Virtualisierung betrifft mittlerweile fast alle Bereiche der IT. Wir haben daher Virtualisierungs-Tools getestet, mit denen die Arbeit auf dem Desktop leichter wird.
von Thomas Bär und Frank-Michael Schelde
Virtualisierung ist keine Domäne von Profis oder Systemspezialisten. Zudem wird nicht auf Servern oder großen Storage-Boxen virtualisiert, sondern auch auf Desktop-Systemen können Virtualisierungstechniken sinnvoll eingesetzt werden. Wir haben grundlegende Tipps und Tools rund um das Thema zusammengetragen.
Drei Tipps zur Desktop-Virtualisierung
Tipp 1. Ist spezielle Hardware notwendig, wenn man auf einem Desktop-Rechner eine Virtualisierungslösung nutzen möchte?
Grundsätzlich lässt sich Virtualisierung auch ausschließlich auf Softwarebasis lösen. Moderne Anwendungen setzen allerdings auf die in den aktuellen CPUs vorhandenen Hardware-Features, die eine weitaus schnellere Virtualisierung ermöglichen. Die meisten Prozessoren von Intel und AMD bieten bereits die notwendige Voraussetzung, um Virtualisierung zu unterstützen. Je nach Art der eingesetzten Lösung müssen aber unterschiedliche Features vorhanden sein. Während Lösungen wie die VirtualBox auch mit älteren CPUs von Intel zusammenarbeiten, setzt beispielsweise Hyper-V auf Windows-8-Systemen das Vorhandsein des Features Second Level Address Translation (SLAT) voraus. Hier muss mindestens eine CPU aus der Core-I-Serie zum Einsatz kommen.
Tipp 2. Wie stellt man fest, ob der Rechner die nötigen Features bietet?
Oft ist es nicht einfach, den CPU-Typ festzustellen, der im Rechner verbaut wurde. Auf den Websites der Spezialisten von Sysinternals bei Microsoft gibt es hierfür die kostenlose Software coreinfo zum Download. Das Kommandozeilenprogramm zeigt einige Informationen über den verwendeten Prozessor. Ruft man es in der folgenden Form auf, wird die gewünschte Information zur Virtualisierungsfähigkeit des Prozessors berichtet:
coreinfo -v
In der Anzeige ist es dann ein Sternchen beim Eintrag EPT (Extended Page Table), das die gesuchte Funktion als vorhanden anzeigt. EPT ist eine andere Bezeichnung für die SLAT-Fähigkeit des Prozessors.
Tipp 3. Nur eine Virtualisierungslösung auf dem System.
Wer beispielsweise den VMware-Player auf einem Windows-8-System installieren möchte, wird möglicherweise eine Überraschung erleben: Bereits das Installationsprogramm teilt dem Anwender mit, dass "dieses Produkt nicht auf einem System installiert werden sollte, auf dem Hyper-V installiert ist". In diesem Fall ist das Problem konkret benannt und die Deinstallation des Hyper-V-Features vom Windows-8-System beseitigt es zuverlässig. Dass es sich dabei nicht um eine Marketingaktion handelt, zeigt der Versuch, eine Version der Freeware VirtualBox ebenfalls auf einem Windows-8-System mit Hyper-V einzusetzen. Die Software lässt sich zunächst problemlos auf einem System installieren, auf dem sich bereits Hyper-V befindet. Wenn der Anwender aber versucht, ein 64-Bit-System oder eine weitere Version von Windows 8 in einer virtuelle Maschine zu installieren, meldet die Software, dass kein 64-Bit-CPU zu finden sei - obwohl die Hardware definitiv vorhanden ist.
Grund für diese Fehlermeldungen: Moderne Virtualisierungslösungen benötigen die Hardware-Features der Prozessoren exklusiv für sich. Eine zweite Software kann diese nicht verwenden, so dass die Lösung als nicht mehr vorhanden erscheint. Man soll daher immer nur eine Virtualisierungslösung auf dem Desktop-System verwenden. Kommt Hyper-V zum Einsatz, so lässt sich keine zweite Lösung auf dem Windows-8-System betreiben.
Anwendungen virtualisieren mit Evalaze
Natürlich kann zum Betrieb einer Anwendung ein komplettes Betriebssystem in einer virtuellen Maschine auf einem Windows-, Linux- oder Mac OS-X-Desktop betrieben werden. Daneben erlauben Lösungen wie Evalaze aber auch einzelne Programme in einer "virtuellen Box".
Was leistet Evalaze?
Einfach zu bedienende Software, die den Anwender mit Hilfe von Assistenten bei der Softwarevirtualisierung unterstützt.
Software, Anleitung und Assistent sind komplett in deutscher Sprache. Eine Freeware-Version (auch in 64-Bit) der Lösung steht für den Privatgebrauch ebenfalls zur Verfügung.
Ein ideales Programm, um beispielsweise zwei (oder auch mehr) unterschiedliche Versionen einer Software auf einem System zu betreiben. Auch Windows-8-Systemen werden in der aktuellen Version unterstützt.
Fazit: Wer das Problem hat, dass er auf seinem System etwa alte Softwareversionen neben einer aktuellen Version verwenden muss, sollte einen Blick darauf werfen. Beim Test zeigte sich, dass mit Hilfe des Assistenten auch weniger erfahrene Nutzer ohne Probleme eine virtualisierte Software nutzen können. Die unterscheidet sich nur beim Start durch das Erscheinen eines "Splash-Screens" von der anderen Lösung. Die Freeware erlaubt es zwar beliebig viele Programme zu virtualisieren, ist jedoch in ihren Möglichkeiten beschränkt. Für einen ernsthaften Einsatz sollten Anwender auf eine kommerzielle Version zurückgreifen, denn dann besitzen sie alle Freiheiten zur Gestaltung des Virtualisierungstools.
Der "Sandkasten" auf Windows 7: Bufferzone Pro
Auch Bufferzone Pro von Trustware ist darauf spezialisiert, Anwendungen auf dem Desktop durch eine Virtualisierungslösung vor schädlichen Einflüssen zu schützen. Dies gelingt, in dem alle Programme und Daten, die über externe Verbindung auf den Rechner gelangen, in einer virtuellen Umgebung abgearbeitet werden.
Was leistet Bufferzone?
Einfach zu installierende Lösung, die eine Sandbox auf Windows XP, Vista und Windows-7-System einrichtet und überwacht. Die Grundversion der Software ist für den privaten Einsatz kostenlos.
Nicht nur Online-Zugriffe, sondern auch Daten, die über einen USB-Anschluss auf das System gelangen, werden in die Sandbox umgeleitet und können so kaum Schaden anrichten.
Die Belastung für das Windows-System durch die Software ist im Gegensatz zu vielen anderen Virtualisierungslösungen gering.
Fazit: Die Grundidee von Bufferzone Pro überzeugt. Handhabung und Bedienung der Software sind einfach und logisch. Leider bietet der Hersteller offiziell noch keine Unterstützung für Windows-8 - auch wenn die Software im Test auf einem Windows 8 Enterprise problemlos lief. Zudem ist die Software, zwar laut Hersteller 64-Bit-kompatibel (und funktionierte auf dem 64-Bit-Testsystem), es handelt sich aber um eine reine 32-Bit-Lösung. Für den professionellen Einsatz steht zusätzlich eine erweiterte Version bereit, die unter anderem über Gruppenrichtlinien gesteuert werden kann.
Windows auf dem Mac: Parallels Desktop 8
Viele Anwender schwören auf Mac-Rechner, wenn sie ihre tägliche Arbeit mit dem Computer verrichten. Allerdings müssen auch diese Nutzer mit der Tatsache leben, dass Windows den kommerziellen Markt beherrscht. Virtualisierungs-Programme wie Parallels Desktop 8 sollen eine Brücke zwischen den Betriebssystemen sein.
Was leistet Parallels Desktop 8?
Mit Hilfe des Assistenten (alles voll lokalisiert in deutscher Sprache) ist die Virtualisierung anderer Betriebssysteme auf der OSx-Plattform einfach zu handhaben.
Die Integration in Mac-OSx erleichtert den Austausch von Daten zwischen Windows-Betriebssystem und Anwendungen sowie dem Host-System.
Eignet sich auch für Tests neuerer Mac-OSx-Version innerhalb einer virtuellen Maschine - was mit anderen Lösungen schwer oder überhaupt nicht möglich ist.
Was überzeugt weniger?
Obwohl die Integration von Windows 8- und Windows Server 2012 gut gelungen ist, wäre ein eingängigerer Tastencode für die Windows-Taste wünschenswert. Der Ersatz der Tastenkombination "Windows-Taste +X" durch "FN-Taste + CMD-Taste + X" ist umständlich.
Wer Parallels Desktop 8 für den Mac dauerhaft nutzen möchte, muss rund 80, - Euro zahlen. Zuvor kann er die Software auf seinem System nur für 14 Tage ohne Einschränkung testen.
Fazit: Was die Integration in das OS-X-System und die Unterstützung aktueller Betriebssysteme und Techniken auf den Mac-Rechnern angeht, ist Parallels nicht zu schlagen. Allerdings werden die Nutzer bei ihren Entscheidungen häufig eingeschränkt. Anwender müssen oft nachdrücklich darauf bestehen, dass sie eine andere Konfiguration als die vorgeschlagene haben wollen. Aber das ist wohl mehr der Philosophie der Apple-Plattform zu verdanken.
Der "kleine Bruder": VMware Player
Die EMC-Tochter VMware ist mittlerweile ein Synonym für den Begriff Virtualisierung. Gerade im professionellen Bereich der Server- und Rechenzentrums-Virtualisierung besitzt die Firma eine große Marktpräsenz. Aber auch auf dem Desktop hat der Hersteller einige Softwareprodukte zu bieten. Ein Beispiel ist das kostenlose Tool VMware Player.
Was leistet VMware Player?
Schnell installierte Lösung, mit der sich eine virtuelle Maschine konfigurieren und ausführen lässt.
Die Lösung steht sowohl für Linux- als auch Windows-Systeme in einer 64- und in einer 32-Bit-Version bereit. Eine kommerzielle Version mit entsprechendem Support liefert die Firma zusammen mit VMware Fusion Professional aus. Das Tool erlaubt die Virtualisierung von Windows-Systemen auf der OS X-Plattform.
Auch virtuelle Maschinen, die mit den Profi-Produkten von VMware erstellt wurden, lassen sich mit dieser Software betreiben.
Fazit: Anwendern, die schnell auf ihrem Windows- oder Linux-System ein anderes Betriebssystem nutzen möchten, steht mit dem VMware Player eine professionelle freie Version zur Verfügung. Allerdings müssen sie sich damit abfinden, dass VMware seine Produkte ausschließlich in Englisch und Japanisch anbietet.
Absoluter Profi: VMware Workstation
Systemprofis nutzen häufig VMware Workstation als Virtualisierungs-Lösung, um beispielsweise Testsysteme auf Desktop-Rechnern zu untersuchen. Geht es um Profi-Features und die Unterstützung vielfältiger Optionen, so ist diese Lösung kaum zu schlagen.
Was leistet VMware Workstation?
Professionelle Virtualisierungslösung, mit der fast alle 32- und 64-Bit-System virtualisiert betrieben werden können.
Direkt Zugriffsmöglichkeit auf einen ESX-Server über das Netzwerk einschließlich des Verschiebens virtueller Maschinen.
Umfangreiche Konfigurationsmöglichkeiten bei der Arbeit mit dem Netzwerk, MAC-Adressen und virtuellen Netzwerkkarten. Administratoren können unter anderem den ein- und ausgehenden Netzwerkverkehr genau festlegen oder einen "Packet Loss" simulieren.
Fazit: Bei der VMware Workstation - im Test kam die aktuelle Version 9.02 zum Einsatz - handelt es sich um ein Profi-Tool. Mit dessen Hilfe lassen sich ganze Netzwerkszenarien simulieren. Aktuell bietet VMware bereits einen sogenannten "Technology Preview" auf die kommende Version zum Download an. In dieser Version kommen weitere Profi-Features ergänzend hinzu. Dazu gehört etwa die Möglichkeit, eingeschränkte virtuelle Maschinen zu betreiben, die nur eine limitierte Laufzeit besitzen. Der anvisierten Zielgruppe für das Programm wird es dabei egal sein, dass auch die teure Vollversion der VMware Workstation ausschließlich in englischer und japanischer Sprache angeboten wird.
Kostenlose Alternative: Oracle Virtual Box
Kein Überblick über Virtualisierungslösungen für den Desktop wäre ohne VirtualBox von Oracle komplett. Ursprünglich vom Unix- und Workstation-Spezialisten Sun Microsystems entwickelte, wird die Software auch von Oracle weiterbetreut.
Was leistet VirtualBox?
Freie Software, die für eine große Anzahl unterschiedlicher Linux-Plattformen, Sun Solaris, alle Windows-Systeme und Mac OS X bereitsteht. Die Software wurde in vielen Sprachen lokalisiert.
Sehr schnelle Weiterentwicklung - neue Betriebssystem-Versionen werden sowohl als Host- als auch als Gast-Systeme in 32- und 64-Bit frühzeitig unterstützt.
Logische Benutzerführung, die Einsteigern die Bedienung erleichtert. Umfangreiche Hilfestellungen durch eine große Community.
Fazit: VirtualBox ist für den Einstieg in die Verwendung von Virtualisierungssoftware auf dem Desktop eine ideale Lösung. Die Benutzerführung erleichtert auch ungeübten Nutzern Installation und Betrieb. Erfahrenen Anwendern stehen weitergehende Konfigurationen zur Verfügung. Zwar kann VirtualBox bei den Möglichkeiten zur Netzwerkkonfiguration noch nicht mit der VMware Workstation mithalten, stellt sich ansonsten aber als ebenbürtiger Konkurrent dar.
(Der Beitrag wurde von der CP-Schwesterpublikation Computerwoche übernommen / rb)