Während Compunet verkauft wird, schlägt Verfolger Bechtle wieder zu und verkürzt den Abstand

03.04.2003
Die Vision ist da: Bechtle will die Nummer eins im deutschen Systemhausmarkt werden. Noch liegt Konkurrent Compunet vorne, doch der Abstand wird immer geringer. Mit der Übernahme der PSB AG will Bechtle an der Umsatzmilliarde kratzen.

Als Bechtle-Vorstand Gerhard Schick vorige Woche auf der Bilanzpressekonferenz seines Unternehmens danach gefragt wurde, wie die ersten drei Monate des neuen Geschäftsjahres verlaufen seien, antwortete er: "Wir sind nicht unzufrieden." Bei derselben Veranstaltung sagte Karl-Heinz Gosmann, Vorstandschef des Sys-temhauses PSB Ober-Mörlen, auf dieselbe Frage: "Wir sind auch nicht unzufrieden." Und dann freuten sich die beiden Unternehmenschefs, die bislang noch Konkurrenten waren, aber jetzt nicht mehr. Denn, wie sich inzwischen herumgesprochen haben dürfte, die Bechtle AG hat die Mehrheit an der PSB AG übernommen und strebt die 100-prozentige Kontrolle über das Unternehmen an (siehe Kasten).

Die Anwesenheit des PSB-Vorsitzenden auf der Bechtle-Veranstaltung sollte unterstreichen, dass es sich bei der Übernahme um keinen feindlichen Akt handle. "Es ist ein freundliche Übernahme", sagte Schick.

Beide Firmenchefs betonten denn auch wortreich, wie gut sich die beiden Unternehmen inhaltlich und regional ergänzten und welch positive Effekte von die-sem Zusammenschluss ausgingen. "PSB ist ein solides Unternehmen, das passgenau eine Ergänzung unseres Geschäftsfeldes darstellt", freute sich der Bechtle-Chef. Während Bechtle seine Wurzeln eher im PC-Geschäft hat, kommt PSB aus der so genannten Mittleren Datentechnik und ist noch immer stark im AS/400- bzw. RS/6000-Umfeld und im HP-9000-Umfeld tätig. Darüber hinaus hat PSB durch die Tochter CS&W eine bundesweit operierende Servicegesellschaft.

Eine schöne Ergänzung findet Schick auch die PSB-Tochter Tomtech, einen ehemaligen Distributor im Zubehörumfeld, der jetzt als IT-Versandhaus auftritt. Was die Standorte betrifft, so gibt es lediglich eine Überschneidung in Hamburg. Gut auch, dass beide Firmen dezentral geführt werden, weshalb Schick nicht mit größeren negativen Überraschungen beim Thema "unterschiedliche Unternehmenskulturen" rechnet.

Ungeklärte Vorstandsfrage

PSB-Chef Gosmann sagte: "Wir freuen uns darauf, mit Bechtle zusammenzuarbeiten und uns andere Feindbilder im Markt zu suchen." Diese Freude wird bei dem PSB-Chef mit einer Unsicherheit in Bezug auf die eigene Zukunft vermischt sein. Denn welche Rolle Gosmann im Bechtle-Konzern spielen wird, steht derzeit noch nicht fest. Auf die entsprechende Frage bei der Bilanzpressekonferenz sagten die Herren lediglich, dass Personalfragen derzeit nicht im Vordergrund stünden. Also keine klare Aussage, dass Gosmann in den Bechtle-Vorstand wechselt.

Dabei könnte Bechtle tüchtige Verstärkung gut gebrauchen. Denn nach dem Ausscheiden von E-Commerce-Vorstand Jürgen Renz Ende vergangenen Jahres ist hier durchaus eine Vakanz vorhanden. Darüber hinaus musste der für das Systemhausgeschäft verantwortliche Vorstand Rainer Eggensperger - er kam vor zweieinhalb Jahren von Bosch - große Teile seiner Verantwortung an COO Ralf Klenk abtreten. Mit anderen Worten: Die Hauptlast für das in Zukunft fast 3.000 Mitarbeiter zählende Unternehmen mit zahlreichen Niederlassungen auch im Ausland liegt auf den Schultern von zwei Männern. Zwar federt die dezentrale Struktur mit verantwortlichen Geschäftsführern in den Regionen einiges ab, aber trotzdem stellt sich die Frage, wie lange man das aushalten kann. Doch klar ist auch: Auch wenn PSB eine gute Verstärkung für Bechtle darstellt, muss das nicht zwangsläufig auch für den Vorstandschef gelten.

Kein organisches Wachstum im Systemhausbereich

Zurück zu den Zahlen: Für das laufende Jahr rechnet PSB-Chef Gosmann mit einer Umsatzsteigerung auf 180 Millionen Euro. Bechtle-Vorstand-Schick lehnte zwar eine konkrete Umsatzprognose ab, sagte aber: "Wir werden alles tun, um die Milliarde zu packen." Den Umsatzbeitrag von PSB hat er in diese Zielmarke bereits eingepflegt. Das heißt, dass Bechtle von einem organischen Wachstum um etwa 70 Millionen Euro ausgeht. Im vergangenen Jahr stammte der Umsatzzuwachs des schwäbischen Unternehmen vor allem aus dem E-Commerce-Bereich "Bechtle-direkt". Die Erlöse nahmen hier um 23 Prozent auf 194 Millionen Eu-ro zu. Im Systemhausgeschäft wuchs Bechtle nur durch Akqui-sitionen, organisches Wachstum gab es laut den Angaben von Schick in diesem Geschäftssegment nicht.

Die Übernahme von PSB ist die bisher größte Akquisition von Bechtle. Weitere Aktivitäten in dieser Richtung sind für dieses Jahr nicht geplant. "Im Moment brauchen wir über dieses Thema nicht nachzudenken", sagte Schick.

Compunet ist wieder der Gegner

Auf der Bilanzpressekonferenz teilte der Bechtle-Chef überdies mit, dass die im vergangenen Jahr mit Compunet eingegangene Kooperation in den Bereichen E-Commerce (Bechtle-direkt) und Assemblierung sowie Ersatzteileversorgung zur Jahresmitte auslaufen werden. "Unsere Wege werden sich wieder trennen", sagte er.

Der Grund für diese Entscheidung ist die zwischenzeitliche Übernahme von Compunet durch die britische Computacenter. Damit wird Compunet für Bechtle wieder der Gegner, der er vor der Kooperation war. Und der Abstand zwischen den Unternehmen wird geringer.

Gerüchte, denen zufolge Bechtle an der Übernahme eines Tecdax-Unternehmens interessiert sei - namentlich ist hier von IDS Scheer die Rede -, erteilte der Vorstand postwendend eine Absage.

www.bechtle.com

www.psb.de

ComputerPartner-Meinung

Bechtle ist ein Phänomen: Seit acht Jahren expandiert das schwäbische Systemhaus in einem Tempo, dass einem schwindlig werden kann. Es spricht für das Management, dass das Unternehmen trotz dieser hohen Geschwindigkeit nicht aus der Kurve geschleudert wurde oder an einem Baum zerschellte, wie es zum Beispiel M+S erging. Jetzt steht die nächste Herausforderung an: die Integration der PSB AG. Zweifellos ebenfalls ein hervorragendes Unternehmen, das die selbst verursachten Probleme im Anschluss an den Börsengang aufgrund von schlecht geplanten und durchgeführten Firmenakquisitionen inzwischen gelöst hat. Ein Verdienst im Wesentlichen des Vorstandschefs Gosmann. (sic)

Bechtle übernimmt PSB

Die Fakten

Die Bechtle AG hat sich mit 60,18 Prozent an dem ebenfalls börsennotierten Sys-temhaus PSB AG in Ober-Mörlen beteiligt und strebt an, das Unternehmen zu 100 Prozent zu übernehmen. Dazu macht Bechtle den Aktionären ein Angebot von 6,40 Euro pro Aktie. Ihre Anteile verkauft haben unter anderem PSB-Gründer Ulrich Niedner (bisher 40 Prozent) sowie Vorstandschef Karl-Heinz Gosmann (9 Prozent). Bechtle bezahlt den Kaufpreis von 24 Millionen Euro komplett aus Eigenmitteln, die sich nach Angaben von Schick auf 48 Millionen Euro belaufen.

Bechtle ist die aktuelle Nummer zwei im deutschen Systemhausmarkt und PSB die Nummer zehn. PSB hat im vergangenen Jahr mit 488 Mitarbeitern einen Umsatz von 150 Millionen Euro und einen Gewinn (Ebit) von drei Millionen Euro erzielt. Bechtle setzte im vergangenen Jahr 751,7 Millionen Euro um und erzielte einen Gewinn(Ebit) von 18,4 Millionen Euro. (sic)