Mit der Location, dem Münchner MVG Museum, in dem alte Straßenbahnwaggons ausgestellt sind, hat Tech Data eine gute Wahl getroffen. Und dass die vertiefenden Workshops genau in diesen Trams stattgefunden haben, kam bei den Besuchern gut an.
Doch den "Tech Data Cloud Solutions Store" nicht auf der Hauptbühnen vorstellen zu lassen, kann nur als Fehlentscheidung gedeutet werden. Der kleine dafür vorgesehene Saal war rasch überfüllt, viele Interessenten kamen gar nicht erst rein und mussten draußen warten.
Auch der Start des eigenen Cloud-Marktplatzes fiel relativ unspektakulär aus: keine roter Knopf, kein Konfetti-Regen, keine Fanfaren. Ob es wohl daran lag, dass bis dato nur Microsoft und Carbonite als Anbieter im"Tech Data Cloud Solutions Store" gelistet sind?
Immerhin, Tech Data-Geschäftsführer Michael Dressen hat die Zahl der Reseller genannt, als Pilotkunden den Marktplatz testen durften: 10. Und auch die anderen Broadliner haben auch nur eine Handvoll Hersteller in die eigenen Cloud-Stores eingebunden.
Im Gespräch mit ChannelPartner betonter Dressen, dass es Tech Data darum gehe, einen durchgängigen Bestellprozess zu gewährleisten. Die Prozesse zwischen Hersteller, Distributor, Systemhaus und dem Endkunden sind klar definiert und in dem Tech Data eigenen-ERP-System von SAP prozesstechnisch abgebildet. Der Reseller tritt immer als Geschäftspartner des Endkunden auf, der Cloud-Lösungs-Anbieter als Vertragspartner.
Im Fall von Microsoft funktioniert mittlerweile der Wiederkauf von "Office 365"-Paketen einwandfrei, davon konnte man sich am Demo-Point des "Tech Data Cloud Solutions Stores" überzeugen. Reseller können dort Cloud Services buchen, ihre Kunden bereitstellen, abrechnen und verwalten, etwa zusätzliche Einzelplatzlizenzen erwerben.
Für Managed Service Provider und ISVs
Dressen und die der für das Cloud-Business zuständige TD Azlan-Chefin Barbara Koch legen großen Wert auf Skalierbarkeit ihres Cloud-Marktplatzes. Man fange zwar klein an, doch schon bald dürfe man mit einer zweistelligen Anzahl an Anbietern auf dem Cloud-Marktplatz rechnen. Ab sofort darf sich auch jeder Reseller im Store anmelden, Mindestvoraussetzungen dafür gibt es keine.
Laut Dressen ist das Interesse der potentiellen Managed Service Providern (MSP), die den Marktplatz nutzen möchten, enorm. Für diese Cloud-Vertriebspartner hat Tech Data ein spezielles Programm (MSP Ecosystem) ins Leben gerufen. Auch zahlreiche ISVs (Independent Software Vendors) hätten schon an der Tür zum Cloud Solutions Store angeklopft. Für sie würde sich hier eine neue Vertriebsplattform auftun.
Besucher des Tech Data-Kongresses ließen sich von diesem Konzept überzeugen, so etwa Jens Hertwig, Geschäftsführer der N+P Informationssysteme GmbH: "Die Cloud ist für uns alle ein extrem wichtiges Thema und ich konnte auf dem Tech Data Kongress Anwendungsbeispiele sehen, die für den Mittelstand interessant werden können.
Von den gezeigten Hersteller-Vorträgen kann ich für uns einiges übernehmen und für meine Kunden nutzbar machen. Es ermöglicht uns innovative und neue Geschäftsmodelle, die jedoch in ihrer Umsetzung noch Zeit zur Argumentation und Realisierung benötigen. Wer sich nicht mit dieser Thematik auseinandersetzt, verpasst den Anschluss."
Anregende Impuls-Keynote eines Zukunftsforscher
Das Highlight des vierten Tech Data Kongresses schlechthin war die Eröffnungsrede des Zukunftsforschers Gerd Leonhard. Es ging um nicht weniger als die "Digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft in den nächsten fünf Jahren". Der Futurist zeigte sich ganz optimistisch und skizzierte ein Szenario, in dem sich die heutige Software über "Intelligente Digitale Assistenten" (IDAs) bis hin zur Künstlichen Intelligenz im Jahre 2020 entwickeln wird.
Aber auch in der Biotechnologie wird es exponentielle Fortschritte geben. So werden wir laut Leonhard schon in ein paar Jahren in der Lage sein, unsere komplette DNA so umzuschreiben und zu reparieren, dass Krankheiten wie Alzheimer oder Krebs endgültig besiegt sein werden. "Und in spätestens 8 Jahren ist der Kapitalismus, wie wir ihn heute kennen, passé", so Leonhard. Zumindest dieser These widersprach Tech Data-Chef Michael Dressen im Anschluss vehement.
Doch die Zukunft wird nicht nur rosig sein, so Leonhard: "In den kommenden fünf Jahren werden 40 bis 50 Prozent der Jobs, die wir heute ausüben, komplett verschwinden". Als Beispiele für diese Disruption nannte der Futurist Schallplattenfirmen (Vergangenheit), TV-Sender und Verlage (Gegenwart) sowie Banken und Automobilhersteller (Zukunft).
Demnach werde Software immer mehr Aufgaben übernehmen, die heute noch von Menschen ausgeübt werden, eben die Banking-Geschäfte (auch Investment-Banking und Vermögensberatung), Buchhaltung etc. Seinen Vortrag schloss Leonhard mit einem Zitat des "Wired"-Herausgebers Kevin Kelly: "Menschen fragen, Maschinen antworten".
Diskussionsrunde mit den Cloud-Kombattanten
Zum Abschluss des Kongresses, der von Fernseh- und Eventmoderator Markus Othmer sehr kurzweilig moderiert wurde, gab es die übliche Diskussionsrunde, dieses Mal nur in einem kleine Kreis mit Vertretern von Tech Data (Michael Dressen), Oracle (Frank Obermeier), Hewlett Packard (Heiko Meyer) und mit Daniel Hagemeier von der Deutschen Börse Cloud Exchange AG.
Es ging natürlich um das Thema Cloud, aber auch um die Geschwindigkeit und die Notwendigkeiten des Wandels. Man war sich schnell einig, dass die Cloud längst angekommen ist und die Entwicklung deutlich rascher fortschreitet, als es führende Institute prognostizierten. Erfolgreich umgesetzt werden könne das Cloud-Geschäft nur gemeinsam im Schulterschluss mit Cloud-Anbietern, Cloud-Vermittlern, mit Managed Service Providern, der Distribution und mit allen übrigen Vertriebspartnern.
Michael Dressen definiert die Rolle der Distribution folgender Maßen: "Wir müssen komplexe Dinge einfacher machen. Unsere Rolle ist es, dem Fachhandel dafür die passende Plattform zu liefern." Daniel Hagemeier ging noch einen Schritt weiter und forderte: "Für die Cloud muss es einheitliche Rahmenbedingungen geben, damit die Angebote vergleichbarer werden."
Auch Frank Obermeier von Oracle fand klare Worte: "Wir müssen aufhören, uns nur mit der Gegenwart zu beschäftigen und sollten mehr in die Zukunft schauen. Wir als Hersteller haben die Aufgabe, die Cloud griffiger zu machen. Das Thema muss entmystifiziert werden, sodass auch der Kunde auf seinem Weg in die Cloud mitgenommen wird."
Ein Zeichen in der Flüchtlingskrise
Die Eintrittsgelder der Besucher (16.000 Euro) hat Tech Data in voller Höhe dem Integrationsprojekt für minderjährige Migranten der Condrobs e.V. gespendet.