Synaxon-Vorstandsvorsitzender Frank Roebers

„Vieles, was ich vor zehn Jahren geglaubt habe, glaube ich heute nicht mehr“

25.01.2019 von Regina Böckle
Werden Partner schon in kurzer Zeit vom Markt verschwinden, wenn sie ihr Geschäft nicht komplett auf Cloud und Managed Services ausrichten? „Nein“, sagt Synaxon-Chef Frank Roebers und räumt mit gängigen Vorstellungen auf.

channelpartner.de: In der Vergangenheit hatten Sie die iTeam-Partner auf die "dritte Welle" eingeschworen - das Business mit Managed Services und Cloud. Auf der iTeam-Geschäftsführertagung haben Sie nun ganz offen einen Sinneswandel vollzogen. Infrastruktur bleibe für Partner auch künftig ein wesentliches Thema, ebenso wie Software und Datenschutz. Was hat Sie zu dieser Korrektur bewogen?

"Es gibt überhaupt keinen Grund für Systemhäuser, pessimistisch in die Zukunft zu schauen", Frank Roebers, Vorstandsvorsitzender der SYNAXON AG
Foto: Synaxon

Frank Roebers, Synaxon: Ich habe in den letzten drei Jahren die These vertreten, dass es für Partner existenziell ist, sich mit dieser 'dritten Welle' zu befassen. Es gab auch Theorien, die darin gipfelten, dass Partner aus dem Markt ausscheiden würden, wenn sie dieses oder jenes nicht tun.

Die Entwicklung des vergangenen Jahres und die Daten des Statistischen Bundesamtes oder der iTeam widersprechen aber diesen Hypothesen. Man muss nicht wachsen, um in diesem Markt erfolgreich zu sein, oder das Geschäftsmodell ändern, sich nicht notwendigerweise fokussieren oder diversifizieren oder unbedingt auf der dritten Welle mitschwimmen.

Das Projektgeschäft, das Modell 'Zeit gegen Geld', funktioniert für Partner noch immer sehr gut und rentabel - und das wird es auf lange Sicht hin wahrscheinlich auch bleiben. IT-Infrastruktur ist und bleibt für Endkunden ein geschäftskritisches Thema, das immer komplexer und immer wichtiger wird.

Die dritte Welle wird - wie alle anderen wesentlichen Branchentrends - in ihren kurzfristigen Auswirkungen überschätzt und in ihren langfristigen unterschätzt. Bei allen großen Branchentrends wiederholt sich dieses Muster immer wieder: "Wer nicht sofort aufspringt, der wird sterben".

Aber es dauert alles immer viel länger als erwartet. Deshalb habe ich für mich beschlossen, keine Aussagen mehr zu treffen, die diesem Muster folgen. Über Managed Services und Cloud sprechen wir schon seit ungefähr acht bis zehn Jahren. Der Marktanteil des Cloud-Geschäfts sollte jetzt bei etwa 50 Prozent liegen - legt man beispielsweise die Schätzungen zugrunde, die Gartner vor fünf Jahren getroffen hat. Davon sind wir meilenweit entfernt.

Das erinnert mich an 1999, als jeder meinte, der Online-Handel werde den Fachhandel in kürzester Zeit überflüssig machen. Es dauerte lange, bis der Fachhandel vom Markt gefegt wurde. Erst 2010 etwa wurde es für Fachhändler extrem schwierig, wenn sie sich in dieser Zeit nicht zum IT-Dienstleister gewandelt hatten.

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channelpartner.de: Projektgeschäft, Zeit gegen Geld, kann vielleicht für etablierte Partner auch künftig gut funktionieren, die in wenigen Jahren in Rente gehen werden und verständlicherweise keine dringende Notwendigkeit sehen, für diese Zeit noch das komplette Unternehmen umzuwandeln, zu investieren und komplett neue Themen anzupacken. Aber was passiert mit deren Unternehmen danach? Werden sie verkauft, verschwinden sie vom Markt, konsolidiert sich alles - was Analysten prophezeien?

Frank Roebers: Dass sich der Markt konsolidieren soll, höre ich auch schon seit 25 Jahren. Erstaunlicherweise ist aber die Zahl der Marktteilnehmer nicht geschrumpft - zumindest nicht nach unseren Daten….

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Frank Roebers: Genau so ist es. Ich denke auch, dass die Zahl der Marktaustritte in den vergangenen Jahren eher ab- als zugenommen hat. Die Konsolidierung findet nicht statt. Vieles, was ich vor zehn Jahren geglaubt habe, glaube ich heute nicht mehr.

"Einzelkämpfer im IT-Markt werden es ganz schwer haben" - das ist auch so eine weit verbreitete These. Denen geht es aber prächtig!

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channelpartner.de: Es geht ihnen prächtig, weil sie vernetzt sind mit anderen Partnern und in Projekten zusammenarbeiten, sich thematisch ergänzen, Erfahrungen und Wissen austauschen. Das war vor zehn bis 15 Jahren im Systemhausumfeld ganz anders...

Frank Roebers: Ich behaupte nicht, dass sich nichts ändert - nur dass es eben langsamer geht als es die meisten glauben. Die Produktinnovationszyklen sind kurz geworden, keine Frage, aber ein Geschäftsmodellwechsel geht doch nach wie vor träge vonstatten. Ein Geschäftsmodell trägt auch im IT-Markt doch 15 bis 30 Jahre.

channelpartner.de: Es fällt aber doch auf, dass sehr viele Partner ihr Geschäftsmodell überzeugt und nachhaltig in Richtung Managed Services und Cloud drehen - schrittweise. Es hat sich auch gezeigt, dass dieses Modell das klassische Projektgeschäft nicht kannibalisiert, sondern ergänzt...

Frank Roebers: Das machen wir ja auch! Wir haben auch Unternehmen im Netzwerk, die von Anfang an ausschließlich mit Cloud- und Managed Services gestartet sind. Wir nehmen beides wahr. Wer sich heute mit der dritten Welle beschäftigt, kann gutes Geld verdienen und langfristig strategische Wettbewerbsvorteile erlangen. Aber er muss es noch nicht.
Die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt ist elementar. Und für mich ist es auch nicht ausgemacht, ob Tesla nicht zu früh war. Es gibt ja nur ganz wenige echte Disruptionen, die zum schlagartigen Sterben eines Geschäftsmodells geführt haben. Selbst nach Wikipedia dauerte es lange, bis gedruckte Lexika vom Markt verschwanden.

channelpartner.de: Hersteller appellieren, ihre Partner mögen sich mit möglichst vielen Aspekten der digitalen Transformation befassen - im Hinblick auf die Endkunden, aber auch im Hinblick auf das eigene Portfolio. Prozessberatung, Lösungsgeschäft, mehr Services sind hier die Schlagworte. Am Ende des Quartals zählt für sie selbst aber doch nur eines: Stückzahlen. Das Produkt-Umsatzziel muss erfüllt werden. Partner, die die Transformation anpacken - mehr Services, mehr Cloud, mehr Prozessberatung, weniger Handelsgeschäft mit Produkten - gewinnen an Unabhängigkeit, aber verlieren sehr oft auch an Status und Gewicht beim Hersteller - mangels Produktumsätzen. Zwischen produktgetriebener Umsatzerwartung und Transformations-Appell besteht eine Schieflage. Inwiefern hat sich Ihrer Meinung nach die Wertschöpfungskette - zwischen Hersteller und Partner - also überhaupt transformiert?

Frank Roebers: Ich mische die beiden Themen nicht: Prozessberater zu werden oder Lösungs- und Service-Anbieter zu werden sind zwei unterschiedliche Achsen. Viele Partner, die in der Infrastruktur-Betreuung unterwegs sind - und das ist der Großteil unserer Partner - vollziehen aktuell eine Transformation in Richtung Managed Service.

Für diese Partner ist Hardware zu etwas geworden, was sie mitverkaufen müssen, weil Kunden möglichst alles aus einer Hand erhalten möchten. Keiner ist vom Hardware-Geschäft begeistert, die Margen sind so stark gesunken, dass man froh sein muss, im Projektgeschäft noch fünf bis sechs Prozent Marge zu erwirtschaften. Berücksichtigt man den Aufwand, der dahintersteht, ist das eine Katastrophe! Der Hardware-Anteil wird deshalb für den Partner immer unattraktiver.

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Dann passiert exakt das, was Sie beschrieben haben: Hersteller erhöhen die Anforderungen für den Goldpartner-Status und treffen damit auf Dienstleister, die immer weniger geneigt sind, diese Anforderungen zu erfüllen. Diese Partner fallen dann durch das Status-Raster.

Und exakt hier kommen wir als Verbundgruppe mit iTeam und Synaxon ins Spiel. Wir können über den zentralen Einkauf den Hersteller-Status erhalten, durch die Mengenbündelung mit den niedrigen Margen besser leben und den Partnern Konditionsvorteile ermöglichen. Deshalb machen wir jetzt schon mehr zentrale Umsätze als die meisten Systemhäuser unter unseren Partnern.

Und wir können auch die fachlichen Ansprüche der Hersteller viel leichter erfüllen, als dies ein einzelner Partner für sich könnte, weil wir über einen größeren Ressourcen-Pool verfügen. Unsere Einkaufsabteilung - vor zehn Jahren fünf Mitarbeiter stark - ist inzwischen auf 45 Mitarbeiter angewachsen. Denn wir übernehmen immer mehr Aufgaben, die unsere Partner nicht mehr machen möchten oder aufgrund begrenzter Ressourcen oder fehlenden Know-hows in bestimmten Bereichen nicht selbst erfüllen können.

Ein Partner kann nicht nur Produkte über uns beziehen, sondern auch - kostenfrei - Lösungsarchitekten bei uns buchen, inklusive beispielsweise multi-hybriden Clouds. Für unsere Partner wird das Geschäft immer komplizierter und schwieriger, weil der Kunde auch die Hardware weiter von ihnen beziehen will, und deshalb klinken wir uns an exakt an diesen Stellen ein. Das ist unsere unmittelbare Reaktion auf die von Ihnen beschriebene Situation.

channelpartner.de: Der Trend, dass Anwenderunternehmen möglichst alle Services und Produkte aus einer Hand beziehen möchten, bestätigt auch die jährliche Computerwoche-Anwenderumfrage.

Frank Roebers: Wir bestärken unsere Partner, Netzwerke wie die iTeam zu nutzen. Der Partner kann den lästigen Hardware-Einkauf sehr elegant über uns lösen, ebenso die Projektadministration, wir unterstützen ihn bei der Erstellung von Lösungsarchitekturen und er kann dennoch dem Kunden gegenüber der federführende Generalunternehmer bleiben.

Braucht ein Infrastruktur-Partner zusätzlich einen Experten, um beim Kunden ein Projekt umzusetzen, das auch SAP umfasst, einen Penetration-Tester oder einen anderen Spezialisten, finden wir einen iTeam-Partner mit exakt diesem benötigten Know-how und vernetzen beide. Das ist auch die Mission der iTeam: Schwerpunkt IT-Infrastrukturbetreuung und ein Vertrauensnetzwerk, das es diesen Partnern erlaubt, alle ergänzenden Themen als Generalunternehmer mit abzudecken.

channelpartner.de: Wie reagieren die Hersteller auf diese Entwicklung? Denn damit verringert sich ihr direkter Zugang und Zugriff auf die Partner. Gibt es Begehrlichkeiten, dass Hersteller über die iTeam Zugriff auf die Partnerdaten erhalten, um zum Beispiel die Umsatzentwicklung zu beobachten?

Frank Roebers: Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt Hersteller, die darüber froh sind, weil sie mit kleinen Losgrößen nicht mehr arbeiten möchten, und es gibt Hersteller, die weiter den unmittelbaren Kontakt zum Partner behalten möchten und deshalb eine andere Art der Kooperation bevorzugen. Die Kooperationsformen sind hier sehr individuell.

channelpartner.de: Inwiefern spüren Sie schon heute, dass die steigende Cloud-Nutzung die Hardware-Umsätze mindert - oder wird das erst langfristig spürbar werden?

Frank Roebers: Rückläufige Hardware-Umsätze beobachteten wir schon von 2001 bis 2014, anschließend stiegen sie wieder leicht, ohne das alte Niveau auch nur im Ansatz wieder zu erreichen. Die Server-Umsätze werden weiter zurückgehen, aber vermutlich nicht in der Geschwindigkeit, in der sie allerorten geschildert wird. Denn Kunden lagern inzwischen sehr vieles in die Cloud aus, aber eben nicht alles. Wir werden also einen flachen Abwärtstrend, aber keine Disruption sehen.

channelpartner.de: Wenn Partner stärker in die Prozessberatung beim Unternehmenskunden einsteigen wollen, brauchen sie sehr solides Branchen-Know-how. Wie wird iTeam diese Partner unterstützen - über die Vernetzung mit branchenerfahrenen Consultants oder selbst?

Frank Roebers: Unsere Kernzielgruppe sind Partner mit zehn bis 100 Mitarbeitern, die im SMB-Geschäft aktiv sind. Das ist eine andere Kundenklientel als im Enterprise-Geschäft. Einem klassischen Systemhaus mit SMB-Kunden zu empfehlen, sich auf die Prozessberatung zu spezialisieren, halte ich für einen der größten Fehler. Das würde ich niemandem raten.

SMB-Kunden haben einen Riesenbedarf, von einem klassischen Systemhaus betreut zu werden. Das kann MSP-Dienste umfassen oder Zeit-gegen-Geld-Services. Aber der Kunde braucht einen Partner, der dafür sorgt, dass die Infrastruktur funktioniert und die Grunderfordernisse erfüllt sind.

Dafür wird es immer einen großen Bedarf geben, auch in den nächsten 20 Jahren, das ist meine feste Überzeugung. Daran werden Cloudifizierung und Managed Services nichts ändern. Denn die Anforderungen steigen eher, wenn Teile der IT - ob SaaS, Backup, Mail, Storage oder sonstiges, in die Cloud verlagert werden - und auch die Profitabilität. Denn es ist ein hochkomplexes Mischprodukt und erfordert noch höheres Know-how.

channelpartner.de: Es gibt spezialisierte Managed Service Provider, beispielsweise im Bereich Security, die sagen: "Das, was ich jetzt für meinen Kunden erbringe, wird künftig auch der Hersteller machen können"...

Frank Roebers: Die Neigung oder Erwägung der Hersteller, den Channel auszuschalten, gab es schon immer, das ist keine Erscheinung, die erst durch die Cloud entstanden ist. Ich mache mir darüber keine großen Sorgen, selbst wenn Managed Services direkt vom Hersteller angeboten werden. Denn für alles, was über den Standard - die Commodity - hinausgeht und deshalb komplex wird, oder wenn ganz neue Themen entstehen, ist der Channel unerlässlich. Es gibt deshalb überhaupt keinen Grund für Systemhäuser, pessimistisch in die Zukunft zu schauen.