Vom Risiko- zum Chancenmanagement: Risikomanagement als zentraler Erfolgsfaktor für das Rating

21.09.2006
Weil die Banken künftig jedes Unternehmen einem Rating unterziehen, werden sich die Firmen mit ihrer Bonität und ihren Risiken stärker auseinandersetzen müssen.

Kaum eine andere Vorschrift hat in den Unternehmen so viele Veränderungen in Gang gesetzt wie Basel II. Durch die neuen Eigenkapitalrichtlinien für Banken, die am 1. Januar 2007 in Kraft treten, müssen sich viele Unternehmen mit Themen beschäftigen, die sie lange Zeit vernachlässigt oder aus Kostengründen gescheut haben. Weil die Banken jedes Unternehmen einem Rating unterziehen, werden sich die Firmen mit ihrer Bonität und ihren Unternehmensrisiken stärker auseinandersetzen müssen.

Zentraler Faktor dabei: ein ausgefeiltes Risikomanagement. Die Einführung eines solchen Systems hilft, die Risiken im Unternehmen effizient zu steuern. Gleichzeitig steigt die Bonität und das Rating verbessert sich deutlich. "Wer ein Frühwarnsystem für Unternehmensrisiken entwickelt, steigert die Wettbewerbsfähigkeit seines Unternehmens und sichert den Fortbestand langfristig", sagt Burkhardt Müller, DHPG-Wirtschaftsprüfer und Vorstand von NEXIA International, einem der führenden Netzwerk unabhängiger Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaften.

Ohne systematische Risikosteuerung geht es in der Tat nicht mehr. Basel II macht Banken wie Unternehmen zu Kontrolleuren ihrer Risiken. Ab Januar 2007 wird keine Firma mit Finanzierungswunsch eine Bank ohne ein Rating verlassen. Zwar bewerten die meisten Kreditinstitute die Bonität ihrer Firmenkunden schon lange, doch Pflicht wird es erst jetzt. Noch ist dieses Bewusstsein in deutschen Firmen nur unzureichend ausgeprägt. Erst zwei Drittel haben, laut einer Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Qualität, eine eigene Risikostrategie entwickelt. Und die Hälfte aller Firmen glaubt, dass ihre Bank sie noch nicht geratet habe. Diejenigen Firmen, die Maßnahmen getroffen haben, um sich für Basel II fit zu machen, haben als erstes an der Kostenseite angesetzt, Investitionen verschoben oder Prozesse verschlankt. "Zu sehr auf die Kostenseite zu schauen, kann sich mittelfristig jedoch rächen, wenn dem Unternehmen Potential für neues Firmenwachstum fehlt", erklärt DHPG-Experte Burkhardt Müller. "Besser ist es, eine umfassende Strategie zu entwerfen, die alle Teile des Unternehmens berücksichtigt und optimiert."

Eine unverzichtbare Hilfe bei der Verbesserung der eigenen Bonität ist die Einführung eines Risikomanagementsystems. Hier geht es zuerst darum, ein aussagefähiges Risiko-Rendite-Profil der Firma zu erstellen. Gestartet wird mit der Analyse möglicher Unternehmensrisiken. Hilfreich ist hierbei die Erstellung eines so genannten Risikoinventars, in dem alle Unsicherheitsfaktoren, die ein Unternehmen treffen können, aufgelistet werden.

Kriterien für ein Risikoregister sind:
- gesellschaftliche Risiken
- personenbezogene Risiken
- kommerzielle Risiken
- administrative Risiken
- technische Risiken
- natürliche Risiken
- finanzwirtschaftliche Risiken
- markbezogene Risiken

Dabei geht es im ersten Schritt gar nicht darum, nur firmenspezifische Gefahren zu erkennen, sondern einen Überblick über alle potenziellen Gefährdungen zusammenzutragen. "Die Bewertung und die Relevanz für das jeweiligen Unternehmen erfolgt im zweiten Schritt", so Burkhardt Müller. Hierbei geht es dann darum, festzustellen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein Risiko eintritt und wie viel Schaden dabei für die Firma entstehen kann. Viele Berater empfehlen hier die so genannte "Value-at-risk-Methode". Sie definiert den Verlustbetrag, der innerhalb einer bestimmten Zeit, etwa eines Jahres, mit einer vorgegeben Wahrscheinlichkeit, beispielsweise 99 Prozent eintritt. Bezogen auf das Eigenkapital liefert der Value-at-Risk-Ansatz eine Bonitätsbestimmung. Das Unternehmen weiß damit ziemlich genau, wann das Eigenkapital aufgebraucht sein würde.

Wer die Risiken kennt und bewertet hat, kann sie auch steuern. "Jedes Unternehmen sollte hier seine individuelle Risikostrategie festlegen", rät DHPG-Wirtschaftsprüfer Burkhardt Müller. Je nach Branche und Firmenalter unterscheiden sich die einzelnen Risikomanagementmaßnahmen deutlich. Junge, innovative Biotech- oder Internetfirmen werden eher bereit sein müssen, größere Risiken einzugehen, als der traditionelle Automobilzulieferer. Faustformel: Je größere die Risiken, die die Firmen eingehen, umso höhere sollten die Renditeaussichten sein. Das Unternehmen muss nun für sich definieren, welche Risiken sie bewusst eingehen, welche sie überwälzen und was sie zur Minderung beziehungsweise zur Vermeidung der übrigen Risiken tun.

Als Ergebnis steht das Risiko für das gesamte Unternehmen. Mit anderen Worten: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls. Nichts anderes misst auch ein Rating. Hier geht es den Banken darum, die Prozentzahl zu wissen, mit welcher Wahrscheinlichkeit, die Firma einen Kredit nicht zurückzahlen kann. Hierzu schätzt das Kreditinstitut die quantitativen und qualitativen Faktoren, die eine Aussagekraft über die firmenspezifische Kreditwürdigkeit haben.

Insofern haben Risikomanagement und Rating das gleiche Ziel: die Verringerung des Risikopotenzials eines Unternehmens. Mit dem Einsatz von Risikomanagement ist das Unternehmen in der Lage, Risiken in der Firma frühzeitig zu erkennen, zu bewerten und steuerbar zu machen. Soll das Risikomanagement einem anspruchsvollen Rating genügen, ist es ratsam, den Prozess analog einem Rating in eine interne und externe Sicht zu unterteilen. Der externe Blick analysiert die Bonität durch Bilanzkennzahlen und außer-bilanzielle Frühindikatoren. Die interne Analyse berücksichtigt die so genannten Soft Facts, wie etwa die Managementqualifikation, und das dem Unternehmen inne liegende Verlustpotenzial.

Die Bilanzanalyse ist eine gängige Methode, um die Bonität von Unternehmen von außen zu beurteilen. Die Banken verwenden zudem bestimmte Bilanzkennzahlen wie Rentabilitäten, Cash-Flow-Raten oder Ertragsrelationen und die Gewinn- und Verlustrechnung. Ziel ist es, einen Überblick über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens zu gewinnen. Dabei wird häufig auf Vergleichszahlen aus der Branche zurückgegriffen, um die Firmenwerte besser einordnen zu können.

Ergänzt wird die externe Beurteilung eines Betriebes durch die Betrachtung von Frühindikatoren. Hier sollte jede Firma einen auf seine Branche abgestimmten Indikatorkatalog erarbeiten, um die wichtigsten Punkte zu erfassen und zu bewerten. Damit ist es möglich, einen Benchmarkingprozess anzuschließen, um die Firma mit anderen aus der gleichen Branche zu vergleichen.

Um ein Unternehmen jedoch umfassend beurteilen zu können, müssen zudem weiche Faktoren analysiert werden. Auch hier können Check-Listen zum Einsatz kommen. Diese Soft Facts-Kataloge berücksichtigen Erfolgsfaktoren wie Management, Branche, Markt oder Produktqualität. Allerdings hilft eine Gleichgewichtung aller Faktoren in der Praxis meist nicht weiter. Besser ist es, die Faktoren nach ihrer Erfolgsrelevanz zu bewerten. Denn nicht alle Faktoren besitzen die gleiche Relevanz für den Firmenerfolg. So kann eine schwache Performance in einem wichtigen Erfolgsbereich ein hohes Risikopotenzial haben, wohingegen aus einem guten Abschneiden in einem unwichtigen Bereich nur ein kleines Verlustpotenzial resultieren kann.

Die Analyse der Soft Facts zielt in Summe darauf, das Erfolgspotenzial des gesamten Unternehmens abzubilden. Im Sinne eines kompletten Ratings bzw. eines ordentlichen Risikomanagements ist es jedoch hilfreich, diese Ergebnisse mit der Liste des Risikoregisters abzugleichen. Damit ist es möglich, das Verlustpotenzial für jeden einzelnen Risikobereich zu definieren und sogleich eine Signal- und Warnschwelle festzulegen, ab der bestimmte Risikosteuerungsmaßnahmen greifen sollen.

Je größer Firmen sind, umso ausgefeilter sollten derartige Risikomanagementmaßnahmen sein. Das Ziel ist jedoch identisch: Risikomanagement verfolgt wie ein Rating das Ziel einer langfristigen Unternehmenssicherung. (www.conovo.de/mf)