Bei der Einführung von Unified-Communications-Lösungen sind neue technische Herausforderungen zu meistern. So ist es eventuell erforderlich, die Infrastruktur mit Hard- und Software auszubauen, um Voice-Funktionen wie Inline-Power, die Stromversorgung über Ethernet-Kabel oder "Auxiliary"-Voice-LANs und TDM-Schnittstellen zu unterstützen. Dabei sollten Anwender nicht nur die Arbeitsweise dieser Features und den Betrieb der neuen Ausstattung verstehen, sondern sich auch mit Methoden für die Problemsuche und Analyse bei Fehlfunktionen auseinandersetzen.
Fehler systematisch suchen
Der erste Ratschlag erscheint vielen Lesern vielleicht trivial, doch der IT-Alltag zeigt, dass auf diesen Punkt nicht oft genug hingewiesen werden kann. Das Aufdecken von Problemen in einer komplexen IT-Infrastruktur wird durch eine systematische Fehlersuche (etwa das Troubleshooting-Modell von Cisco) merklich erleichtert. Für viele, die erst beginnen, sich damit auseinanderzusetzen, erscheint diese Vorgehensweise auf den ersten Blick aufwendig. Doch VoIP-Netze sind durch die Überlagerungen der diversen Netzprotokolle und die dadurch entstehenden vielen Fehlerquellen so komplex, dass erfahrungsgemäß die Vorteile einer systembasierenden Fehlersuche überwiegen. Eine systematische Dokumentation der Vorfälle und Lösungen sollte deshalb in IT-Abteilungen Standard sein.
Strukturiertes Herantasten
Bei der Fehlersuche ist es sehr hilfreich, im ersten Schritt das Problem zu analysieren und klar zu formulieren und seine Symptome und potenziellen Ursachen einzugrenzen. Gesammelt werden dazu alle Fakten, die dazu beitragen, die aufgetretenen Schwierigkeiten näher einzukreisen. Wichtig ist, aus den gesammelten Erfahrungen heraus die möglichen Ursachen auf die wahrscheinlichsten zu reduzieren, um auf dieser Basis einen detaillierten Aktionsplan mit den einzelnen nötigen Schritten zu erstellen. Dafür greift man das nächstliegende Problem heraus und entwickelt ein Konzept, das vorsieht, lediglich innerhalb des Systems etwas zu ändern. Danach gilt es, umgehend die Ergebnisse zu analysieren und im Auge zu behalten, wie die Änderungen sich auf das System auswirken.
Probleme beim Gesprächsaufbau
Bereits während des Aufbaus von Gesprächen können Konfigurationsfehler zahlreiche Probleme verursachen. Einige sind auf die Gateway-, Quality-of-Service-(QoS-) oder ISDN-Einstellungen zurückzuführen. So treten bei der Verbindungsanbahnung Call-Routing-Fehler auf, die sich durch ein Besetztzeichen ("Busy-out") bemerkbar machen - auch bereits beim Wählen oder unmittelbar danach. Oft wird die "Caller ID" während der "Callsetup"-Phase nicht richtig übermittelt und beim Anrufer nicht oder falsch angezeigt. Es kommt auch vor, dass der Rückrufton vom TDM-Gateway nicht in das VoIP-Netz durchgereicht wird. Dadurch hat der Anrufer den Eindruck, ohne "Alert"-Ton direkt den Gesprächspartner am Apparat zu haben. Der angerufene Teilnehmer hingegen spürt davon nichts und geht von einem normalen Verbindungsaufbau aus. Ein anderes, häufig beschriebenes Szenario ist, dass beide Gesprächspartner gar nichts hören ("Dead Air") oder der Sprachkanal nur in eine Richtung aufgebaut wird und nur ein Teilnehmer den anderen wahrnehmen kann. Manchmal ist der Wählton nicht zu hören, oder ein zweites beziehungsweise drittes Signal erklingt nach Beginn der ersten Zifferneingabe unerwartet wieder.
Diese Funktionsstörungen begegnen im Trainings- und Beratungsalltag häufig. Die Ursachen können vielschichtig sein. In der Regel führen eine strukturierte Fehlersuche und die erforderliche Erfahrung schnell an den Kern des Problems. Oft sind es Bedienfehler, die auf Anhieb banal erscheinen, aber dennoch erst einmal gefunden werden müssen. Eine große Herausforderung sind dagegen Konfigurationsfehler. Auf sie muss der Verantwortliche gut vorbereitet sein. Wie vielfältig die Fehlersuche im VoIP-Netz sein kann, zeigt der folgende Überblick über verschiedene Ansätze.
Fehlersuche im VoIP-Netz
Schlägt der Gesprächsaufbau zwischen einem Endgerät und einer Voice-Schnittstelle auf einem Server oder einem anderen VoIP-Endgerät fehl, sollten in einem der ersten Schritte die Call-Agent-Einstellungen überprüft werden, und zwar besonders die Berechtigungseinstellungen an den Endgeräten und Server-Voice-Schnittstellen. Es ist grundsätzlich ratsam, von vornherein die Verbindungsaufbauberechtigung im Call-Agent sorgfältig zu planen und die VoIP-Endgeräte gewissenhaft einzustellen.
In bestimmten Situationen ist es erforderlich, eingehende oder ausgehende Rufnummern am Gateway zu ändern (DNIS/ANI Digit Manipulation). Beispielsweise muss eine Vorwahl ergänzt werden, um aus dem öffentlichen Netz hinaustelefonieren zu können. Damit erweitert sich aber auch der Spielraum für mögliche Komplikationen. Sind die Nummern fehlerhaft, dann baut der Call-Agent keine Verbindung auf.
Zusammenspiel mehrerer Netze und Geräte
Anfällige Verbindungen zu öffentlichen Telefonnetzen oder von mehreren VoIP-Telefonen untereinander sind ein weiteres Problem. Hier empfiehlt es sich, das Augenmerk auf die Einstellungen der Endgeräte zu richten und den Call-Agent-Rufnummern-Plan sowie die Fernverbindungen (WAN) zwischen den einzelnen Standorten zu analysieren. Oft sind Störungen auf eine Bandbreitenoptimierung zurückzuführen, durch die es zu einem Codec-Mismatch kommt.
Ist der Aufbau des Gesprächs in das öffentliche Netz nicht möglich, dann liegt das oft an einer fehlerhaften Rufnummernübersetzung. Eine andere Ursache kann sein, dass ein Media-Termination-Point (MTP) mangels Ressourcen aktuell nicht verfügbar ist und als Folge Endgeräte mit eingeschränkten Codecs (Limitierung) keine Verbindung aufbauen. Ebenfalls kommt es vor, dass das Endgerät durch eine Fehlkonfiguration in der Netzinfrastruktur sich beim Call-Agent nicht registrieren kann und so auch nicht erreichbar ist.
Auch die Parameter der WAN-Verbindungen lösen oft Komplikationen aus. So kann der Provider in seinem internen Netz Probleme haben und dadurch die vertraglich zugesicherten QoS-Merkmale wie Latenzzeiten und Paketverlustrate nicht einhalten beziehungsweise die Service-Level-Agreements (SLA) nicht erfüllen.
Generell führen QoS-Probleme wie lange Latenzzeiten, Jitter und Echo-Effekte schnell dazu, dass Nachrichtenpakete komplett verloren gehen oder extrem verzögert übermittelt werden. Geprüft werden sollte auch, ob die Bandbreitenverwaltung in Form von Call Admission Control (CAC) den Anruf bei unzureichender Bandbreite unterbindet. Ferner kommt auch bei fehlerhafter Einstellung des Ausweichverfahrens (Automated Alternate Routing = AAR) über das traditionelle TDM-Netzwerk kein Gespräch zwischen zwei Standorten zustande.
Nicht zuletzt sind die TDM-Gateways in die Fehlersuche einzubeziehen. Bereits bei ihrer Konfiguration wird ein dezentralisierter Rufplan eingerichtet. Analoge Endgeräte am Router, die auf der Basis von H.323 oder SIP gesteuert werden, sind auf einen vollständigen Rufnummern-Plan auf dem Gateway angewiesen. Fehlt er, kann keine Verbindung aufgebaut werden.
Verbindungen zum öffentlichen Telefonnetz
Eine nicht korrekte Abstimmung der Trunk-Parameter mit dem Service-Provider beeinträchtigt die Verbindung zum öffentlichen Telefonnetz. Falsche Einstellungen der physikalischen Schnittstellen wie Modulation, Framing und ISDN-Switch-Typ können einen kompletten Verbindungsausfall zur Folge haben.
Darüber hinaus führen fehlerhaft eingehende beziehungsweise ausgehende Übersetzungsregeln (Translation Rules) auf dem H.323- oder SIP-Gateway dazu, dass inkorrekte Rufnummern an den Provider übermittelt werden: ein in der Praxis sehr häufiges Problem. Falsche Berechtigungseinstellungen an diesen Geräten verhindern ebenfalls einen Verbindungsaufbau. Eher selten, aber dennoch möglich sind Ausfälle in der Infrastruktur beim Provider selbst. Nicht zu unterschätzen ist die banale Ursache, dass der Anrufer eine ungültige oder gar nicht existierende Rufnummer wählt.
Oft wachsen Unternehmen nicht gleichmäßig, sondern eher in Schüben. Das überträgt sich in der Regel auf die Anpassung der Infrastrukturen. So erfolgt die Migration vom klassischen Telefonnetz zu Voice over IP, indem viele neue Endgeräte oft in mehreren Phasen integriert werden. Die Gefahr: Schnell entwickelt sich die Verbindung zum Provider auf dem TDM-Gateway zu einem Flaschenhals. Das kann so weit gehen, dass alle Trunk-Ressourcen (Bearer Channels) belegt sind und deshalb keine Verbindung mehr hergestellt wird. Die Herausforderung für den Verantwortlichen ist, dass dieses Problem meist nur vorübergehend anliegt ("transient") und keinem Gerät letztendlich zugeordnet werden kann. Ein Ausweg an dieser Stelle ist, auf eine geeignete Management-Plattform zurückzugreifen, die als Überwachungs-Tool fungiert und zum Monitoring der TDM-Gateways eingesetzt wird.
Die hier vorgestellten Bespiele und Szenarien spiegeln nur einen kleinen Teil des weiten Felds der Fehlersuche in konvergenten Netzen wider. In der Praxis unterschätzen die zuständigen Mitarbeiter diesen Part oft und agieren im Ernstfall unstrukturiert nach dem Muster von Versuch und Irrtum. Dabei besteht die Gefahr des Verzettelns. Deshalb sollte zur Planung einer VoIP-Infrastruktur auch die Vorbereitung auf das Troubleshooting gehören. (Computerwoche/haf)