Virtualisierung auf dem Desktop

VMware Workstation 8 im Test

06.10.2011 von Eric Tierling
Für die Virtualisierung auf dem Arbeitsplatz-PC schickt VMware Workstation 8 ins Rennen. Was leistet die renovierte Version des Klassikers?

VMware hat sein Business einst mit einem Desktop-Produkt begonnen. VMware Workstation 1.0, das im Jahre 1999 erschienen ist, erlaubte es, komplette PCs in virtueller Form abzubilden und auf einem physischen Windows- oder Linux-Host in Fenstern anzuzeigen. Diese Idee kam an: Inzwischen tummeln sich zahlreiche Firmen im Markt der x86-Virtualisierung. Obgleich viele professionelle Virtualisierungslösungen mittlerweile auf die Server-Seite abzielen, hat VMware seine Wurzeln bis heute nicht vergessen. Knapp zwei Jahre nach dem letzten großen Release „Workstation 7“ ist am 14. September 2011 die aktuelle Version 8 erschienen. Diesen Einführungstermin schien VMware bewusst gewählt zu haben: Just einen Tag zuvor lupfte Microsoft auf seiner BUILD-Entwicklerkonferenz öffentlich den Schleier von Windows 8 – das als Gast genauso wie als Host mit Workstation 8 läuft.

Virtualisierung exklusiv für 64-Bit-Hosts

Grundsätzlich behält Workstation 8 die Eckmerkmale seiner Vorgänger bei. Weiterhin ist die Software in englischer Sprache exklusiv für Windows- und Linux-Hosts verfügbar. Wer eine Mac-Variante sucht, muss zum Schwesterprodukt „Fusion 4“ greifen. Installieren lässt sich die Software leider nur noch auf physischen Computern mit x86-Prozessoren, die neben der 64-Bit-Erweiterung „x64“ auch die korrespondierende Technik zur hardwareunterstützten Virtualisierung kennen (also „AMD-V“ beziehungsweise „Intel VT-x“). Betroffen von dieser Einschränkung sind in der Regel zwar lediglich ältere oder leistungsschwache Prozessoren wie AMDs Sockel 939er Athlon oder Intels Atom-CPUs aus den 400er und 500er Baureihen. Bei der Umstiegsplanung vom Sechser- oder Siebener-Vorgänger auf Workstation 8 empfiehlt sich dennoch vorab die Prüfung, ob die Host-Hardware dafür überhaupt geeignet ist.

VMware Workstation 8
VMware Workstation 8
VMware Workstation 8 ist der jüngste Nachfahre der 1999 erschienenen Erstversion des PC-Virtualisierungsprodukts.
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Mit dem Home-Register bietet das überarbeitete grafische Verwaltungstool von Workstation 8 einen schnellen Zugang zu wichtigen Aufgaben.
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Das grafische Verwaltungstool hält je nach Darstellungsvariante mehrere Miniaturansichten der einzelnen virtuellen Maschinen bereit.
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Sofern die Hardware des physischen Hosts mitspielt, erlaubt Workstation 8 virtuellen Maschinen die verschachtelte Virtualisierung.
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Hyper-V mit eigenen Gästen als virtuelle Maschine von Workstation 8
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Workstation 8 kann Gästen bis zu 64 GB RAM…
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... sowie Bluetooth-Geräte zuteil werden lassen.
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Die Ordner von Workstation 8 sind leichter zu handhaben als die Teamfunktionen bei den Vorgängerversionen.
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LAN-Segmente werden nun über die Eigenschaften des Netzwerkadapters bearbeitet.
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Workstation 8 gestattet die Freigabe lokaler Gäste, ...
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... sodass diese remote gestartet und verwendet werden können.
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Zugriff auf einen entfernten Virtualisierungshost
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Privilegien regeln, wer bei Remotezugriffen was darf.
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P2V-Umwandlungen erledigt Workstation 8 mithilfe eines Assistenten.
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Konvertierungsoptionen für verbreitere Konkurrenz- und Backuptools vereinfachen die Erstellung virtueller Gäste.

Immerhin lässt sich VMwares Produkt problemlos auf heutzutage verbreiteten x64-Prozessoren installieren. Denn im Gegensatz zu der von Microsoft für den Windows 8-Client geplanten Hyper-V-Implementierung erfordert Workstation 8 keineswegs zwingend eine 64-Bit-CPU, die SLAT (Second Level Address Translation) beherrscht. Diese junge Technik ist erst in neueren AMD- und Intel-Prozessoren ab den Baureihen Barcelona respektive Nehalem enthalten, was die Einsatzfähigkeit einschränkt.

Verschachtelte Virtualisierung

Eine Ausnahme von der „SLAT-ist-nicht-erforderlich“-Regel gibt es aber auch beim VMware-Produkt: Workstation 8 erlaubt die Virtualisierung der Hardwarevirtualisierung. Das setzt jedoch ausdrücklich voraus, dass sich im physischen Host eine CPU neuerer Bauart befindet, die Second Level Address Translation an Bord hat. VMware führt ins Feld, dass bei diesem speziellen Szenario die zur Virtualisierung der Hardwarevirtualisierung erforderliche Performance nur mithilfe von SLAT gewährleistet sei.

Diese Funktion zur Verschachtelung mehrerer Virtualisierungsprodukte schafft ganz neue Möglichkeiten. Zum Beispiel lässt sich hierdurch in einem Windows Server 2008 R2-Gast die Hyper-V-Rolle erfolgreich einschalten und so die Microsoft-Virtualisierungstechnik innerhalb eines VMware-Gastes begutachten. Mit älteren Workstation-Versionen, denen diese Virtualisierung der Hardwarevirtualisierung fremd ist, sind solche Versuche von vorneherein zum Scheitern verurteilt.

Um die Verschachtelung nutzen zu können, ist lediglich in der Prozessorkonfiguration der jeweiligen virtuellen Maschine die Option „Virtualize Intel VT-x/EPT or AMD-V/RVI“ einzuschalten. Für Hyper-V muss die vmx-Konfigurationsdatei außerdem um den Eintrag hypervisor.cpuid.v0="FALSE" erweitert werden. In unserem mit Core i7 versehenen Test-PC funktionierte das einwandfrei, wenngleich Hyper-V-Gäste nur eine geringe Performance an den Tag legten. Auf einem mit Core 2-Prozessor operierenden Test-Computer hingegen, der SLAT nicht unterstützte, erschien eine Fehlermeldung schon beim Versuch, einen Gast zu starten, bei dem diese Option aktiviert worden war.

VMware Workstation 8 ist technisch up-to-date

VMware versucht, dem aktuellen Stand der Technik gerecht zu werden. Beispielsweise hat Workstation 8 beim Gast-RAM kräftig nachgelegt. Sofern der physische Host über entsprechenden Arbeitsspeicher verfügt, kann eine virtuelle Maschine jetzt auf bis zu 64 GB zurückgreifen. Zudem bietet Workstation 8 seinen Gästen HD-Audio mit 7.1-Surround-Sound. Genauso gestattet es das Produkt, über USB an den Host angeschlossene Bluetooth-Geräte an virtuelle Maschinen weiterzuleiten.

Eine Unterstützung für USB 3.0 ist ebenfalls vorhanden. Laut Readme-Datei bezieht sich diese in der ersten Version von Workstation 8 (Build-Nummer 471780) aber nur auf Linux-Gäste, die den Kernel 2.6.35 oder höher verwenden. Selbst dann muss die vmx-Konfigurationsdatei noch von Hand angepasst werden, um die USB 3.0-Unterstützung bei der virtuellen Maschine explizit einzuschalten. An dieser Stelle besteht Nachbesserungsbedarf, denn die Windows-Umsetzung sowie eine grafische Konfigurationsoption sollte VMware rasch nachrüsten.

Kosmetik im GUI von VMware Workstation

Mitunter sind bei Workstation 8 sogar Funktionen weggefallen, die in Vorgängerversionen noch existierten. Das betrifft vor allem Teams: Diese Gruppierung virtueller Maschinen hat VMware bei Workstation 8 gänzlich gestrichen. Stattdessen gibt es nun Ordner, die sich in der linken Bibliotheksspalte des grafischen Verwaltungstools ganz nach Bedarf erstellen lassen. Die gewünschten virtuellen Maschinen werden einem Ordner beispielsweise per Drag-and-Drop zugeordnet. Anschließend lassen sich Aktionen wie das Starten oder Herunterfahren auf Ordnerebene durchführen, um die jeweiligen Operationen in einem Durchgang bequem auf alle zugehörigen VMs anzuwenden. Sinnvollerweise ist über die allgemeinen Workspace-Präferenzen von Workstation 8 eine Einschaltverzögerung definierbar, damit die VMs einer Gruppe nicht alle gleichzeitig, sondern mit zeitlichem Abstand gestartet werden.
Mit dem Wegfall der Team-Funktionen gehen weitere Veränderungen einher. So erfolgt die Erstellung virtueller LAN-Segmente sowie die Bearbeitung ihrer maximalen Übertragungsgeschwindigkeiten im Rahmen der Konfiguration eines Netzwerkadapters.

Gäste-Netz mit Remote-Zugriff auf Virtualisierungs-Hosts

Auf Teamworking mit Kollegen setzt VMware stärker denn je. Workstation 8 erlaubt den https-geschützten Remotezugriff auf entfernte Virtualisierungs-Hosts, um dort virtuelle Maschinen anzulegen, zu bearbeiten und zu starten. Die Anmeldung bei einem Remote-Server geschieht denkbar einfach: Rechnername oder IP-Adresse sowie ein dort gültiger Benutzername mitsamt Kennwort reichen bereits aus. Zusätzlich enthält Workstation 8 die Möglichkeit zum Upload virtueller Maschinen auf entfernte Virtualisierungshosts, um Gäste manuell zu verteilen. Voraussetzung ist lediglich, dass diese Systeme mit Workstation 8 respektive den Artverwandten ESX, ESXi oder vCenter Server 4.1 und höher arbeiten, die allesamt von VMware stammen.

Analog dazu gestattet Workstation 8 die Freigabe seiner eigenen lokalen Gäste, um anderen Virtualisierungshosts und -clients den Remotezugriff darauf zu gewähren (unterstützt werden bis zu 100 gleichzeitige Remoteverbindungen pro freigegebener VM). Über die eingebaute Rechteverwaltung lassen sich die dafür infrage kommenden Benutzer und Gruppen detailliert mit Rollen versehen, die sich aus differenzierten Privilegien zusammensetzen. Flankiert wird das Ganze durch die Option, freigegebene Gäste beim Hochfahren des Hosts automatisch zu starten, ohne dass sich dort ein Benutzer interaktiv anzumelden braucht.

Nützliches in VMware Workstation 8

An einer einfacheren Bedienung hat VMware ebenfalls gefeilt. Durch Auswahl der neuen Option „Power On to BIOS“ im grafischen Verwaltungstool wird beim Booten des Gastes sofort sein BIOS-Setup aufgerufen. Wer bislang nach dem Starten einer VM beim Drücken der F2-Taste nicht schnell genug war, um ins BIOS-Setup des Gastes zu gelangen und dort die Boot-Reihenfolge zu ändern, weiß diese Verbesserung zu schätzen.

Zur Serienausstattung von Workstation 8 gehört außerdem das Tool „VMware Converter Standalone 5.0“. Mit diesem Tool ist es relativ leicht, vorhandene physische Computer als virtuelle Maschinen abzubilden (in Assistentenform hat VMware diese Funktionen zudem in das grafische Verwaltungstool von Workstation 8 integriert). Des Weiteren lassen sich PC-Sicherungen, die beispielsweise mit Acronis- oder Symantec-Backup-Programmen kreiert worden sind, mit der Converter-Software gezielt in Workstation 8-Gäste umwandeln. Dasselbe gilt für virtuelle Maschinen, die im Microsoft- oder Parallels-Format vorliegen, um diese in der VMware-Umgebung weiterzuverwenden.

Die Konkurrenten: Windows Virtual PC und VirtualBox

VMware Workstation 8 ist nicht allein auf weiter Flur. Eines der bekanntesten Konkurrenzprodukte stellt das kostenlose „Windows Virtual PC“ von Microsoft dar. Gleichzeitig bildet dieses die technische Basis für den Windows XP-Modus von Windows 7 Professional, Enterprise und Ultimate.
Ebenso hat Oracle eine kostenlose Alternative in petto. „VirtualBox 4.1“ weist einen beachtlichen Funktionsumfang auf, der teilweise nahe an den Workstation 8-Konkurrenten von VMware heranreicht. Darüber hinaus lässt sich die Oracle-Virtualisierungslösung nicht nur unter Windows und Linux, sondern auch auf Mac- und Solaris-Hosts betreiben. Außerdem ist VirtualBox auf PCs einsetzbar, die noch mit einem älteren, nicht 64-Bit-fähigen x86-Prozessor arbeiten. VMware Workstation 8 hingegen setzt einen Windows- oder Linux-Host voraus, in dem eine 64-Bit-CPU werkelt, und läuft unter anderen Host-Betriebssystemen genauso wenig wie auf reinrassigen 32-Bit-Prozessoren.

Aus dem kommerziellen Lager stammt die potenzielle Alternative „Workstation 6 Extreme“. Hersteller Parallels versucht, sein Produkt als Speziallösung zu positionieren und mit Merkmalen zu punkten, die Konkurrent VMware in dieser Form nicht bietet. Dazu zählen der direkte I/O-Zugriff von virtuellen Maschinen auf die Netzwerkadapter sowie die Grafikkarten des physischen Host (sofern dieser mit bestimmten Intel-CPU sowie AMD FirePro- oder NVIDIA Quadro-Grafikkarten ausgestattet ist). Des Weiteren findet sich im Apple-Appstore ein Mobilclient für iPad, iPhone und iPod Touch, den sich Parallels jedoch extra bezahlen lässt. Dabei ist das Produkt selbst bereits alles andere als preiswert: Inklusive einjährigem Wartungsvertrag müssen Käufer von Parallels Workstation 6 Extreme ganze 399 Euro auf den Ladentisch legen.

Fazit VMware Workstation 8

Nach wie vor ist VMware der Platzhirsch bei der Virtualisierung auf dem Arbeitsplatz-PC. Workstation 8 wartet mit einer Reihe praktischer Neuerungen auf, die einen effizienteren Umgang mit virtuellen Maschinen gestatten. Durch die nahtlos eingebundenen Sharing- und Remotefunktionen verschwimmen zusehends die Grenzen zwischen lokalen und entfernten Virtualisierungshosts, was die Arbeit abermals vereinfacht. Allerdings müssen diese mit Produkten aus dem Hause VMware bestückt sein, sonst klappen Remotezugriffe nicht.

Mit 199 US-Dollar (für das Upgrade von der Sechser- und Siebener-Vorgängerversion muss der Käufer nur die Hälfte berappen) ist das Produkt kein wirkliches Schnäppchen, sodass die Investition überlegt sein will. Gegenüber der kostenpflichtigen Konkurrenz aus dem Hause Parallels schlägt Workstation 8 aber gerade einmal mit der Hälfte zu Buche – ein klarer Pluspunkt für VMware. Wer nichts ausgeben möchte, kann zum leistungsstarken Oracle-Rivalen VirtualBox 4.1 greifen, der vieles von dem, wofür VMware Geld sehen will, kostenlos bietet.

Spannend wird es, wenn in einigen Monaten Windows 8 auf den Markt kommt. Denn die darin enthaltene Hyper-V-Client-Uumsetzung bietet ebenfalls beeindruckende Möglichkeiten (unter anderem Dynamic-Memory und Live-Storagemigration), die keinen Cent kosten. Aus technischer Sicht verkürzt Microsoft damit den technologischen Abstand zu VMware deutlich. Die bisher unangefochtene Nummer Eins in Sachen Desktop-Virtualisierung dürfte das bei der Preisgestaltung seines Workstation 8-Produkts kräftig unter Druck setzen. (wh)