Wenn wir jemanden fragen, wie er eine bestimmte Sache, sagen wir den Samstag Vormittag in einem Shopping Center oder die Eröffnungsfeier eines Autohauses fand, so sagt er entweder ?ausgezeichnet' oder ?naja' oder ?frag mich lieber nicht'. Die Bandbreite möglicher Kundenreaktionen reicht also von der schlimmsten Befürchtung bis zur hemmungslosen Begeisterung. Jeder Kunde hat Erwartungen, die durch eigene positive oder negative Erfahrungen, durch Empfehlungen Dritter, durch Kommunikationsmaßnahmen oder die Bestform der Mitbewerber beeinflusst werden. Durch diesen Filter subjektiver Wahrnehmung gleicht er seine Erwartungen mit der erhaltenen Leistung ab.
Erwartungen übertreffen
Und das Resultat? Ungenügend? Mangelhaft? Befriedigend? Sehr Gut? Unerwartet gut? An dieser ur-persönlichen und von der jeweiligen Tagesform abhängigen Beurteilung des Kunden alleine werden Sie als Anbieter gemessen. Ist er gut drauf, fällt das Ergebnis besser aus. Hat er einen rabenschwarzen Tag, kommen bei aller Anstrengung auch Sie nicht gut weg. So ist etwa die viel beschworene Qualität keine objektiv messbare Leistung. Sie entsteht vielmehr immer subjektiv im Kopf des Nutzers und wird von jedem anders definiert. Qualitätsstandards, die Ihnen passend erscheinen, können für den Kunden völlig undiskutabel sein. Denn seine Messlatte liegt deutlich höher. In jedem Fall gilt: Um ihn zu begeistern, werden Sie seine Erwartungen übertreffen müssen.
Nun könnte man, um seine Kunden zu begeistern, also versuchen, deren Erwartungen einfach zu senken. Wenn wir weniger versprechen, brauchen wir nicht so viel zu halten. Im Grunde genommen würde dieser Ansatz auch funktionieren wenn da nicht noch die Mitbewerber wären. Als Monopolist hat man es da einfach. Monopolist sind Sie aber nur so lange, bis jemand seine Chance wittert und Ihre Schwächen erkennt. Und im Wettbewerb werden Kunden immer demjenigen den Vorzug geben, der ein möglichst emotionalisierendes Erlebnis verspricht. Es sei denn, alle Angebote sind gleich. Dann entscheidet natürlich der Preis.
Basisanforderungen, zum Beispiel saubere Toiletten in Restaurants, werden als selbstverständlich vorausgesetzt, sonst setzt starke Unzufriedenheit ein. Was dagegen nicht erwartet wurde, was einem womöglich so das erste Mal passiert, löst Begeisterung und damit emotionale Verbundenheit aus. Alles, was mit blumigen Werbeworten Ihr bunter Prospekt, das Internet, Ihr Verkäufergeschwader erzählt, muss nicht nur eingelöst, sondern sogar überboten werden. Überrascht, verblüfft, begeistert, ja geradezu fasziniert und wie magisch angezogen muss der Kunde sein, das ist der beste Nährboden für Loyalität - und sorgt für positive Mund-zu-Mund-Werbung. Das Denken in den folgenden drei Kategorien ist beim Umgang mit Kundenerwartungen hilfreich: Bestrafungs-, OK- und Begeisterungsfaktoren. Jedes Unternehmen sollte die Bestrafungs-, OK- und Begeisterungsfaktoren seiner Branche kennen.
Bestrafungsfaktoren
Mit dieser Kategorie von Produkt- und Dienstleistungsmerkmalen können Sie Ihren Kunden weder begeistern noch befriedigen, aber Sie können es sich gründlich mit ihm verderben. Wenn Sie einen Elektriker beauftragen, bei Ihnen zu Hause eine Designer-Lampe zu montieren, werden Sie eine schlussendliche Funktionsprüfung erwarten. Wird diese nicht durchgeführt und stellen Sie fest, kaum dass der Elektriker das Haus verlassen hat, dass die Lampe nicht brennt, werden Sie sehr unzufrieden sein. Macht er die Prüfung, ist das für Sie ganz normal, also nicht der Rede wert. Mängel oder Fehler bei Bestrafungsfaktoren tolerieren wir nicht, da es sich dabei unserer Meinung nach einfach um Selbstverständlichkeiten handelt. Unsere negative Reaktion ist überproportional stark, vor allem wenn von unserem Auftragnehmer dann noch die Antwort kommt, man möge sich wegen dieser Kleinigkeit nicht so aufregen, das könne schon mal passieren.
Im Empfehlungsmarketing dürfen keinerlei Bestrafungsfaktoren vorkommen. Gerade Fehler bei solchen "Nichtigkeiten" geben dem Kunden das Gefühl der offensichtlichen Missachtung. Ergebnis: Er wird Sie bestrafen, so gut er nur kann. Identifizieren Sie, welche Faktoren für Ihre Kunden 'musts' sind und stellen Sie sicher, dass zumindest diese bei jedem Kunden immer zu 100 Prozent erfüllt werden. Über alle Branchen hinweg sind das Aspekte wie etwa Sicherheit, Pünktlichkeit, Sauberkeit, Höflichkeit und Ehrlichkeit.
Zusatzleistungen und Begeisterungsfaktoren bleiben völlig wirkungslos, solange es noch derbe Bestrafungsfaktoren gibt. Sehr deutlich erleben wir das bei der Bahn. Wir können weder den Service am Platz noch den hilfsbereiten Zugführer goutieren, wenn jeder dritte Zug Verspätung hat.
OK-Faktoren
Wenn Sie über die Vermeidung von Unzufriedenheit hinauswollen, müssen Sie an den OK-Faktoren arbeiten. Mit denen haben Sie, im Gegensatz zu den Bestrafungsfaktoren, die Chance, über den Zufriedenheitsnullpunkt hinauszukommen. Ein schönes Beispiel dafür ist Freundlichkeit. Ist Ihr Elektriker bei der Montage unfreundlicher als Sie erwarten dürfen (denn schließlich sind Sie ja der Kunde), werden Sie unzufrieden sein, auch wenn die Lampe funktioniert. Ist er so freundlich wie Sie es von einem Elektriker erwarten, werden Sie weder unzufrieden noch begeistert sein. Übertrifft er aber Ihre Freundlichkeitserwartungen deutlich, werden Sie ihn - wenn die Lampe dann immer noch funktioniert und er nicht nur nett mit Ihnen geplaudert hat - wahrscheinlich auch beim nächsten Mal anrufen und mit einem neuen Auftrag belohnen.
Die OK-Faktoren gilt es zu identifizieren und dafür zu sorgen, dass mindestens das erwartete Niveau erreicht wird. Dazu gehören zum Beispiel termingerechte Lieferungen, vollständige Bestellungen oder eingehaltene Versprechen. Dem Kunden kommt es womöglich gar nicht auf den ganzen Service-Schnickschnack an, der bei Ihnen eine Kostenexplosion verursacht. Für ihn müssen zunächst die Kernleistungen stimmen. Einfach, praktisch und schnell soll es gehen. Und die Mitarbeiter sollen zuvorkommend (im Sinne des Wortes), kompetent und hilfsbereit sein. Wer in einem Supermarkt ewig an der Kasse warten muss, wenn er es eilig hat, den kann der kostenlose Espresso auch nicht locken. Und wer ein Sonnenstudio schmuddelig findet, der geht selbst mit einem dicken Geschenk-Gutschein nicht mehr dorthin. Bevor wir uns also an die Service-Extras machen, muss zunächst die Basisleistung stimmen.
Begeisterungsfaktoren
Die ergiebigste Kategorie für Empfehlungen in Hülle und Fülle? Das sind die Begeisterungsfaktoren. Mit diesen können Sie nur gewinnen. Ein Fehlen wird Ihnen vom Kunden nicht übel genommen, aber wenn Sie ihm diese bieten können, wird er Sie dafür lieben. Wenn also der Elektriker nach der Montage und der Überprüfung noch höflich fragt, ob Sie im Schein dieser Lampe bevorzugt lesen oder Fernsehen wollen, eine Empfehlung für einen bestimmen Strom sparenden Glühbirnen-Typ gibt und diese gleich noch einsetzt, Ihr Wohnzimmer so sauber verlässt wie er es betreten hat und Ihnen den kleinen Aufpreis für die Sparlampe mit einem netten Augenzwinkern und einem freundlichen "Gern geschehen" erlässt (da es angesichts des Lampenpreises wirklich keine Rolle spielt), dann werden Sie wahrscheinlich sehr positiv überrascht, vielleicht sogar begeistert sein.
Viele Begeisterungsfaktoren haben ihren Ursprung nicht nur in dem, was getan wird, sondern vor allem, wie etwas getan wird. Gerade, wenn bei Dienstleistungen der Kunde in den Produktionsprozess mit eingebunden wird, merkt er sehr schnell, ob die Mitarbeiter Ihren Job liebevoll oder lieblos erbringen. Man spürt beim Arzt, ob er die Untersuchung nach Schema F durchführt oder ob ihm das Wohlbefinden des Patienten wirklich am Herzen liegt. Und man spürt, ob die Spritze mit Umsicht gesetzt wird. Man spürt die Begeisterung der Kellner beim Lieblingsitaliener und das Desinteresse bei der Gaststätte von nebenan. Man spürt, ob die Verkäuferin einem wirklich etwas Passendes verkaufen möchte oder ob sie nur lustlos ihre acht Stunden ableiert und Thekenbewacherin spielt.
Gerade die weichen Faktoren, also der herzliche, liebevolle und zuvorkommende Umgang mit dem Kunden kann nicht per Dienstanweisung angeordnet werden. Ist dem so, erhalten wir Kunden höchstens ein ?Muss-Lächeln', und das wird sofort enttarnt. Das echte, warme Lächeln und all die vielen kleinen freiwilligen Gesten des Entgegenkommens, die sich so gut anfühlen, sind eine Frage der Einstellung, also des Wollens. Die Ansprache des Kunden mit Namen ist dabei die einfachste Form. Der eigene Name ist das wichtigste Wort im Leben eines Menschen. Er ist magisch. Denken Sie nur mal an Rumpelstilzchen. Seinen eigenen Namen zu hören sorgt automatisch für eine positive Grundstimmung. Die 'gefühlte' Wertschätzung, verbunden mit Herzlichkeit, Fairness und erprobter Zuverlässigkeit, ist der Dreh- und Angelpunkt für Begeisterung. Wenn es Ihnen dann noch gelingt, dem Kunden mit Produkt- oder Servicenutzen unerwartete Anstöße für seine Lebensqualität oder seinen unternehmerischen Erfolg zu geben, dann ist das Weiterempfehlungsgeschäft schon gesichert.
Anne M. Schüller ist Management-Consultant und gilt als führende Expertin für Loyalitätsmarketing. Über 20 Jahre hat sie in leitenden Vertriebs- und Marketingpositionen verschiedener Dienstleistungsbranchen. Die Diplom-Betriebswirtin und achtfache Buchautorin gehört zu den besten Wirtschafts-Speakern im deutschsprachigen Raum. Sie arbeitet als Referentin und Trainerin und lehrt an mehreren Hochschulen. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft. Kontakt Email: www.anneschueller.de, Internet: info@anneschueller.de, Telefon: 089/6423 208 (gn)
Zukunftstrend Kundenloyalität - Endlich erfolgreich durch loyale Kunden
Nur loyale Kunden sind gute Kunden. Kundenloyalität ist die größte unternehmerische Herausforderung der Zukunft. Dauerhafte Kundenbindung ohne Aufwand - wie Sie Kunden loyal machen und wie Sie mit loyalen Kunden das Rennen machen, erfahren Sie hier!von Anne M. Schüller, BusinessVillage, Göttingen, 2005, ISBN: 3934424538 (2. überarbeitete Auflage, Internet: http://www.businessvillage.de/eb-567_Zukunftstrend-Kundenloyalitaet-%282.-ueberarbeitete-Auflage%29.html