Warum Cloud Computing als Thema des Tech Data Kongresses?
Michael Dressen: Unsere ersten Kongresse waren visionär, etwa zum Thema Big Data vor zwei Jahren. Dieses Mal geht es bei unserem Kongress um konkrete Cloud-Themen und -Lösungen für den Handel, und wie er sich auf dieses neue Business einstellen muss.
Barbara Koch: Cloud Computing ist bereits ein Fokusthema für etliche unserer Vertriebspartner - für viele weitere wird es das in den kommenden Monaten werden.
Mit welchen Herstellern arbeiten Sie im Cloud-Segment bereits zusammen?
Koch: Mit fast allen. Bei den meisten Herstellern steht Cloud ganz oben auf der Agenda.
Welche Public-Cloud-Anwendungen werden derzeit von Endkunden nachgefragt?
Koch: Es gibt fast keine reinen Public Cloud-Umgebungen. Public Cloud Services, wie Backup-, Restore- und Recovery-Services, werden hauptsächlich im Hybrid-Modell betrieben.
Dressen: Der deutsche Markt ist nicht unbedingt der Vorreiter in Sachen Cloud-Technologie. Aber große Unternehmen und der öffentliche Sektor beschäftigen sich zunehmend mit dieser Thematik - zwar nicht im Bereich Public Cloud, sondern im Hybrid oder Privat Cloud-Umfeld. Diese Kunden wollen ihre laufenden Ausgaben für IT besser einplanen und bevorzugen deshalb OPEX- vor CAPEX-Investitionen. Der deutsche Mittelstand wird sicherlich noch eine Weile brauchen.
Ist dabei der Datenschutz immer gewährleistet?
Dressen: Die von den großen Service Providern garantierte Datensicherheit liegt oft viel höher als bei vielen kleineren Firmen, die nicht die dazu notwendigen Voraussetzungen erfüllen.
Warum sollten denn Reseller Cloud-Lösungen weiterverkaufen, wenn sie dabei pro Projekt weniger verdienen als mit den klassischen Installationsdienstleistungen?
Dressen: Es gibt natürlich Fachhändler, die eigene Rechenzentren betreiben und im Cloud-Business bereits erfolgreich agieren. Klassische Hard- und Software-Reseller verlieren hier an Boden. Die Margen beim reinen "Cloud-Reselling" werden weiterhin überschaubar bleiben. Um hier mehr zu verdienen, müssen Cloud-Reseller ihren Kunden zusätzliche Services verkaufen.
Bedeutet dies, dass die Zahl der Reseller insgesamt abnehmen wird, da mit Hilfe der Cloud-Technologie ein Reseller mehr Kunden mit IT ausstatten kann?
Dressen; Ja, das ist so. Versierte Fachhändler können rasch neue Kunden gewinnen und sogar expandieren. Anwender bringen ihre eigenen Endgeräte in die Firma ("Bring your own Device", ByoD) und beziehen die Software verstärkt aus der Cloud.
Koch: Value Added Reseller müssen sich als Cloud-Berater profilieren und ihren Kunden Antworten liefern: Welche Software kann der Kunde aus der Cloud beziehen? Welche Anwendungen sollte er "On-premise" vorhalten? Wie sieht die Integration von Public Cloud-Anwendungen in einer Hybrid- Umgebung aus?
Services, wie Hosting, wird nicht jeder der heutigen Reseller anbieten können oder wollen. Kleinere Händler haben die Chance, mit größeren Systemhäusern zusammenzuarbeiten - da sind viele Spielarten an Kooperationen denkbar.
Dressen: Ähnlich wie die Tante-Emma-Läden verschwanden, werden viele der kleineren ITK-Fachhändler ihre Daseinsberechtigung verlieren. Immer mehr Kunden beziehen schon heute die benötigten IT-Services direkt aus der Cloud - da braucht es nicht mehr so viele Wiederverkäufer. Die bisherige Balance - Händler verschwinden, neue Händler kommen hinzu - die gibt es nicht mehr. Die ganz großen Systemhäuser kaufen die mittelgroßen auf, die ganz kleinen geben auf. Das ist ein Prozess, den die älteren Industrien schon hinter sich haben.
Wird es dann in fünf Jahren nur noch die ganz großen Systemhäuser geben?
Koch: Systemhäuser, die nur ein traditionelles Infrastruktur- und Produktportfolio anbieten, wird es wahrscheinlich weniger geben. Es werden weitere neue, innovative Dienstleister entstehen, die die neuen Technologien nutzen und anbieten.
Brauchen diese neuen Dienstleister denn überhaupt noch die Distribution?
Dressen: Die Distribution wird es so lange geben, so lange es den Handel gibt. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass wir für diese neuen innovativen Fachhändler attraktiv sind und bleiben.
Die Konsolidierung in der Distribution ist aber noch nicht abgeschlossen, oder?
Dressen: Richtig, auch bei den Broadlinern noch nicht. Und das ist keine schlechte Nachricht für den Fachhandel, denn obwohl die absolute Zahl der Distributoren stetig abnimmt, bleibt der Wettbewerbsdruck erhalten - ähnlich wie im Lebensmittelhandel.
Details zum Tech Data Cloud Solutions Store
Können Sie schon etwas zu Ihrem Cloud-Marktplatz sagen, den Sie auf Ihrem Kongress im Oktober vorstellen werden?
Koch: Unser Cloud-Marktplatz, der Tech Data Cloud Solutions Store, ist eine umfassende Angebots-, Verwaltungs-, Verkaufs- und Abrechnungsplattform, mit der Lösungsanbieter und MSPs den vollständigen Cloud-Services-Lieferprozess in einer App-Store-ähnlichen Umgebung verwalten und steuern. Aber ein Cloud Marktplatz allein reicht nicht, denn die Cloud-Dienste verkaufen sich dort nicht von allein - daher ist unser Marktplatz eingebettet in unser TD Cloud-Konzept.
Das Enablement der Vertriebspartner, Vertriebs- und Marketing-technische Unterstützung sowie rechtliche Beratung gehören für uns genauso dazu, wie bei jeder klassischen On-premise-Lösung. Die Administration der Reseller und Endkunden muss auf dem Cloud-Marktplatz eines Distributors weitgehend automatisiert sein und in den Geschäftsprozessen integriert ablaufen. Sobald dort manuelle Eingriffe notwendig werden, sind derartige Transaktionen nicht mehr rentabel. Details dazu gibt es dann auf unserem Kongress.
Wie viele Hersteller werden denn auf Ihrem Cloud-Marktplatz gelistet sein?
Koch: Im ersten Schritt ähnlich viele, wie auf anderen Marktplätzen. Unser Schwerpunkt liegt auf der End-to-end-Abwicklung jedes Cloud-Geschäfts zwischen Hersteller und Kunde. Das zu leisten vermögen nur die wenigsten Anbieter. Es ist eben etwas anderes, ob ich als Privatkunden über das Internet kaufe, oder ein Unternehmen einen Cloud-Service online beziehen möchte.
Auch bieten noch nicht alle Hersteller heute Cloud-Lösungen an, die über ein Second-Tier-Modell vermarktbar sind.
Im Prinzip könnte aber der Cloud-Kunde den Vertrag doch stets direkt mit dem Anbieter abschließen - ohne Reseller und ohne Distributor, oder?
Dressen: Ich gehe davon aus, dass die Hersteller weiterhin den indirekten Vertriebskanal und damit auch die Distribution aufrechterhalten wollen. Allerdings wird in diesem Modell (Bezug von Cloud-Services, Anm. d. Red.) das Update-Geschäft für den Reseller zunehmend uninteressant - da hier kaum noch Marge ausgeschüttet wird.
Anders hingegen sieht es beim Neugeschäft aus. Hierbei brauchen auch Cloud-Services-Anbieter die tatkräftige Unterstützung von Vertriebspartnern. Neugeschäfte werden die Hersteller auch dementsprechend honorieren. Wer aber als Hersteller nur das Neugeschäft über die Distribution abwickeln möchte, wird dort auf wenig Gegenliebe stoßen. Deshalb werden Cloud-Anbieter auch das Folgegeschäft indirekt ausführen - wenn auch nur mit kleinen Margen.
Wie kann dann ein Cloud-Reseller überleben?
Dressen: Nicht mit dem reinen Reselling. Der Kunde möchte schon einen Value Add sehen.
Zurück zum Marktplatz. Dort erwarte ich als Kunde eigentlich ein allumfassendes Angebot….
Dressen. In zwei oder drei Jahren wird es auch soweit sein. Dann wird sich auch unser Geschäft wandeln, bis wir mit der Cloud fünf bis zehn Prozent unseres Umsatzes erwirtschaften. Allerdings müssen wir dort auf hochmargige Services setzen.
Könnten Sie das etwas konkretisieren?
Dressen: Das Branding der Hersteller geht verloren. Ihre Produkte und Leistungen sind austauschbar geworden. Aber wenn diese Hersteller gut funktionierende Rechenzentren betreiben, kommen sie wieder ins Spiel. Reseller werden zu Herstellern oder Managed Service Providern. Dieser Markt beginnt sich massiv zu verändern. Derjenige, der dieser Entwicklung zu folgen vermag, ist gut aufgestellt - und da sehen wir uns ganz vorne dabei.
Worin besteht denn der Mehrwert einer vom Distributor betriebenen Cloud-Plattform?
Koch: Das sind im Wesentlichen drei Punkte. Wir sind in der Lage, ein großes Portfolio an Cloud-Lösungen in unserem Marktplatz abzubilden. Hinzu kommt das Enablement und die Beratung der Reseller und zuletzt der vollautomatisierte End-to-end-Prozess bei der Abwicklung einer Transaktion.
Wir müssen gleich am Anfang alles richtig machen - beginnend bei dem relativ einfachen SaaS-Modell, bis hin zu IaaS und PaaS, wo es deutlich komplexer zugeht. Es geht dabei auch um unterschiedliche Abrechnungsmodelle, z.B. Pay-per-use oder monatliche Miete, die abgebildet werden müssen.
Wir erfüllen auch in Zukunft in allen drei Punkten (Portfolio, Beratung und End-to-end-Abwicklung) die Wünsche unserer Fachhändler und ihrer Kunden.
Dressen: Wenn ich als Reseller mit mehreren Cloud Providern zusammenarbeiten möchte, bin ich auf dem Cloud-Marktplatz eines Distributors sicherlich am besten aufgehoben. Das zeichnet die Distribution aus.
Womit Reseller in der Cloud Geld verdienen können
Lassen Sie uns zurück zur Marge kommen, die sinkt ja bekanntlich in der Cloud. Womit soll der Reseller also künftig sein Geld verdienen?
Dressen: Bisher war das Update einer Software-Lizenz ein höchst komplizierter Prozess. In der Cloud, mit der End-to-end-Verbindung (Kunde-Reseller-Distributor-Hersteller), erfolgt der Prozess voll automatisch, da fällt kaum eine Marge an. Aber wenn der Kunde nicht nur einfach seinen Software-Bezug verlängern möchte, sondern sich nach Alternativen umsieht, dann ist er auf die fachliche Beratung seines Fachhändlers angewiesen.
Koch: Auch in der Cloud kann der Fachhändler Mehrwert-Dienste seinem Kunden anbieten - Stichwort "Reporting": Wie intensiv nutzt der Kunde eine bestimmte Anwendung? Wann läuft ein Dienst aus? Wo benötigt er noch zusätzliche Ressourcen? Um nur ein paar Beispiele zu nennen…
Erfüllt damit der Distributor bereits seine selbst definierte Aufgabe des "Cloud-Aggregators" vollständig?
Dressen: Nein, sicherlich nicht, aber das ist der erste Schritt auf dem Weg dahin. Andererseits halte ich den Begriff "Aggregation" für zu hoch gegriffen.
Wie steht es um Amazon? Ist das ein künftiger Wettbewerber der ITK-Distributoren?
Dressen: Glaube ich nicht. In andere Branchen, in denen im Großhandel noch Margen von über 20 Prozent üblich sind, da hingegen schon. Da sind wir als IT-Distribution mit unseren drei bis fünf Prozent gut aufgestellt. Außerdem bieten wir im Gegensatz zu Amazon Beratungsleistungen.
Könnte ein Distributor nicht selbst als Cloud-Anbieter, also als Rechenzentrumsbetreiber agieren?
Dressen: Das ist nicht unser Geschäftsmodell. Dazu sind die Investitionen zu hoch.
Aber vielleicht könnte umgekehrt ein Data Center-Betreiber oder ein Managed Service Provider zumindest zum Teil die Aufgaben eines Distributors übernehmen?
Koch: Nein, diese Anbieter arbeiten direkt mit den Endkunden. Gleichzeitig haben sie keinenZugang zu weiteren Fachhändlern und deren Kunden. Diesen Zugang sowie den Zugang und das Netzwerk zu verschiedenen Herstellern hat die Distribution.
3D-Druck, Heimautomatisierung, Gebäudesicherheit
Wie steht es um das Volume-Geschäft bei Ihnen?
Dressen: Das traditionelle Business ist für uns nach wie vor sehr wichtig. Mit der Abkündigung von Windows XP im vergangenen Jahr stieg plötzlich die Nachfrage nach neuen Endgeräten. Diese Sonderkonjunktur ist dieses Jahr natürlich ausgeblieben - wir haben das so einkalkuliert, manche Hersteller offenbar nicht. Windows 10 wird zu keinem Boom im PC-Markt führen.
Andere Distributoren vertreiben 3D-Drucker oder engagieren sich im Bereich professionelle Beleuchtung, was halten Sie davon Herr Dressen?
Dressen: 3D-Drucker führen wir auch. Wir bleiben prinzipiell bei IT-Produkten und Lösungen. Die von Ihnen angesprochene Entwicklung deutet darauf hin, dass man dort ein wenig die Orientierung verloren hat. In der IT gibt es ausreichend viele und lukrative Betätigungsfelder.
Welches Potential für die IT-Distribution sehen Sie in Segmenten wie Gebäudesicherheit, Zutrittskontrolle oder Heim-Automatisierung?
Dressen: Da gibt es Spezialdistributoren, bei denen Elektriker einkaufen. Unsere Händler befassen sich nicht damit.
TK-Distributoren offerieren da schon einiges …
Dressen. Ja, ein sehr gutes Beispiel! TK ist schon sehr IT-nah, dennoch haben alle drei Broadliner diesen Bereich nicht aus eigener Kraft entwickeln können, sondern mussten sich dieses Spezial-Know-how über Akquisitionen oder Beteiligungen dazukaufen. Auf diese Weise kann man natürlich auch IT-fernere Gefilde angehen.