Im E-Commerce stehen den erwarteten Umsatzzuwächsen bei niedrigeren Vertriebskosten nun mal die Investitions- und Betriebskosten gegenüber. Keiner dieser Faktoren ist ad-hoc realistisch schätzbar, da die Kostenstrukturen äußerst komplex sein können. Das gute alte Bauchgefühl ist daher auch kein verlässlicher Partner. Was sind also die größten Kostentreiber, wo liefert der E-Commerce den größten Return und wie lässt sich ein Total-Cost-of-Ownership berechnen?
Kosten
Das Set-Up
Die Einführung und produktive Nutzung eines E-Commerce-Systems gelingt nur durch den kritischen Austausch zwischen Vertrieb, Marketing und IT. Die Herstellung eines grundsätzlichen Verständnisses, die Formulierung einer E-Commerce-Strategie, die Identifikation der richtigen Projekttreiber und -partner sowie die Bereitstellung eines neuen Budgets kostet aber Zeit und damit Geld. Mindestens ein Mitarbeiter aus jedem betroffenen Geschäftsbereich wird im Vorfeld mehrere Personentage gebunden sein. Und all das noch vor der eigentlichen Projektdefinition. Kein Wunder, dass viele den Aufwand scheuen oder nicht über dieses Stadium hinauskommen.
Projekt- und Betriebskosten
Hier sind zuerst die einmaligen Kosten zu nennen wie:
- Lizenzen
- Beratung
- Projektmanagement
- Konzeption
- Entwicklung inklusive Customizing von Backend und Frontend
- Schnittstellendefinition und Integration
- Contententwicklung (Texte, Grafiken, Produktbilder)
- Installation und weitere Aufwände für Tests und Change Requests.
Hinzu kommen die Dokumentation, die Vermarktung und als fester Posten mindestens im ersten Jahr der Support durch den Entwicklungspartner. Mindestens 2-5 Prozent des Aufwands sollten daher für das Projektcontrolling eingeplant sein, um Kostenfallen entgegenzusteuern. Die Höhe der Kosten ist direkt abhängig von der Komplexität des Projekts und der Fähigkeit der Software und des Dienstleisters auf diese Komplexität reagieren können. Die Evaluation des richtigen Systems und der richtigen Partner ist für einen schnellen Time-to-Market und einen schnellen Return on Invest also besonders wichtig.
Laut einer Umfrage des ECC Köln sind daher auch Funktionalität, Anpassbarkeit und Preis - in dieser Reihenfolge - die wichtigsten Gründe für die Auswahl eines Shopsystems. Wie auch bei der Entwicklung und Einführung einer Onlinebestellplattform entscheiden die drei Faktoren Modularität der Software, Lizenzgebühren und Erfahrung der Projektpartner im Besonderen über die Höhe der Betriebskosten.
Bei der Einführung einer leistungsfähigen B2B-E-Commerce-Plattform sollten daher im ersten Jahr mit Investitionskosten im 6-stelligen Bereich gerechnet werden. Danach sinken die Ausgaben drastisch und zu Hostinggebühren, dem Support und den Lizenzgebühren müssen zwingend lediglich Ausgaben für Vermarktung und eventuelle SEO-Anpassungen hinzugerechnet werden, will man erfolgreich sein.
Einfachere Plattformen zum reinen Abverkauf schnelldrehender Güter sind günstiger zu haben.
Erlöse
Bessere Kostenrelation
Eine E-Commerce-Plattform kann im Gegensatz zum klassischen Vertrieb nahezu beliebig skalieren. Wenn der Vertriebsmitarbeiter – abhängig von Portfolio und Vertriebsstruktur – am Tag vielleicht zwanzig Bestellungen bearbeiten kann, sind der Plattform prinzipiell keine Grenzen gesetzt. Möchte ein Unternehmen den Vertrieb mit klassischen Methoden ausdehnen, ist dies also nur in kleinen Intervallen mit hohen Personalkosten und eventuellen Provisionen möglich – bei geringer Produktivität in den ersten Monaten. Das Verhältnis zwischen Vertriebskosten und Umsatzerlösen kann sich nur innerhalbe eines engen Rahmens positiv entwickeln. Nicht umsonst sind Personalkosten der größte Posten im Vertrieb. Bei einer E-Commerce-Plattform steigt die Marge mit jeder einzelnen Bestellung.
Vertriebsunterstützung und -optimierung
Der Vertrieb kann die E-Commerce-Plattform in den unterschiedlichsten Szenarien zur Vertriebsunterstützung einsetzen. Etwa, um im Außendienst das gesamte Produktportfolio darstellen zu können – detaillierter als es mit jedem Katalog möglich wäre und ohne Druckkosten. Im Innendienst steigt die Effizienz der Kundengesprächen: Bestellzeiten werden durch einfachere Absprachen und Co-Browsing reduziert, Chancen für Up- und Crosssell steigen.
Kundenbindung und -wert
Im Gegensatz zum klassischen Vertrieb, werden Kunden einer B2B Online-Plattform kaum zusammen mit einem Vertriebsmitarbeiter abwandern. Der Kunde bindet sich vielleicht nicht ganz so stark wie im persönlichen Kontakt, dafür besteht die Bindung zwischen Kunde und Unternehmen. Im Durchschnitt steigt damit die Customer Lifetime Value.
Versand und Retouren
Nach der Studie „Retourenmanagement im Onlinehandel“ von ibi Research fallen durchschnittlich 20 Euro pro B2C-Retoure an. Diese Kosten entstehen in einem meist recht automatisierten Prozessumfeld. Eine gänzlich manuelle Bearbeitung von Retouren, die auch im B2B-Versand durchaus vorkommen, ist dagegen noch wesentlich kostspieliger. Self-Service-Funktionen der Plattform können hier bereits die Retourenkosten senken. Wesentlich wichtiger ist, dass sich die Retourenquote sowie die Supportanfragen dank einer übersichtlichen, kundenorientierten Produkt- und Servicekommunikation signifikant senken lassen. In manchen Fällen liegen sie um 80 Prozent niedriger als im regulären B2B Versandhandel.
Produktentwicklung und Vermarktung
Eine B2B E-Commerce-Plattform kann auch wichtige Einblicke in die Bedürfnisse von Zielgruppen bieten. Einmal durch das Tracking des Nutzerverhaltens auf den Seiten der Plattform (Themenrelevanz, gängige Suchbegriffe etc.), zum anderen durch Kommunikations- und Feedbackangebote (Social Media, Umfragen, Bewertungen) an die Kunden, die so ihre Meinung zu Produkten und Leistungen mitteilen können. Diese Informationen bilden eine wertvolle Basis für die Weiterentwicklung des Portfolios und der Vermarktungsmöglichkeiten.
Fazit
Betrachtet man Kosten und Erlöse realistisch, stehen den für ein komplexes Softwareprojekt gängigen Investitionskosten ab dem zweiten Jahr positive Kosteneffekte gegenüber. Bei einer zielführenden E-Commerce-Strategie kann so ein schneller Return on Invest erreicht werden. Für den Total-Cost-of-Ownership gilt es, neben dem Vertrieb auch die Vorteile für andere Geschäftsbereiche – und die Budgets von Marketing und Entwicklung – in Betracht zu ziehen. (bw)