entscheidend. Wir wollten vor allem kein eigenes IT-Personal beschäftigen und uns auf unsere Kernkompetenzen konzentrieren", sagt Daniel Schnelle, Geschäftsführer der Carl Schaefer GmbH & Co. KG. Insgesamt spare man im Jahr einen fünfstelligen Betrag und könne sich auf kalkulierbare monatliche Kosten in einem klar definierten Vertragsverhältnis verlassen. Von der Sorge, Daten und Anwendung aus der Hand zu geben, wurde Schnelle nicht geplagt.

"Die Daten sind sicherer, als sie intern je sein könnten, zudem können wir uns auf ein hochverfügbares System verlassen. Das hat sich im letzten Jahr gezeigt, als in einer Niederlassung ein Brandschaden entstand und die Technik komplett ausfiel. Wir konnten schon am nächsten Tag in provisorischen Räumen nach dem Log-in wie gehabt weiter arbeiten", sagt Schnelle. Derzeit handelt es sich eher um Hosting, bei neuen Komponenten oder Versionen kann sich der Geschäftsführer jedoch gut vorstellen, auf ein SaaS-Modell umzusteigen. (cw/jha)