Desktop-Virtualisierung ist laut IDC-Studie in vier von zehn Firmen angekommen. Genaues Hinsehen zeigt aber: Ein breiter Trend ist das Modell noch längst nicht.
Von Hartmut Wiehr, CIO
Der neueste Trend bei Virtualisierung sollen virtuelle Desktops sein. Dies käme einer späten Wiedergeburt des "Thin Client Computing" gleich, bei dem auf den "dummen" Terminals nur noch Images der Anwendungen zu sehen waren. Alle Daten wurden über Protokolle, die meistens von Citrix stammten, auf die PCs der Enduser übertragen, und alle Änderungen oder neuen Daten wurden zentral auf den Servern gespeichert. Dies bedeutete eine einfachere Verwaltung der Clients vor Ort, die in der Regel ohne Festplatte und ohne Anschlüsse für externe Datenträger wie CD-ROMs auskamen, was die Sicherheit der Systeme erhöhte.
Da aber die Performance über die Netzverbindungen, vor allem beim ICA-Protokoll von Citrix, häufig zu wünschen übrig ließ, setzte dieser Ansatz bei den Anwendern an ihren Thin Clients eine ziemlich große Frustrationstoleranz voraus.
Mit virtuellen Desktops wollen die Anbieter von Virtualisierungs-Software an diese wenig glanzvolle Epoche anknüpfen. Diesmal soll alles besser werden. Die Hoffnungen knüpfen sich vor allem an die zweifelsohne gegebenen Verbesserungen der Netz-Performance. Für die Anwender von Server-Virtualisierung soll es, so die Hersteller unisono, nur ein konsequenter nächster Schritt sein.
Doch schon die Server-Virtualisierung ist in den Unternehmen keineswegs so verbreitet, wie die Hersteller glauben machen wollen. Nur allmählich setzen IT-Abteilungen darauf, verschiedene produktive Anwendungen in virtuellen Maschinen (VMs) zu kapseln und auf einen gemeinsam genutzten physikalischen Server zu packen. Man kann so zwar die Anzahl der „echten“ Server konsolidieren und Investitionen sparen, muss aber zunächst mit einem höheren Verwaltungsaufwand und langfristig mit Lizenzzahlungen für die VMs rechnen.
Nach übereinstimmenden Marktbeobachtungen von Forrester, Gartner und anderen Analystengruppen sind es denn auch erst etwa 20 Prozent der Unternehmen in Europa und den USA, die Server-Virtualisierung im produktiven Einsatz haben und nicht nur für Test- und Entwicklungsumgebungen. Für die Virtualisierung von PCs liegen bisher weniger und meistens eher widersprüchliche Untersuchungen vor.
IDC: Desktop-Virtualisierung bringt Sicherheit und senkt Kosten
IDC hat vor kurzem Zahlen aus eigenen Untersuchungen vorgelegt. Demnach ist zumindest die Bereitschaft der Anwender gewachsen, sich auch auf dieses Gebiet vorzuwagen. Die Argumentationskette von IDC baut sich wie folgt auf:
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Virtualisierung ist Standard.
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Client-Virtualisierung gewinnt an Bedeutung.
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Die Verbreitung von Client-Virtualisierung ist stark gestiegen und nimmt weiter zu.
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Sicherheit und Kosten in der Administration sind wesentliche Antreiber.
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Kosteneinsparungen sind eher mittelfristig, daher wird Client-Virtualisierung sich erst jetzt im Aufschwung durchsetzen.
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Desktop-as-a-Service ist derzeit vielfach noch Zukunftsmusik, aber der konsequente nächste Schritt weg von den operativen Tätigkeiten der internen IT.
Um sich einen Überblick über die aktuelle Situation zu verschaffen, befragte IDC im November und Dezember 235 deutsche Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern. Das Ergebnis: 41 Prozent der Befragten gaben an, bereits eine virtuelle Desktop-Infrastruktur (VDI) beziehungsweise virtuelle Desktops im Einsatz zu haben, 19 Prozent planen den Einsatz in den nächsten zwölf bis 24 Monaten und 17 Prozent befinden sich nach eigenen Angaben in der Evaluierungsphase. Ebenfalls 17 Prozent gaben an, sich damit noch nicht befasst zu haben und sieben Prozent haben sich gegen einen Einsatz entschieden.
Die Motivationslage der untersuchten Unternehmen kann als komplex bezeichnet werden, da häufig verschiedene Argumente pro und contra VDI nebeneinander angegeben werden. Dies zeigen insbesondere die in der folgenden Bildergalerie gezeigten Auswertungen.
Vorsichtiges Herantasten an die Realität im Markt
IDC-Analyst Matthias Kraus weist darauf hin, dass es bei der Befragung vor allem darum ging, diejenigen Unternehmen zu kontaktieren, die VDI planen oder schon einsetzen. Man wollte auf diese Weise ihre Beweggründe und auch mögliche Hürden beim Einsatz genauer kennen lernen. Eine generelle Aussage über den Markt könne damit natürlich nicht getroffen werden.
Eine Umfrage der Anwendergruppe NT-AG, die sich mit 13.000 Mitgliedern als die größte deutsche Microsoft Technology User Group bezeichnet, kann ebenfalls nur eine Art Stimmungsbericht darstellen, da auch sie nicht den Anforderungen einer repräsentativen Marktübersicht entspricht. Die Befragung erscheint insofern etwas willkürlich, als sie lediglich auf der Website und dem letzten Anwendertreffen der NT-Anwendergruppe stattfand. Die Anwendergruppe geht davon aus, dass Unternehmen im deutschsprachigen Raum nicht so stark an Virtual Desktop Infrastructure (VDI) interessiert sind.
Begründung: Auf die Frage "Kommt nach dem Server der Client dran? Wie halten Sie es mit Desktop Virtualisierung?" antworteten demnach 17,5 Prozent der befragten 296 IT-Mitarbeiter, dass sie sich damit noch nicht beschäftigt haben. Weitere 14 Prozent gaben an, dass die Desktop Virtualisierung nicht in ihr Konzept passt.
Lediglich 19 Prozent der befragten Unternehmen setzen Desktop-Virtualisierung im Unternehmen ein, und weitere 16 Prozent planen den Einsatz. Die Gruppe der Unentschiedenen ist nach dieser Umfrage recht groß: 33,5 Prozent sind der Meinung, dass das Thema für sie in Zukunft interessant werden könnte.
Nur 19 Prozent setzen Desktop-Virtualisierung ein
Interpretiert man beide Befragungen zusammen, so ergibt sich der etwas tautologische – sich selbst bestätigende – Schluss, dass diejenigen, die sich für Desktop-Virtualisierung interessieren, dem Thema gegenüber aufgeschlossen sind. Solange es sich allerdings um ausgewählte oder zufällig zustande gekommene Gruppen handelt – was auf die Anzahl der Befragten von IDC sowie auf die der Anwendergruppe NT-AG zutrifft –, kann kaum von repräsentativen Ergebnissen die Rede sein.
Mit anderen Worten: Die große Untersuchung zur Attraktivität von Desktop-Virtualisierung und VDI steht noch aus.
Dieser Artikel erschien bereits bei der ChannelPartner-Schwesterpublikation CIO.