Skeptiker mögen die euphorischen Cloud-Prognosen von Analysten mit abgeklärter Geste abwinken: Zu viele Hypes hat die Branche im Business-Segment schon durchlebt, zu viele von ihnen haben sich nach kurzer Zeit als Luftblase entpuppt, weil Endkunden den hochgejubelte Trend einfach nicht aufgreifen wollten.
Microsofts bislang missglückter Versuch, dem Gros der Partner und Unternehmenskunden Office 365 schmackhaft zu machen, obwohl das Paket rundum ausgereifte Cloud-Lösungen umfasst, musste dafür in letzter Zeit immer wieder als Paradebeispiel herhalten. Doch ein Beispiel macht noch keinen Trend, zumal die SPLA-Modelle für dieselben Produkte sehr wohl zum Fliegen kamen.
Nüchternheit statt Glamour
Was aber bedeutet es, wenn eine Veranstaltung wie die VMworld rund 8.000 Besucher, unter ihnen 6.000 Endkunden, aus ganz Europa anlockt, die sich vorrangig dem Thema Cloud widmet? Und was bedeutet es, wenn dieser Event weit davon entfernt ist, sich selbstverliebt an Visionen zu ergötzen, sondern sich nahezu bieder den Fragen zur konkreten Umsetzung stellt?
Es könnte bedeuten, dass VMware mit der europäischen Ausgabe der VMworld einen zentralen Nerv der Branche getroffen hat. Und es könnte ein Zeichen dafür sein, dass die Cloud-Technologie tatsächlich reif für den Einsatz in Unternehmen ist. Denn eines war auf der Veranstaltung deutlich zu spüren: Den Besuchern ging es nicht mehr um die Frage ob Cloud für sie überhaupt eine realistische Option darstellt. Sondern sie bewegte vielmehr die Frage, wie Prozesse, Rollen und Architekturen im Unternehmen aufgesetzt sein müssen, um die Möglichkeiten der Cloud in der Praxis auszuschöpfen.
Und klar wurde auf der Veranstaltung auch, dass die Dynamik, mit der sich das Thema Cloud im Markt breit macht, keineswegs auf das Konto jener Hersteller geht, die in den vergangenen Jahren auf ihre traditionellen Produkte nur hektisch das Etikett: "Ist Cloud-ready" klebten, sondern tatsächlich dem Drängen der Endanwender geschuldet ist.
"Legalize User-IT"
Lünendonk-Analyst Hartmut Lürßen spricht gar vom Wettlauf mit der Schatten-IT, für den sich CIOs rüsten müssen: "Waren es früher beispielsweise NAS-Server, die in Abteilungen ohne Backup zum Datenaustausch genutzt wurden, sind heute nur noch wenige Klicks erforderlich und schon ist ein Speicherplatz in der Cloud eingerichtet. Weil diese Cloud-Services so einfach zu nutzen sind, wächst zusätzlich die Zahl der Schatten-IT-Nutzer."
Diesen Wildwuchs wieder unter die Kontrolle der Administratoren zu bringen, ohne den Endanwendern die Nutzung dieser schnell verfügbaren Cloud-Dienste zu verbieten, ist das Hauptanliegen, das VMware auf der diesjährigen VMworld adressierte. Entsprechend brachte sich der Hersteller hier vor allem mit seinem IT-Management-Angebot für die Rechenzentren in Stellung.
Die Möglichkeiten, die sich durch den Zukauf von Zimbra und der Entwicklungsplattform SpringSource samt dem App-Marktplatz ergeben, will VMware offenbar erst im zweiten Schritt adressieren. Microsoft scheint sich derzeit für die umgekehrte Reihenfolge entschieden zu haben.
Das mag auch erklären, weshalb der VMworld diesmal jener hype-typische Glanz der Aufbruchstimmung fehlte. Die Atmosphäre glich eher emsiger Betriebsamkeit. Das muss aber kein Manko sein, sondern verringert die Wahrscheinlichkeit, dass die Wolke bei der ersten Berührung mit der Erde in Ernüchterung verpufft.
Hoster und Service Provider nehmen die Witterung auf
Bei klassischen Hostern und Service Providern allerdings flackert denn doch so etwas wie Aufbruchstimmung auf: Mit satten Rechenzentrumskapazitäten ausgestattet und bestens vertraut mit nutzungsbasierten Abrechnungsmodellen, wittern sie eine handfeste Chance, mit standardisierten Cloud-Infrastruktur-Diensten und Standard-Anwendungen aus ihrer Nische auszubrechen, wie die Beispiele Telefonica, Colt oder Savvis zeigen.
Reseller und Systemhäuser wiederum sehen sich stärker denn je als Consultants und Datacenter-Architekten gefordert. Für den Aufbau des dazu nötigen Know-hows stellt VMware inzwischen nicht nur kostenlose Trainings zur Verfügung, sondern hat mit "Cloud Operation Services" auch ein weltweites Programm für Austausch von Best-Practice-Erfahrungen, beispielsweise bei Cloud-Projekten in bestimmten Branchen, ins Leben gerufen.
Software Defined Datacenter
Auf der VMworld Europe in Barcelona skizzierte VMware seine Reiseroute ins Cloud-Zeitalter. Das wichtigste Ausrüstungsstück für diesen Weg, das "Software Defined Datacenter" in Form der vCloud Suite, hatte der Hersteller bereits einen Monat zuvor auf der weltweiten Konferenz in Las Vegas präsentiert. In Barcelona wurden jetzt zusätzliche Management-Tools enthüllt, die VMware dieser Suite beigepackt hat.
"Das Software Defined Datacenter ermöglicht es Unternehmen nicht nur, mittels Virtualisierung sämtliche Infrastruktur-Ressourcen des Rechenzentrums zu abstrahieren, zu poolen und anschließend zu automatisieren", holte VMware-Chef Pat Gelsinger in seiner Keynote noch einmal aus. "Sondern es gibt ihm auch alle Tools an die Hand, die er braucht, um Anwendern ein Self-Service-Center bereitzustellen, so dass sie jederzeit, von jedem Ort und jedem Endgerät aus Zugriff auf alle Dienste, Infrastruktur-Ressourcen und auf jede Art von Applikationen erhalten."
Dabei soll es keine Rolle mehr spielen, aus welchen Quellen sich diese Dienste und Applikationen speisen - ob aus dem hauseigenen Rechenzentrum, aus der Private, der Public Cloud, oder einem Mix aus beidem.
Voller Support für Microsoft Hyper-V
"Wir sind überzeugt, dass Anwender künftig unterschiedlichste Cloud-Angebote nutzen werden. Unser Bestreben ist es daher, möglichst alle Plattformen zu unterstützen", stellte Stephen Harrod, CTO & Senior Vice President R&D bei VMware, klar. Aktuell erstreckt sich diese Unterstützung nur auf Amazon EC2, weitere sollen aber folgen. Und auch bei den Hypervisor-Plattformen will VMware in Sachen Offenheit offenbar Nägel mit Köpfen machen. Nach einer fast zweijährigen Testphase werde VMware noch im laufenden dritten Quartal auch für Microsoft Hyper-V vollen Support bieten, kündigte der Technologie-Chef an.
Technologische Offenheit ist für VMware auch auf Applikations-Ebene unabdingbar: "Wir werden künftig zunehmend Windows-ferne Applikationen im Einsatz sehen und unsere Technologie wird all diese unterstützen", verspricht Martin Niemer, Solution Manager, CEMEA bei VMware.
Tools zur Prozessautomatisierung
2012 und sicherlich auch 2013 steht für den Hersteller jedoch vor allem das Thema Automatisierung Management ganz oben auf der Agenda. Und VMware-Chef Pat Gelsinger lieferte dafür in seiner Keynote die Begründung: "Unternehmen, die große Teile ihrer IT bereits virtualisiert haben und mit den Möglichkeiten der Cloud liebäugeln oder diese schon nutzen, suchen momentan doch vor allem nach Antworten auf zwei Fragen: 1. Wie betreibe ich diese neue Welt bzw. wie müssen sich die Rollen der Mitarbeiter, die Prozesse und die Kontrollmechanismen verändern, um die Möglichkeiten der Cloud compliance-konform auszuschöpfen. 2. Welche Technologie soll ich verwenden?"
Management-Produkte ergänzt und aufgerüstet
Die auf der VMworld vorgestellten Erweiterungen und Upgrades der Management-Produkte innerhalb der vCloud Suite sollen darauf eine Antwort bieten, in dem sie IT-Administratoren und Unternehmen in drei Bereichen besser unterstützen:
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Bei der richtlinienkonformen Bereitstellung von Applikationen und Infrastruktur (Service Provisioning): Darauf zielen die Neuerungen vCloud Automation 5,1 und vFabric Application Director 5.0 ab. Mit Hilfe der in vFabric ausgelegten "Blueprints" lässt sich die Art und Weise, wie Kunden mehrschichtige Anwendungen in verschiedenen Clouds, einschließlich Amazon EC2, entwickeln und anwenden, standardisieren und beschleunigen. Unterstützt werden sowohl alle Microsoft-packaged Applikationen (Exchange, SQL Server, SharePoint), als auch Kunden-spezifische Anwendungen (Java, .Net, Ruby on Rails).
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Beim Cloud Operation Management, für das VMware jetzt das Upgrade der vCenter Operations Management Suite 5.6 liefert. Sie soll Anwendern helfen, ihre Cloud-Infrastrukturen nach Leistungs-, Compliance- und Effizienz-Gesichtspunkten zu analysieren und zu optimieren.
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Beim Business Management: Dazu dient die neue Lösung vCloud Automation Center, die auf der 2012 übernommenen Technologie von DynamicOps basiert. Sie ist ab sofort Teil der vCloud Suite und ermöglicht es Administratoren und Anwendern, über ein Self-Service-Portal - im Grunde eine Cloud-übergreifende Konsole - neue IT-Services anzufordern oder bestehende Ressourcen zu verwalten.
Einen Überblick über die Details der Neuerungen finden Sie bei TecChannel, einem Schwesterportal von ChannelPartner.
"Die VMware-Lösungen zum Cloud-Management bieten dem Kunden die Möglichkeit, ihre IT nach Cloud-Maßstäben zu betreiben und IT-Services für den geschäftlichen Nutzen wie ein Broker anzubieten", erklärte VMware-CTO Stephen Harrod in seiner Keynote. Das Unternehmen stellt Partnern und Endkunden zudem zahlreiche Tools zum Kosten-Benchmark zur Verfügung.
Preise und Verfügbarkeit
Die aktualisierte Cloud Management Suite wird voraussichtlich in Q4 2012 verfügbar sein.
VMware vCloud Automation Center 5.1, VMware vCloud Connector 2.0, VMware vCenter Operations Management Suite 5.6 und vFabric Application Director 5.0 werden in die VMware vCloud Suite integriert. Diese ist per Prozessor ohne Core-, vRAM- oder VM-Anzahl-Limit lizensiert. Preise starten ab 4.995 US-Dollar pro Prozessor.
VMware vCenter Operations Suite Foundation wird als kostenfreier Download für alle vSphere-Kunden mit aktivem Support verfügbar sein:
Die VMware IT Business Management Suite ist per Nutzer lizensiert.
(rb)