Keine Einigung in Sicht

Vorratsdatenspeicherung – wie geht es weiter?

07.02.2011
Wie geht es mit dem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung weiter, das letztes Jahr vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde? Wir geben einen Überblick über die Geschehnisse in der Vergangenheit und den aktuellen Status.

Wie geht es mit dem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung weiter, das letztes Jahr vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde? Wir geben einen Überblick über die Geschehnisse in der Vergangenheit und den aktuellen Status.

Vor knapp einem Jahr, nämlich am 02. März 2010 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gekippt. Es sah vor, dass Telekommunikations-Unternehmen Verbindungsdaten von Telefonaten, E-Mails und der Internetnutzung ihrer Kunden sechs Monate lange speichern müssen. Auf diese Daten hätten Strafverfolgungsbehörden bei besonders schweren Fällen von Kriminalität und zur Terrorabwehr Zugriff gehabt. Das BVerfG ordnete darüber hinaus an, dass alle bisher angefallenen Daten gelöscht werden müssen.

Das Gericht stellte aber nicht die Vorratsdatenspeicherung an sich in Frage, sondern nur die konkrete im Gesetz festgelegte Form. Die Richter forderten zum Beispiel verschärfte Regelungen zum Schutz der gespeicherten Daten - etwa eine anspruchsvolle Verschlüsselung und getrennte Speicherung.

Seitdem ist die Bundesregierung gefordert, ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung auszuarbeiten und auf den Weg zu bringen. Doch bisher konnte sich die Koalition auf keine neue Regelung einigen. Dazu muss man wissen, dass das ursprüngliche Gesetz noch von der großen Koalition aus SPD und CDU/CDU verabschiedet wurde - übrigens auf Grundlage einer EU-Richtlinie.

Inzwischen ist aber Schwarz-Gelb an der Macht - und die FDP hat sich im Wahlkampf entschlossen gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Gegenüber der PC-WELT ließ sie verlauten: „Die FDP fordert die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung. Der Staat darf nicht alle Bürger wie potenzielle Straftäter behandeln. Deshalb fordert die FDP die Abschaffung der anlass- und verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung […]."

Offenbar hat sich die Haltung der FDP auch nach ihrem Einzug in die Regierung nicht grundlegend geändert. Ganz verschließen kann sie sich dem Thema aber auch nicht, schließlich ist sie der kleinere der beiden Koalitionspartner. Und so hat sie als Kompromissvorschlag das Verfahren „Quick Freeze Plus“ vorgeschlagen. Dabei würden die IP-Adressen, die der Provider dem Anschluss des Anwenders zuweist, sieben Tage lang gespeichert werden.

Wenn der Verdacht einer Straftat besteht, sollen Ermittler die Möglichkeit haben, die mit der Ermittlung in Zusammenhang stehenden Daten „einzufrieren“, damit sie nicht automatisch gelöscht werden. Während Teile der Opposition der FDP vorwerfen, „umgekippt“ zu sein und dem Druck des Koalitionspartners nachzugeben, geht dem Koalitionspartner, also der CDU/CSU, der Vorschlag nicht weit genug. Man würde nicht genügend Informationen gewinnen, lautet der Vorwurf, die Speicherfrist von sieben Tagen sei zu kurz. Gleichlautende oder ähnliche Kritik kommt von Kinderschützern und von Seiten der Strafverfolger: Im Bereich der Kinderpornografie sei die Täterermittlung "massiv eingebrochen", erklärte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt.

Der Kompromissvorschlag von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) lautet: Vorratsdatenspeicherung wie gehabt, aber mit Einschränkungen bei der Mindestspeicherfrist für Telefon- und Internetverbindungsdaten, dem Umfang der gespeicherten Verkehrsdaten sowie möglichen Zugriffshürden für die Strafverfolger.

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung lehnt beide Vorschläge ab und ruft dazu auf, FDP-Bundestagsabgeordnete anzurufen, um sie an ihre ursprüngliche ablehnende Haltung zur Datenspeicherung zu erinnern.

Unterstützt wird der FDP-Vorschlag des „Quick Freeze Plus“ von der Neuen Richtervereinigung (NRV). Sie rechnet vor, die Vorratsspeicherung hätte die Aufklärungsquote der polizeilich registrierten Straftaten nicht erhöht. Und weiter: „Vielmehr sind auch ohne pauschale und anlasslose Speicherung jeder Benutzung von Telefon, Handy, E-Mail und Internet regelmäßig genügend Verkehrsdaten und sonstige Ermittlungsansätze verfügbar, um Gefahren abzuwehren und Straftaten wirksam zu verfolgen.“

Eine flächendeckende Vorratsdatenspeicherung würde Vermeidungsverhalten auslösen, zum Beispiel verstärkte Nutzung von Internet-Cafés, offenen WLANs, Anonymisierungsdienste, öffentlicher Telefone, unregistrierter Handykarten, nicht-elektronischer Kommunikationskanäle. Dies würde „die Verhinderung und Verfolgung selbst schwerer Straftaten geradezu erschweren“.

Interessant ist auch der folgende Hinweis der Neuen Richtervereinigung: „Neben Deutschland haben sieben weitere europäische Staaten die umstrittene EU-Richtlinie 2006/24/EG zur Vorratsdatenspeicherung nicht umgesetzt (Österreich, Belgien, Griechenland, Irland, Luxemburg, Rumänien, Schweden). EU-Mitgliedstaaten sind auch nicht zwingend verpflichtet, diese Richtlinie umzusetzen. Art. 114 Abs. 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gibt Deutschland das Recht, von der Richtlinie abzuweichen und das national geltende Verbot einer Aufzeichnung unseres Kommunikationsverhaltens (§ 96 TKG) beizubehalten, weil dieses durch wichtige Gründe des Grundrechtsschutzes als Bestandteil unserer öffentlichen Ordnung gerechtfertigt und geboten ist. Die Bundesregierung wäre lediglich gehalten, der EU-Kommission die beibehaltene Bestimmung zu melden und die Gründe für die Beibehaltung mitzuteilen.“

Fazit: Die Frage, wie es mit der Vorratsdatenspeicherung weitergeht, ist ziemlich offen. Schwer vorstellbar, dass sich der kleine Koalitionspartner FDP mit seinem „Quick Freeze Plus“-Vorschlag gegen die deutlich verschärfteren Vorstellungen der CDU/CSU durchsetzen kann. Es wird qalso irgendeine Form von Kompromiss geben, oder das Thema wird bis zur nächsten Bundestagswahl ausgesessen.

Der Beitrag stammt von der ChannelPartner-Schwesterpublikation PC-Welt.