Warum sich IT-Unternehmen in Sachen Marke so schwer tun

Warum kauft überhaupt jemand Apple-Produkte?

Kommentar  von Pascal Lauscher
IT-Unternehmen verschenken in der aktuellen Boom-Zeit die Chance eine starke Marke zu werden. Eine Ursachensuche.

Immer dann, wenn Apple ein neues Produkt vorstellt, liest man dieselben Dinge in den einschlägigen IT-Foren: Es ist von Apple-Jüngern die Rede, von Lemmingen, hirnlosen Schafen und dummen Fan-Boys.
Warum ist das so? Woher kommt das große Unverständnis darüber, dass offensichtlich sehr viele Menschen diese Produkte kaufen?
Und woher resultiert diese negative und emotionale Ablehnung gegenüber Apple?

Das Apple Logo hat seit seinem Start im Jahr 2977 bereits mehrere farbliche Veränderungen durchgemacht. Aber das Grunddesign des angebissenen Apfels als Markenzeichen ist immer gleich geblieben.
Foto: charnsitr - shutterstock.com

Die Gründe sind einfach erklärt, aber gleichzeitig auch symptomatisch für den Umgang mit Marke und Marketing in der gesamten IT-Branche.

Ich erinnere mich gut an eine Diskussion, in einem Konferenzraum im alten Microsoft Headquarter in Unterschleißheim. Dort saßen erfahrene Microsoft Manager und schwärmten von ihrem ganz neuen Produkt: dem Surface. Fast so dünn wie ein iPad, aber leistungsfähig wie ein Laptop. Core i7, 8GB Ram, Wacom und hunderte Feature wurden aufgezählt. Und dann stellte einer die Frage in den Raum:

"Warum kauft überhaupt jemand Apple Produkte?"

Und unsere Antwort war nur: "Weil sie cool und sexy sind".

Und genau in diesem Dialog offenbaren sich die drei Gründe, warum sich IT-Unternehmen mit dem Thema Marke immernoch so schwer tun.

Emotion trifft Ratio

Es prallen oft zwei Welten aufeinander, wenn IT und Marke zusammenkommen. Marken wirken vor allem emotional und empathisch. Die IT ist dagegen sehr geprägt von Ratio und Fakten.

Mein Lieblingsbeispiel für die Funktionsweise von Marken ist eine Ikone der Werbewelt: Der Malboro Cowboy (Es funktioniert sogar auch ohne Zigarette).

Dieser Mann, der auf seinem Pferd durch die Prärie reitet. Wild, ungezähmt, stark, frei und hart. Das war das Männerbild der damaligen Zeit. So wollte man(n) sein, so wollte sich jeder Mann fühlen. Die rationale Aussage der Werbung war allerdings einfach nicht vorhanden. Kein einziger Satz über Geschmack, Herkunft, Qualität, Preis oder auch nur ein Hauch von "Feature". Nur Gefühl.

Die IT-Welt ist eine mathematische, algorithmische und logische Welt. Und dementsprechend arbeiten dort auch überwiegend Menschen, die etwas mehr zur Ratio tendieren. Zudem ist es aus IT-Sicht natürlich vollkommen logisch über Features und Fakten zu kommunizieren - so ist das Produkt oder die Dienstleistung schließlich aufgebaut und konstruiert.

Und so kommt es zum oben beschriebenen Unverständnis:
Apple Produkte haben nicht die beste Leistung, nicht die meisten Features und ganz bestimmt nicht die meisten Möglichkeiten. Rational ist es auf keinen Fall das beste Produkt. Apple verlangt dennoch mit Abstand den höchsten Preis, schränkt den Nutzer extrem auf das eigene Ökosystem ein und bemüht sich nicht mal zu anderen Systemen kompatibel zu sein.

Apple lebt von der Marke. Wer Apples AirPods im Ohr hat, sendet damit eine Botschaft der Coolness und des Styles.

AirPods sind halt nun mal stylischer als der Sony Bluetooth Kopfhörer in schwarz. Und wer in die Apple Welt eintaucht, fühlt sich wohl, aufgehoben, verstanden, stilvoll, cool und auch ein bisschen erhaben. Das ist vielen Menschen wichtig. Anderen eben nicht. Marke bedeutet auch, dass der Wurm dem Fisch schmecken muss. Aber nicht alle Fische mögen teuren stylischen Wurm, um im Bild zu bleiben.

Lesetipp: Machen Sie Ihre Person zur Marke

Marktdynamik und Agilität verhindern Differenzierung

Ich habe in den letzten Jahren, im Rahmen meiner Beratungstätigkeit, zahlreiche IT-Unternehmen kennengelernt: Dienstleister, B2B Software Lösungsanbieter und SAAS Provider. In der Regel handelt es sich um komplexe Produkte und Dienstleistungen. Da diese Produkte und Dienstleistungen aber oft immer nur den sehr dynamischen Marktanforderungen folgen, ohne eine eigene Identität zu entwickeln, sind sie im Grunde austauschbar.

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Um das zu beweisen habe mir vor ein paar Monaten für einem Workshop mal den Spaß erlaubt:
Ich habe alle Features und Module der einzelnen Anbieter am Markt in einer Vergleichstabelle nebeneinander aufgelistet. Dann habe ich das Logo gelöscht und das Wording so angepasst, dass keine direkten Rückschlüsse auf Produktnamen oder Anbieter möglich waren. Im Workshop habe ich diese Liste an die Wand geworfen.

Keiner der Workshop-Teilnehmer war in der Lage das eigenen Produkt sicher herauszufinden. Es gelang ihnen auch nicht einen wirklich für die Kaufentscheidung signifikanten Unterschied zu finden. Alle Produkte haben alles angeboten, was man als Kunde braucht, manche auch mehr. Wer nicht alles konnte, war in der Wettbewerbsbetrachtung rausgefallen.
Übrigens entscheidet sich auch ein Kunde oder Einkäufer nur zwischen relevanten Angeboten, die seine Anforderungen erfüllen. Ob alle Anbieter alles wirklich gleich gut können, das konnte man aus den Aussagen nicht erkennen.

Differenzierung macht stark

Ein großer Vorteil einer starken Marke ist die Differenzierung. Als starke Marke bin ich klar im Markt positioniert, liefere einen ganz spezifischen Mehrwert und entziehe mich damit ein Stückweit der Vergleichbarkeit. Genau wie Apple unter anderem den Mehrwert an Style und Coolness und des perfekt harmonisierten Ökosystems als Mehrwert liefert, bietet Google beispielsweise eine größere Freiheit und das Gefühl irgendwie Teil der Entwicklercommunity zu sein. Apples Kunden sind auch bereit, für diesen Mehrwert einen signifikanten Aufpreis in Kauf zu nehmen.

In der heutigen Zeit ist es schwer genug mit den sich agil entwickelnden Anforderungen des Marktes mitzuhalten. Dann noch zusätzlichen differenzierenden Mehrwert zu liefern erscheint den IT-Unternehmen kaum möglich.

Aber: Die Differenzierungsfaktoren von IT-Unternehmen sind selten darin zu finden WAS die Unternehmen tun. Sondern darin WIE sie es tun.

Die differenzierenden Faktoren zu finden, zu formulieren und hervorzuheben, ist ein entscheidender Schritt dazu eine stärkere Marke zu werden. Und das kann jedes Unternehmen tun. Setzt man zudem die richtigen agilen Brandingmethoden ein und gibt damit der Marke auch Raum zur Entwicklung, kann dauerhaft eine starke Marke etabliert werden, auch wenn der Markt konstant in Bewegung ist.

Setzt man die richtigen agilen Brandingmethoden ein und gibt damit der Marke auch Raum zur Entwicklung, kann dauerhaft eine starke Marke etabliert werden, auch wenn der Markt konstant in Bewegung ist.
Foto: canbedone - shutterstock.com

Die Zeiten des IT-Booms machen bequem

Der IT-Branche geht es nicht schlecht. Ganz im Gegenteil. Wenn es nicht so einen großen Fachkräftemangel geben würde, würde die Branche wahrscheinlich noch mehr boomen. Und in diesen Zeiten neigen wir als Mensch dazu bequem zu werden.

Oft ist daher eine meiner ersten Fragen bei einer Beratung: "Wachst ihr mit dem Markt, schneller als der Markt, oder langsamer als der Markt?"

Denn wer nur mit dem Markt wächst, wird mit ihm auch wieder schrumpfen. Wer langsamer als der Markt wächst wird schneller schrumpfen. Nur wer stärker als der Gesamtmarkt performed hat einen besonderen Wettbewerbsvorteil, der auch in schlechten Zeiten als Puffer wirkt.

Natürlich ist eine starke Marke auf keinen Fall der einzige Faktor in dieser Gleichung, aber durchaus ein Wichtiger. Denn eine attraktive Marke hilft mehr Wachstum zu generieren, rentablere Preise durchzusetzen und Kunden länger zu binden. In Boom-Zeiten sollten Unternehmen die Investition in eine starke Marke, trotz der Erfolge und der vielen Arbeit, daher unbedingt ins Auge fassen. Als Vorsorge für die Zeiten, in denen es wieder schwieriger wird.

Apple investiert laufend in die eigene Marke. Und liefert einen emotional verankerten Mehrwert, den nur Apple auf diese Weise bieten kann. Und genau deswegen kaufen Menschen Apple Produkte: Weil es eine starke Marke ist.

Zum Video: Warum kauft überhaupt jemand Apple-Produkte?