Mit der Open-Source-Software VirtualBox können Benutzer Betriebssysteme virtualisieren. Ein Test zeigt, was der kostenlose Hypervisor leistet.
Bei VirtualBox handelt es sich um einen Software-Hypervisor, der es Unternehmen und privaten Nutzern relativ einfach erlaubt, in die Virtualisierung von Betriebssystemen einzustiegen. Ein wesentlich Pluspunkt der Software: Sie ist größtenteils Open Source; zu Testzwecken kann sie beliebig und kostenfrei genutzt werden. Anweder, die VirtualBox nur für die eigene Verwendung einsetzen, müssen generell keine Gebühren zahlen. Die quelloffene Software eignet sich deshalb insbesondere gut zu Testzwecken im Rahmen von Virtualisierungsprojekten.
Entwickelt wurde die Software eigentlich vom deutschen Unternehmen innotek , das von Sun Microsystems übernommen wurde. Sun wiederum ist zwischenzeitlich unter das Dach von Oracle geschlüpft. Der von Larry Ellison geführte Konzern investiert weiter in die Entwicklung von VirtualBox, änderte aber den Namen in Oracle VM VirtualBox.
Zu den Vorzügen der quelloffenen Software gehört, dass sie fast alle gängigen Betriebssysteme als Host-Systeme unterstützt. Interessierte finden die passenden Dateien für Windows, Linux, Mac OS oder Solaris online. Die Open-Source-Variante lässt sich auch in Eigenregie aus den entsprechenden Quellen kompilieren.
Produkt |
Oracle VM VirtualBox |
Version |
3.1.6 |
Hersteller |
Oracle (Sun) |
Download |
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Host-Systeme |
Linux, Windows, Mac OS, Solaris |
Gast-Systeme |
Linux, Windows (bis inklusive Windows 7 und Server 2008 R2), Solaris, BSD; IBM OS/2, andere Einstellungen |
Prozessoren |
32- und 64-Bit |
Zusatzfunktionen |
Snapshot, nahtlose Integration mit dem HostSystem, 3-D-Beschleunigung, Zugriff auf USB-Geräte, RDP-Zugriff |
Preis |
kostenlos, Enterprise Lizenz zirka 50 Euro |
Features und Funktionen
Seit dem letzten Test hat sich die VirtualBox deutlich weiterentwickelt. Zum Testzeitpunkt lag Version 3.1.6 vor. Inzwischen ist bereits die Version 3.2.6 fertig. Doch nicht nur die Versionsnummer hat mit der 3.x einen großen Sprung getan. Der Kauf durch Sun hat die Entwicklung anscheinend positiv beeinflusst. Denn die aktuelle VirtualBox kann mit zahlreichen professionellen Features aufwarten. Besonders praktisch für den Alltag: Virtuelle Maschinen lassen sich nun pausieren und wieder starten.
Eine Übersicht über die Neuerungen finden Sie im Artikel „VirtualBox 3.1 – die wichtigsten Neuerungen“. Dabei gehen wir vor allem auf das Teleportations-Feature ein, mit dem virtuelle Maschinen zwischen verschiedenen physikalischen Hosts transportiert werden können.
Ebenfalls neu ist die Unterstützung für 64-Bit-Betriebssysteme, und die Software kann jetzt sowohl mit Intels VT-x als auch mit AMDs AMD-V umgehen. Gastsysteme können dadurch die Vorteile von 64-Bit nutzen. Das bietet den Gästen nicht nur den Zugriff auf mehr Arbeitsspeicher, sondern macht bestimmte Virtualisierungsszenarien erst möglich: So setzt beispielsweise die aktuelle Version von Microsoft Server 2008 R2 eine 64-Bit-Umgebung voraus.
Besondere Erwähnung verdient der “nahtlose Modus“. Dabei werden einzelne Programme, die in der virtuellen Maschine ausgeführt werden, direkt im Host-System angezeigt. Das ist beispielsweise praktisch, wenn ein älteres Programm weiter genutzt wird oder wenn eine Website mit mehreren Browsern unterschiedlicher Betriebssysteme getestet werden soll.
Möglich wird der nahtlose Modus durch die Gasterweiterungen von VirtualBox. Doch diese Erweiterungen bringen noch mehr: Sie ermöglichen beispielsweise, dass der Nutzer den Eingabemodus nahtlos zwischen dem virtuellen und dem Host-System wechseln kann – ohne dass ein spezieller Hotkey gedrückt werden muss. Außerdem liefert VirtualBox über diese Erweiterungen eine sehr gute 3-D-Leistung für das virtuelle System. Nach der Installation der Erweiterungen arbeitet das Gastsystem deutlich schneller, unter Linux lassen sich beispielsweise auch die Compiz-Erweiterungen für Gnome und KDE nutzen. Weitere Informationen zu den Gasterweiterungen finden sich hier.
Open-Source oder proprietär: die Lizenzmodelle
Oracle VM Virtual Box wird in mehreren Lizenzmodellen angeboten. Zum Testen oder für private Nutzer ist das Programm kostenlos unter der VirtualBox Personal Use and Evaluation License verfügbar; diese ist allerdings proprietär. Für den kommerziellen Einsatz können reguläre Lizenzen über Oracle bezogen werden.
Alternativ hat innotek vor der Sun-Übernahme im Januar 2007 eine Open-Source-Version unter der GPL veröffentlicht. Diese VirtualBox Open Source Edition (OSE) ist nahezu inhaltsgleich mit der proprietären Version, allerdings müssen Nutzer hier auf drei Funktionen verzichten, die nur in den proprietären Varianten enthalten sind. Diese sind:
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Remote Display Protocol (RDP) Server: VirtualBox kann auf jeder virtualisierten Hardware einen RDP-Server aufsetzen. Dadurch kann man sich mit jedem RDP-Client direkt mit virtuellen Maschinen verbinden.
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USB-Unterstützung: Die proprietäre Version von VirtualBox nutzt einen virtuellen USB Controller, um den virtuellen Maschinen Zugriff auf angeschlossene USB-Geräte zu ermöglichen.
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USB per RDP: Diese Funktion ermöglicht den Zugriff auf lokale USB-Geräte, wenn man sich mit der virtuellen Maschine per RDP verbindet.
Diese Lizenzierung schränkt den Einsatz der Open-Source-Version teilweise ein. Sie eignet sich aber dennoch als Grundlage für einen Server, die RDP-Funktionen lassen sich schließlich mit verschiedenen Lösungen nachrüsten.
In der Praxis
Sun hat mit den Assistenten von VirtualBox einen guten Job gemacht. Die Software ist inzwischen komplett auf Deutsch übersetzt, daneben lassen sich zahlreiche weitere Sprachpakete nachladen. Das Anlegen neuer virtuellen Maschinen geht relativ schnell von der Hand, ein Assistent führt Schritt für Schritt durch die Grundkonfiguration, die auch das Anlegen einer virtuellen Festplatte beinhaltet.
Zunächst ungewohnt: ISO-Dateien von Betriebssystemen müssen zuerst in ein Verzeichnis von VirtualBox aufgenommen werden, bevor sie zur Installation verwendet werden können. Das sorgt zunächst für einen zusätzlichen Schritt, zahlt sich aber spätestens dann aus, wenn mehrere Systeme aufgesetzt werden sollen. Denn so stehen die ISO-Dateien immer zur Verfügung und müssen nicht erst auf der Festplatte gesucht werden.
Ist das Gastsystem aufgesetzt, sollten zunächst die Gasterweitungen installiert werden. Wie weiter oben beschrieben, bringen diese nicht nur neue Funktionen mit sich, sondern sorgen auch für einen deutlichen Zuwachs an Geschwindigkeit. Problematisch allerdings: Während in unserem Test unter Linux die 3-D-Effekte von Compiz problemlos funktionierten, wollte Microsoft Windows 7 die Aero-Effekte nicht aktivieren. Grund dafür ist der Treiber der virtuellen Grafikkarte. Dieser entspricht nicht dem Windows Display Driver Model (WDDM), sodass die Aero-Effekte ihre Arbeit verweigerten.
Abgesehen von diesen grafischen Einschränkungen arbeitet Windows 7 aber problemlos in VirtualBox. Auch die Auslastung des Host-Systems hält sich in Grenzen. Im Test liefen zwei Maschinen parallel (Windows 7 und Ubuntu 9.10), und dennoch ließ es sich bequem arbeiten. Die CPU unseres Testsystems war zu etwa 15 Prozent ausgelastet, deutlich mehr Last lag allerdings auf dem Arbeitsspeicher. Mit den zwei virtuellen Maschinen und den sonstigen offenen Programmen wurden ständig etwa 6 GByte von insgesamt 8 GByte Arbeitsspeicher belegt. Wer also mehrere virtuelle Maschinen parallel über einen längeren Zeitraum betreiben will, sollte in jedem Fall ein 64-Bit-Host-System mit ausreichend Arbeitsspeicher verwenden.
VirtualBox bietet ein eigenes Snapshot-System. Damit können die Zustände virtueller Maschinen gespeichert werden. Das ist beispielsweise dann nützlich, wenn experimentelle Software getestet werden soll. Für die Erstellung eines Snapshots muss das virtuelle System allerdings heruntergefahren werden, während des Betriebs ist eine Abbilderstellung nicht möglich. Einmal erstellte Images können zwar gecloned werden, dies geschieht aber über die Kommandozeile. Abhilfe schafft das Tool CloneVDI. Dieses bietet nicht nur eine grafische Oberfläche für Clone-Aktionen, es kann außerdem die Größen der virtuellen Festplatten ändern und so beispielsweise mehr Speicherplatz zur Verfügung stellen.
Dafür kann VirtualBox mit dem OVF-Format umgehen. Dieses wurde von VMware kreiert, um virtuelle Appliances verteilen zu können. Anders als etwa VMDK enthält eine OVF-Datei auch Informationen zur virtuellen Hardware einer Appliance. So kann man beispielsweise definieren, wie viele Netzwerkkarten enthalten sind, wie leistungsfähig die virtuelle CPU ist oder wie viel Arbeitsspeicher zur Verfügung steht. Das ermöglicht komplett eigenständige virtuelle Appliances, wie sie beispielsweise im Marketplace von VMware zur Verfügung stehen. Eine alternative Übersicht bietet beispielsweise die Website VirtualBoxImages.
Fazit und Ausblick
VirtualBox hat sich von der reinen Spielerei für Computer-Profis zu einem einfach zu bedienenden und vielseitigen Hypervisor für die Virtualisierung entwickelt. Die Software steht anderen kommerziellen Produkten wie VMware Workstation oder Microsoft Virtual PC kaum nach - lediglich die Treiber für Windows-Grafikkarten und die Cloning-Funktionen sollten noch verbessert werden.
Dafür sichert die Open-Source-Version die Unterstützung einer breiten Community. Das schlägt sich beispielsweise in Projekten wie vboxweb oder dem oben erwähnten CloneVDI nieder. Diese Projekte wollen die VirtualBox Web Console komplett überarbeiten und eine modernes, auf AJAX-basierendes Web-Interface schaffen, mit dem sich auch entfernte Server einfach und bequem administrieren lassen. Auch Sun hat die Entwicklung keineswegs aufgegeben. Im Gegenteil, VirtualBox soll Teil der VDI (Virtual Desktop Infrastructure) Lösung werden.
Gegenüber Microsoft Virtual PC ist VirtualBox eine moderne Virtualisierungslösung, die zudem beständig weiterentwickelt wird. Sie ist außerdem deutlich billiger als VMware Workstation und ermöglicht einen einfachen Einstieg in die Virtualisierung.
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel der ChannelPartner-Schwesterpublikation TecChannel.de. Autor ist Moritz Jäger.