Bei der Beendigung eines Handelsvertretervertrags stellt sich immer wieder die Frage nach dem Bestehen eines Ausgleichsanspruchs und wie und wo die Sache geltend gemacht werden kann. Einen besonderen Fall in dieser Hinsicht hatte unlängst das OLG Oldenburg (Urteil vom 25.2.2014, Az. 13 U 86/13) zu entscheiden.
Internationale Tätigkeit
Der Fall: Ein Handelsvertreter war in Deutschland ansässig, hatte aber seine Vertretertätigkeit vorwiegend in verschiedenen osteuropäischen Staaten zu erbringen. Dabei erhielt er bis zum Vertragsende als Provisionsvorauszahlungen bezeichnete Fixzahlungen. Nach der Kündigung durch den Unternehmer machte der Vertreter den Ausgleichsanspruch geltend.
Zunächst stellte sich die Frage nach der gerichtlichen Zuständigkeit. Laut Artikel 5 Nr. 1b EuGVVO (Verordnung (EG) Nr. 44/2001) ist bei in mehreren Mitgliedstaaten erbrachten Dienstleistungen für die Entscheidung über alle Klagen aus dem Vertrag das Gericht zuständig, an dessen Sitz sich der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung befindet. Bei einem Handelsvertretervertrag wäre das der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung durch den Handelsvertreter, wie er sich aus den Bestimmungen des Vertrags oder, wenn es solche Bestimmungen nicht gibt, aus dessen tatsächlicher Erfüllung ergibt.
In vorliegendem Fall war problematisch, dass sich ein solcher Ort nicht ermitteln ließ. Der Handelsvertreter war in wenigstens sieben Ländern tätig, ohne dass bestimmt hätte werden können, wo er vorwiegend seine Vermittlungsleistungen erbracht hat. Wenn der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung nicht ermittelt werden kann, weil es mehrere Leistungsorte oder keinen bestimmten Leistungsort gibt, "ist hilfsweise der Ort heranzuziehen, an dem er seine Tätigkeiten zur Erfüllung des Vertrages hauptsächlich überwiegend vorgenommen hat." (vgl. EuGH, NJW 2007, 1799).
Vorhersehbarkeit und räumliche Nähe
Ist auch so der Ort nicht zu ermitteln, kommt es auf die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele der Vorhersehbarkeit und der räumlichen Nähe an. Daher wird bei der Anwendung der EuGVVO als Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung durch einen Handelsvertreter der Ort anzusehen sein, an dem er seinen Wohnsitz hat. Dieser kann mit Sicherheit ermittelt werden, ist also vorhersehbar. Außerdem weist er eine räumliche Nähe zum Rechtsstreit auf, da der Vertreter dort aller Wahrscheinlichkeit nach einen nicht unerheblichen Teil seiner Dienstleistungen erbringen wird.
Weiter setzt die Zuständigkeitsregelung der EuGVVO voraus, dass es sich um einen vertraglichen Anspruch handelt. Das ist nach Ansicht des OLG Oldenburg unproblematisch gegeben. Der Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB ist ein vertraglicher Vergütungsanspruch für die vom Handelsvertreter bereits erbrachte Leistung, die dem Handelsvertreter die restliche, durch Provisionszahlungen bis zum Vertragsende noch nicht abgegoltene Gegenleistung für einen aus seiner Vermittlungstätigkeit beruhenden Vorteil verschaffen soll, der in der Schaffung des Kundenstamms besteht. Dass dieser Anspruch gesetzlich zwingend, also nicht abdingbar ist, ändert nichts daran, dass es sich dem Grunde nach um einen vertraglichen Anspruch handelt.
Information über Unternehmervorteile
Da der Ausgleichsanspruch in aller Regel eine hinreichende Information über die zugrunde liegenden Unternehmervorteile voraussetzt, kann auch der dazu bestehende Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs nach § 87c Abs. 2 HGB vor demselben Gericht geltend gemacht werden. Das muss also nicht am Sitz des Unternehmens sein. Der Handelsvertreter kann auch hier am Gericht seines Wohnsitzes klagen.
Ob der Handelsvertreter einen Anspruch auf Buchauszug auch dann hat, wenn er immer eine fixe Provision erhalten hat, ist im Einzelfall zu prüfen. Hier sollte rechtlicher Rat eingeholt werden, um eine unnötige Klagabweisung zu vermeiden.
Denkbar ist aber immer, dass dem Handelsvertreter ein Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben gegen den Unternehmer zusteht, wenn er einen Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB geltend machen will und in entschuldbarer Weise über die Entstehung und den Umfang seines Anspruchs im Ungewissen ist.
Keine Abrechnung vermittelter Geschäfte
Das kann der Fall sein, wenn über die vom Handelsvertreter vermittelten Geschäfte durch den Unternehmer nicht abgerechnet wurde. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass der Handelsvertreter keine konkreten Kenntnisse darüber hat, welche Geschäfte mit welchen Kunden aufgrund seiner Vermittlungstätigkeit zustande gekommen sind und welche Umsätze der Unternehmer insoweit getätigt hat. Damit dürfte der Handelsvertreter zumindest Auskunft über die genannten Umstände verlangen können, weil er andernfalls keine Angaben zu den nach § 89b Abs. 1, Satz 1, Nr. 1 HGB maßgeblichen Unternehmervorteilen machen könnte. Die Auskunft muss zumindest die letzten drei Vertragsjahre erfassen.
Im Einzelfall sollte hier wegen der besonderen, durch die Rechtsprechung geprägten Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs rechtlicher Rat eingeholt werden.
Kontakt und Infos: Alexander Rilling ist Rechtsanwalt und Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. (www.mittelstands-anwaelte.de).
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