Lars Landwehrkamp, All for One Steeb AG

Wachstumsschub aus den Fachbereichen

29.09.2017 von Ronald Wiltscheck
Im Interview mit ChannelPartner äußert sich All for One Steeb-Chef Lars Landwehrkamp zur aktuellen Geschäftsentwicklung des SAP-Systemhauses sowie zu Trends wie Big Data, Digitalisierung und Managed Services.
 
  • IoT und Big Data bei All for One Steeb
  • Bedeutung der "Lines of Business"
  • Cloud-Orchestrierung
  • SAP HANA und die Kunden
  • die neue Rolle der IT-Leiter

Auch im laufenden Geschäftsjahr (bis Ende September 2017) wird die All for One Steeb AG wieder zweistellig zulegen. Und mit einer EBIT-Marge von knapp sieben Prozent sucht Deutschlands größtes SAP-Systemhaus seinesgleichen. ChannelPartner sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden Lars Landwehrkamp über diese erfreuliche Geschäftsentwicklung und befragte ihn zu künftigen Geschäftsmodellen von Systemhäusern sowie zu den kommenden Trends wie Digitalisierung, IoT und Big Data.

Herr Landwehrkamp, Ihre gerade vorgelegten Zahlen lassen sich durchaus sehen, zwölf Prozent mehr Umsatz, zwei Prozent mehr Gewinn und fast 14 Prozent mehr Mitarbeiter. Welchen Quellen trugen zum diesem Wachstum am meisten bei?

Lars Landwehrkamp, Vorstandsvorsitzender der All for One Steeb AG: Vor allem das SAP S/4 HANA-Geschäft. Das ist ein großer Wachstumstreiber. Viele SAP-Systemhäuser sind mit R/3 mitgewachsen und nun gibt es eben die neue Generation der Software mit komplett neuer Technologie und einer eigenen Datenbank. Das schauen sich natürlich alle SAP-Kunden an, weil ihnen klar ist, dass sie in den nächsten zehn Jahren auf die neue Technologie umsteigen müssen.

Manche haben mit dem Umstieg schon begonnen, etwa in dem sie schon seit Jahren auf die neue Datenbank setzen. Erste Komplett-Migrationsprojekte sind ebenfalls schon angelaufen. Und Neukunden nutzen ohnehin nur noch das neue SAP-Produkt.

Ein weiterer Wachstumsschub kommt derzeit aus den Fachbereichen unserer Kunden, etwa aus den Vertriebs- und Personalabteilungen, die verstärkt Cloud-basierte CRM- und HR-Lösungen nachfragen. Dort wird keine On-Premises-Software mehr eingesetzt. Diese Entwicklung hat vor etwa zwei Jahren eingesetzt und ist nun abgeschlossen.

Lars Landwehrkamp, Vorstandsvorsitzender der All for One Steeb AG: "Das SAP S/4HANA-Geschäft ist ein großer Wachstumstreiber."
Foto: All for One Steeb

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Wie kam dieser Gesinnungswandel so schnell zustande?

Lars Landwehrkamp, All for One Steeb:Wenn zum Beispiel ein neuer - meist jüngerer - Personalleiter beim Kunden an Bord geht, dann setzt er auf die Cloud-basierte HR-Software mit ihren modernen Personalprozessen. Dieser neue Typus vom Personalleiter definiert sich nicht mehr über die reinen Abrechnungsmodalitäten; seine Ziele lauten, hochqualifiziertes Personal für sein Unternehmen zu gewinnen und Fachkräfte langfristig an sich zu binden.

Und hier ist die Cloud-Lösung der On-Premises-Software haushoch überlegen: Deren Betrieb ist günstiger, sie kann viel rascher an geänderte Anforderungen angepasst werden, sie ist einfach moderner, innovativer und agiler. Das gilt übrigens nicht nur für die Personalprozesse, sondern auch für die Marketing-Tools und Vertriebssteuerung. IT wird immer mehr zu Commodity - man muss sie nicht im eigenen Hause betreiben.

Heißt das, dass sie immer seltener IT-Leiter und CIOs in den Unternehmen ansprechen müssen, um neue IT-Projekte ans Land zu ziehen, und stattdessen immer öfter mit den Fachbereichsleitern verhandeln?

Landwehrkamp, All for One Steeb: Was das reine ERP-System betrifft, also zum Beispiel SAP S/4 HANA, da ist der IT-Leiter nach wie vor unser erster Ansprechpartner. Da geht's um die IT-Infrastruktur in den Unternehmen, um die Geschäftsprozesse, dort liegt die IT-Anschaffung ganz klar in der Hoheit der IT-Abteilung.

Aber sobald es um fachspezifischen Anwendungen geht, da sind die Fachbereichsleiter unsere ersten Ansprechpartner. Diese IT-Projekte sind oft auch gar nicht durch das IT-Budget der Unternehmen gedeckt, da geht es "nur" um die monatliche Miete für die Nutzung eines Cloud-Services - das sind dann reine Betriebskosten.

Da holt sich beispielsweise der Personalleiter einfach eine neue Software zum Recruitment von neuen Mitarbeitern - dazu braucht er den IT-Leiter nicht. Der kommt erst ins Spiel, wenn die neue Lösung in die IT-Infrastruktur des Unternehmens integriert werden soll. Deswegen müssen wir hier bei der Akquise die Fachbereiche direkt adressieren.

Die Verantwortlichen der "Lines of Business" (LoB) recherchieren vorab sehr intensiv im Internet und sind erstaunlich gut informiert. Es gibt Untersuchungen im Markt, die besagen, dass 70 Prozent der Kaufentscheidungen vor dem ersten Gespräch mit dem Anbieter bereits gefallen sind. Nach unseren Erfahrungen haben die Fachbereichsleiter vor dem Gespräch mit uns zumindest eine Vorauswahl getroffen, so dass sie sich nur noch zwischen zwei bis drei Lösungen und Service Providern entscheiden müssen.

Und diese "Lines of Business" adressieren wir über unsere Tochtergesellschaften, etwa Avantum für das Thema Business Intelligence, KWP zum Marktsegment Personalmanagement oder B4B Solutions für Vertrieb und Marketing. Denn der Kern unseres Unternehmens steht für das Thema "ERP" und hier sind unsere bevorzugten Ansprechpartner eben nach wie vor die IT-Leiter. SAP macht es übrigens genauso: Mit der Tochter SuccessFactors spricht der Konzern das Personalmanagement an, mit hybris die E-Commerce- und Marketing-Verantwortlichen.

Die neue Rolle der CIOs

Wenn Sie nun verstärkt die Lines of Business angehen, ist das eine Folge der schwindenden Macht und Entscheidungshoheit der IT-Leiter?

Landwehrkamp: Nein, im Gegenteil: Gut aufgestellten IT-Leitern bietet sich nun eine tolle Chance, in die Geschäftsleitung aufzusteigen. Nie war die IT wichtiger als heute, denn ohne die IT gibt es keine Digitale Transformation, keine Big Data-Strategie und so weiter. Die Technologie darunter ist entscheidend.Nur stammen noch viele IT-Leiter aus der Hardware-Ecke und verharren dort ängstlich. Sie tun sich mit der Digitalisierung aktuell schwer und bekommen daher oft einen Chief Digital Officer vorgesetzt, der dann auch die IT verantwortet. Diese IT-Leiter gehören zu den Verlierern.Andere wiederum, die sich ständig mit den Geschäftsprozessen des eigenen Unternehmens beschäftigen und diese Prozesse auch digitalisieren helfen, das sind die Gewinner der aktuellen Transformation. Diese IT-Leiter rücken mitunter sogar in die Geschäftsleitung auf.

Und wie reagiert die All for One Steeb AG auf diese Entwicklung?

Landwehrkamp: Auch wir tragen dem Umstand Rechnung, dass die Fachbereiche immer öfter die Entscheidungen über IT-Beschaffung treffen. Außerdem unterliegen auch viele Anwenderunternehmen einem sehr starken Druck, sich fundamental ändern zu müssen. Ihre Geschäftsprozesse stehen auf dem Prüfstand, weil ihre Wettbewerber die Kundenbedürfnisse oft besser kennen und ihnen immer öfter nicht nur ein Produkt, sondern einen Komplett-Service verkaufen.

Ein Systemhaus muss das neue Geschäftsmodell des Kunden verinnerlicht haben, um es mit der IT zu unterstützen. Vor dieser Herausforderung stehen aktuell auch viele SAP-Systemhäuser. Bis dato haben sie nur ein Produkt, beispielsweise R/3, verkauft - mit einigen Services obendrauf. Diese Zeiten sind längst vorbei. Heute muss ein Systemhaus nicht nur alle Fragen seines Kunden beantworten, sondern auch mit ihm gemeinsam zukunftsfähige vielversprechende neue Geschäftsmodelle entwickeln.

Und was genau bedeutet das konkret für Sie?

Landwehrkamp: Wir haben beispielsweise im April 2017 eine eigene Management-Beratung gegründet. Unsere Tochtergesellschaft Allfoye beschäftigt sich relativ wenig mit der Technologie und deren Umsetzung, sondern entwickelt stattdessen gemeinsam mit den Entscheidern des Kunden neuen Geschäftsmodelle und setzt diese dann auch um. Das ist ein komplett neuer Ansatz. Unsere mittelständischen Kunden wollen auch bei dieser Thematik eher mit uns zusammenarbeiten als mit den großen Management-Beratungen wie McKinsey & Co.

Denn im Gegensatz zu diesen können wir auch all das umsetzen, was wir vorschlagen.Und wir betreiben hier erfolgreich Cross- und Up-Selling. Wenn einer unserer Kunden etwas mehr über seine Kunden wissen möchte, dann können wir bei ihm ganz schnell eine E-Commerce-Plattform hochziehen.

Gleichzeitig gerät der Betrieb der IT-Systems immer mehr zum wenig lukrativen Commodity-Business. Hier setzen wir auf externe Rechenzentrumsbetreiber, so dass wir uns selbst um Themen wie Strombedarf, Abluft oder Kühlung gar nicht mehr kümmern. Hersteller wie Microsoft oder AWS können diese Services zu so günstigen Konditionen anbieten, so dass wir ihnen immer öfter unsere IT-Infrastruktur überlassen.

Unter den Gesichtspunkten "Kosten", "Skalierung" und "Flexibilität" macht das durchaus Sinn. Auch große Anbieter wie SAP werden diesem Megatrend folgen, sie sind ja keine Rechenzentrumsbetreiber, sondern offerieren andere Mehrwerte. Wir zum Beispiel sind die Schnittstelle zum Kunden, wir orchestrieren für ihn die Cloud-Services.

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Hier drängt sich natürlich der Vergleich zwischen den Rechenzentrumsbetreibern und den Stromlieferanten …

Landwehrkamp: Genau! In der Frühphase der Industriellen Revolution hatte jedes Fertigungsunternehmen sein eigenes Kraftwerk, bis das Geschäft der Elektrizitätserzeugung Commodity und zentralisiert wurde. Heute haben wir nur noch vier große Stromlieferanten in Deutschland.

Zurück zu den Value-Add-Services, die Sie als Systemhaus anbieten …

Landwehrkamp: Wir fokussieren uns weiterhin auf den gehobenen Mittelstand. Das Verhalten dieser Klientel unterscheidet sich doch stark vom Gebaren der DAX-Konzerne. Mittelständler wollen alles aus einer Hand bekommen und sich nicht mit zwölf Lieferanten auseinandersetzen und mit den Schnittstellen herumschlagen. Ihnen genügt ein IT-Ansprechpartner vollends.

Daher sehen wir unsere Rolle schon in der gesamten Wertschöpfungskette: beginnend bei den Geschäftsprozessen, über die Applikationen, bis hin zum IT-Betrieb. Und das nennen wir dann "orchestrieren". Den Kunden interessiert nicht, wo die benötigten Anwendungen laufen, welche Lizenzgebühren hierfür an wen zu entrichten sind und so weiter. Er möchte die IT als einen einzigen ganzheitlichen Service von uns geliefert bekommen. Das wünscht sich der Mittelstand.

Und warum ist die All for One Steeb AG für diese Aufgabe prädestiniert?

Landwehrkamp: Weil wir von der Geschäftsprozessberatung kommen. Wir kennen die Maschinenbauer, wir wissen, wie der Automobilzulieferer tickt. Daher sind wir näher am Geschäftsmodell des Kunden als andere nicht darauf spezialisierte Systemhäuser und können auch rascher die IT an die geänderten Geschäftsprozesse beim Kunden anpassen. Denn das verschafft ihm schlussendlich den nötigen Vorsprung gegenüber seinen Wettbewerbern.

Und natürlich haben wir das Geschäftsprozess-Know-how nur in einigen Branchen. Wir konzentrieren uns auf die Maschinenbauer, die Automobilzulieferer und die Konsumgüterindustrie. Andere "Verticals", zum Beispiel die Nahrungs- und Genussmittel-Branche, sprechen wir über Partner an.

IoT, Big Data, Blockchain und Künstliche Intelligenz

Welche Rolle spielen Themen wie IoT, Sensoren in Maschinen und Big Data in Ihrer Geschäftsstrategie?

Landwehrkamp:Eine große. Für uns und für unsere Kunden ist das Neuland. Da müssen wir mit anderen Partnern zusammenarbeiten, etwa im Bereich Sensoren. Da befinden wir uns gerade im Stadium "Bau von Prototypen". All die schönen Digitalisierungsszenarien funktionieren nur dann, wenn all die Devices miteinander vernetzt werden und Plattformen, wie SAP Cloud Plattform oder Microsoft Azure zum Einsatz kommen. Erst dann bekommen wir all die Daten, die uns dann bei der Entscheidungsfindung unterstützen. Da erzielen wir aktuell nicht viel Umsatz, diese Themen sind für uns aber das Wachstumsfeld schlechthin. .

Wollen Sie auch noch ganz neue Geschäftsfelder angehen?

Landwehrkamp:Ja, das müssen wir. Für all die IoT-, Big Data- und Digitalisierungsszenerien benötigt man eine ganz neue Art von Software. Ein herkömmliches ERP-System kann mit den Abermillionen an Sensordaten nichts anfangen. Da benötigt man andere Systeme in der Cloud, die diese Daten sammeln, verdichten und in Smart Data umwandeln, die sich anschließend in ERP-Systemen auswerten lassen. Hier haben nun Systemhäuser die große Chance, derartige Big Data-Lösungen selbst anzubieten - als ISV. Diesen Wandel werden einige Systemhäuser mitmachen, wie zum Beispiel wir. Wir werden somit in der Lage sein, die schlanken ERP-Systeme in der Cloud mit unserer Big Data-Software so anzureichern, dass diese Systeme mit den Smart Data auch etwas anfangen können.

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Und wo sehen Sie sich im Jahre 2025?

Landwehrkamp:Wir haben nach wie vor den Zwang weiterhin stark zu wachsen, ganz grob zweistellig Jahr für Jahr. Das können wir natürlich nicht allein aus eigener Kraft schaffen, sondern nur unter Zuhilfenahme von Fusionen und Akquisitionen. Die Konsolidierung unter den SAP- und Microsoft-Systemhäusern schreitet weiterhin voran, denn da draußen gibt es eine Vielzahl an erfolgreichen Systemhäusern, bei denen die Nachfolge nicht geregelt ist.

Das gibt natürlich uns die Chance, dort hin und wieder die eine oder andere Perle zu finden. Deswegen setzen wir auf anorganisches Wachstum. Dieser Trend ist unaufhaltsam. Und so können wir auch in Segmenten wachsen, die wir heute noch kaum besetzen, etwa im IoT-Umfeld oder in den Lines-of-Business bei Kunden. Das ist uns zum Beispiel mit der Inside-Übernahme und derer anschließenden Integration in unsere Tochtergesellschaft KWP im Bereich Personalsoftware sehr gut gelungen.

2025 werden wir auch ein starkes am Markt anerkannte Softwarehaus (ISV) mit eigenen Lösungen sein - insbesondere was die Digitalisierung und das Internet der Dinge betrifft. Mit SAP und Microsoft haben wir hierfür genau die richtigen starken Technologie-Partner an unserer Seite, der auch viel richtigmachen.

Der Cloud-Anteil an ERP-Systemen ist aktuell noch relativ überschaubar, aber er wird in den kommenden Jahren sehr rasch steigen. Man wird sich dabei aber nicht mehr als reiner Rechenzentrumsbetreiber differenzieren können - dieser Zug ist abgefahren. Stattdessen müssen wir die Geschäftsprozesse des Kunden verstehen und ihm helfen, diese Prozesse zu digitalisieren.