Image-Problem und Berührungsängste

Warum Amazon Web Services im Channel kaum Fuß fasst

19.11.2013 von Alexander Roth
Die AWS-Sparte von Amazon hat ankündigt, den eigenen Channel auszubauen. Für Deutschland, so scheint es, setzt der Konzern aber auf die falsche Karte.
Unternehmen setzen auch beim Bezug von Cloud Services auf die Unterstützung durch Systemhäuser und Dienstleister. Amazon Web Services (AWS) kündigte deshalb auf der re: Invent 2013 den seines Partnerprogramms an.
Foto: ChannelPartner

von Alexander Roth
Amazon hat vergangene Woche auf der Messe Re:invent in Las Vegas die eigene Technologie-Community versammelt. Die Veranstaltung widmete sich ausschließlich dem Geschäft der AWS-Sparte (Amazon Web Services), über die der Konzern weltweit erfolgreich IaaS- und PaaS-Dienste vertreibt. Über 8.000 IT-Experten und Vertreter von Technologiepartnern nahmen teil, darunter auch zahlreiche ISVs (Independent Software Vendors). Nur eine Community blieb weitgehend aus: Die klassischen Channel-Unternehmen, wie IT-Dienstleister, Systemintegratoren und Systemhäuser. Hier hat das Haus enormen Nachholbedarf, gerade auch in den hiesigen Breitengraden, und entsprechend war die Messe auch auf einen Ausbau des Partnerprogramms ausgerichtet.

Schwacher Channel

Auch wenn Amazons AWS-Sparte boomt - Experten sprechen von bis zu vier Milliarden Euro Umsatz alleine in diesem Jahr und einer sechsstelligen Kundenzahl - findet vieles hinter den Kulissen statt. Vor allem IT-Abteilungen schätzen die hohe Flexibilität und Skalierbarkeit und auch den günstigen Preis, die IaaS-Dienste der Marke AWS versprechen. Amazon gilt hier als Weltmarktführer.

Dazu kommen zahlreiche, oftmals auf Branchen zugeschnittene Services, die sich Kunden mieten können, vor allem im Umfeld PaaS. Amazon hat es zudem geschafft, sich ein Netzwerk mit namhaften Technologie-Partner aufzubauen. Die PaaS-Dienste umfassen Lösungen für Anwendungsentwicklung, die Bereitstellung von Datenbank-, Analytics-, und Virtuelle Desktops - allesamt Themen, die eher die IT-Entscheiderebene von Firmen betreffen und weniger die Business-Manager.

Wie es heißt, erzielt Amazon fast 90 Prozent seines AWS-Umsatzes in den USA, und so ergibt sich ein recht klares Bild vom Geschäft. Nämlich das eines vergleichsweise schwachen Channels, vor allem weltweit. Zwar boomt das Netzwerk der Technologie-Partnerschaften (mit rund 670 Anbietern), im Umfeld Beratungspartner sieht es aber recht dünn aus (lediglich rund 890 Häuser weltweit). Diese Zahlen stammen aus dem AWS-Partnerlokator, Amazon selbst spricht von knapp 2.000 Technologie- und 3.000 Consulting-Partnern weltweit.

Die besten Systemhäuser 2013 - Gesamt-Ranking Managed Services
Platz 3: Cancom
Einzelnoten:<br> o Angebot und Beratung im Vorfeld - Note: 2,38<br> o Projektverlauf - Note: 2,5 <br> o Termintreue - Note: 2,38<br> o Preis Leistung - Note: 2,44<br> o Betreuung im Nachfeld - Note: 2,31<br> o Gesamturteil - Note: 2,5 <br><br> <b> Endnote: 2,41</b>
Platz 2: Bechtle
Einzelnoten:<br> o Angebot und Beratung im Vorfeld - Note: 1,64 <br> o Projektverlauf - Note: 2,14 <br> o Termintreue - Note: 2,0 <br> o Preis Leistung - Note: 2,07<br> o Betreuung im Nachfeld - Note: 2,23<br> o Gesamturteil - Note: 2,14 <br><br> <b> Endnote: 2,03</b>
Platz 1: Allgeier
Einzelnoten:<br> o Angebot und Beratung im Vorfeld - Note: 1,18 <br> o Projektverlauf - Note: 1,36 <br> o Termintreue - Note: 1,27 <br> o Preis Leistung - Note: 1,36<br> o Betreuung im Nachfeld - Note: 1,3<br> o Gesamturteil - Note: 1,36 <br><br> <b> Endnote: 1,30</b>

Partner scheuen das offene Bekenntnis zu Amazon

Offiziell adressiert das Amazon Partner Network (APN) als Beratungspartner "professionelle Dienstleister, die Kunden beliebiger Größe beim Entwerfen, Gestalten, Migrieren oder Erstellen neuer Anwendungen für AWS unterstützen. Beratungspartner sind beispielsweise Systemintegratoren, Strategieberater, Vertriebspartner, Agenturen und Weiterverkäufer."
Wirft man auf einen Blick auf den deutschen Markt, finden sich gerade einmal 25 Unternehmen im APN, darunter einige Systemintegratoren und Consulting-Unternehmen.

Es ist nicht nur so, dass ihre Anzahl gering ist, auch die Marketing-Leidenschaft der Partner ist nicht gerade überschwänglich. Die meisten der deutschen Partner bekennen sich auf ihren Homepages kaum oder gar nicht zur Partnerschaft mit Amazon. Im Gegensatz dazu weisen Partner des Wettbewerbers Microsoft explizit auf dessen Cloud-Angebote rund um "Windows Azure" hin.

AWS kämpft im Channel mit Image-Problemen

Dass deutsche Partner dazu neigen, ihre Zusammenarbeit mit Amazon tendenziell nicht an die große Glocke zu hängen, auch wenn es hierzulande einige Kunden von Rang gibt, beispielsweise die Hotelkette Kempinski oder der Flughafen Nürnberg, hängt sicherlich mit mehreren Faktoren zusammen. Einerseits ist da das angeknackste Image: Das hat immer wieder gelitten, zuletzt, als die Arbeitsbedingungen in den Auslieferungslagern des Online-Händlers bekannt wurden.

Ein weiterer Punkt ist, dass viele deutsche Business-Entscheider dem US-Konzern, der sehr offen die Public Cloud mit verteilten Servern propagiert, nicht recht trauen wollen, auch wenn es dazu aus sichertechnischen Apsekten bislang kaum Veranlassung gab. Und das dritte Image-Problem, mit dem Amazon zu kämpfen hat, ist sicherlich die Tatsache, dass das Haus immer stärker auf eine "Anti-Private-Cloud"-Kampagne setzt. Die Private Cloud jedoch, hat im deutschen Markt hohes Ansehen, wie CP-Leser zu berichten wissen.

Was alle Rollen eint
Die Hauptaufgabe der Partner wird im Cloud-Geschäft sein, Kunden strategisch zu beraten, die künftigen Prozesse zu definieren und bei der Auswahl passender Cloud-Dienste zu unterstützen. Wo beispielsweise könnten sich für den Anwender Standardapplikationen lohnen? Wo zusätzliche Ressourcen aus der Cloud bezogen werden? Was sollte der Kunde auf keinen Fall auslagern?
Cloud Consultant
System- und Beratungshäuser müssen dazu Cloud-spezifisches Technologie-Know-how aufbauen, Demo-Kapazitäten bereitstellen und gegebenenfalls eigene Betriebsumgebungen aufbauen.
Cloud-ISV (Independent Software Vendor)
Bietet seine Applikationen als Web-basierte Services an (SaaS). Vermarkten lassen sich die Anwendungen auch über B2B-Marktplätze (Appstores), die zunehmend von Herstellern, beispielsweise von IBM, Fujitsu, HP, SAP, aber auch seit kurzem von der Telekom angeboten werden.
Cloud-Dienstleister
Anbieter von Dienstleistungen rund um die Cloud, mit Schwerpunkt auf Orchestrierung und Integrierung von Cloud-Leistungen für und beim Kunden. Hier geht es darum, den Mix aus traditionellen On-Premise-Applikationen (betrifft vor allem ERP-Software) mit Cloud-basierten Services und Applikationen zu verknüpfen und dafür ein einheitliches Management zu schaffen.
Cloud Provider
Anbieter oder Hoster von Platform as a Services (PaaS). PaaS umfasst zusätzlich zur Infrastruktur auch Entwicklungsumgebungen, Vereinbarungen über die Laufzeiten, Monitoring, Skalierung, Service Level Agreements (SLA), Abrechnungssysteme, etc.
Cloud Builder
Partner, die Kunden dabei unterstützen, Rechenzentren und Applikationen so umzurüsten, dass sie Cloud-fähig werden

So kommt es, dass deutsche AWS-Partner mit einigen belastenden "Pfunden" auf Vertriebstour gehen. Den Technologie-Experten unter den Kunden wird das egal sein, den Business-Entscheidern vermutlich weniger. Doch wenn Amazon jetzt erklärtermaßen stärker in die Firmen-IT drängen und zunehmend auch größere Unternehmen an Land ziehen möchte, führt am Channel kein Weg vorbei.

Amazon kündigte deshalb in Las Vegas an, die Anzahl der Vertriebspartner erhöhen zu wollen. Außerdem wurden neue Kompetenzen im APN angekündigt: für Microsoft Exchange sowie für SAP- und Oracle Anwendungen im Rahmen von AWS. Erweitern will AWS zudem die vertriebsunterstützenden Maßnahmen für Partner, beispielsweise bei der Leadweitergabe und der Ausbildung.

PRISM und die Cloud
Wir haben deutsche Service Provider gefragt, inwiefern sie damit rechnen, dass Unternehmen in Deutschland der Nutzung von Cloud-Diensten künftig noch zurückhaltender begegnen.
Dr. Clemens Plieth, Geschäftsführer und Director Service-Delivery bei Pironet NDH:
„Die aktuellen Enthüllungen könnten sicherlich einen Vertrauensverlust der Anwender nach sich ziehen. Dennoch denken wir, dass die Anwender differenzieren: Werden die Daten über gesicherte Anbindungen eines auf B2B-Kunden spezialisierten Providers übertragen, ist dies bei Weitem sicherer als beispielsweise eine Datenübermittlung über das öffentliche Netz an andere Firmenstandorte oder Kunden.“
Thomas Wittbecker, geschäftsführender Gesellschafter der ADACOR Hosting GmbH:
„Wenn ein amerikanisches Unternehmen verpflichtet ist, Daten an die NSA zu liefern, ist es unerheblich, ob eine klassische oder Cloud-Infrastruktur genutzt wird. Da anscheinend der gesamte Internet-Traffic an den Knotenpunkten mitgeschnitten wird, ist es sogar egal, ob man die Infrastruktur selber im eigenen Rechenzentrum betreibt oder sie ausgelagert hat. Unverschlüsselte Kommunikation wird abgefangen. “
Petra-Maria Grohs, Vice President Sales & Marketing bei ProfitBricks GmbH:
„Wir erwarten, dass Unternehmen aus Deutschland künftig noch genauer darauf schauen, ob Cloud Provider mit Ihren Angeboten nachweisbar die deutschen Datenschutzgesetze einhalten. Das ist immer garantiert der Fall, wenn das physikalische Hosting in einem deutschen, zertifizierten Rechenzentrum stattfindet und der Betreiber eine deutsche Firma ist. Initiativen wie Internet made in Germany oder Cloud Services made in Germany weisen in die richtige Richtung.“
Murat Ekinci, Executive Vice President Operations, Freudenberg IT:
„Mit Sicherheit werden Unternehmen in der nächsten Zeit gezielter danach fragen, wie sie ihre Daten vor unbefugten Zugriffen auch durch Behörden oder Geheimdienste abschotten können. Somit ist bei Cloud Computing-Projekten noch mehr Aufklärungsarbeit zu leisten, gerade bei mittelständischen Fertigungsbetrieben, die um den Schutz ihrer Daten besorgt sind.“
Joachim Opper, Leiter Cloud-Services, Concat AG:
„Kunden und Interessenten hören so aufmerksam zu, wie noch nie, weil der Bedarf an sicheren Cloud-Lösungen da ist. Mit seinem starken Datenschutzgesetz hat Deutschland jetzt die Chance, für sichere Cloud-Lösungen eine Rolle einzunehmen, wie die Schweiz sie einst für Banken hatte.“
Donald Badoux, Managing Director Savvis Germany:
„Erfahrene IT-Manager in den Unternehmen haben schon immer die richtigen Fragen gestellt. Sie haben die jetzige Diskussion nicht gebraucht, um für Compliance- und Security-Themen sensibilisiert zu werden.“

Echtes Bekenntnis zum Channel fehlt

Doch was fehlt, ist ein echtes Bekennen zum indirekten Geschäft, inklusive der Berufung eines regional starken Channel-Teams, vergleichbar mit einem Schritt, den Dell und EMC hierzulande vor einigen Jahren beim Aufbau dieses Vertriebskanals machten. Davon war in Las Vegas nichts zu erkennen. Ohne eine konkrete, ernst gemeinte Channel-Strategie für den deutschen beziehungsweise den europäischen Markt wird es der AWS-Sparte kaum gelingen, hübsch klingende Marketing-Schlagworte wie "Lead-Weitergabe" in die Tat umzusetzen. Auch das Image lässt sich damit nicht aufpolieren. Das wäre aber nötig, um das eigene Angebote auch Business-Entscheidern hierzulande schmackhafter zu machen.

Ohne eine regionale Channel-"Story" und eine entsprechende Glaubwürdigkeit wird sich Amazon AWS hierzulande also schwer tun, die Unternehmens-IT im größeren Stil als bislang zu erobern. Eine Partnerlandschaft, die die Verbindung mit Amazon auf der eigenen Homepage eher verschweigt, ist jedenfalls eine ungünstige Ausgangsposition. (rb)