Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung
Verwerfliche Gesinnung oder Sittenwidrigkeit?
14.10.2014 von Renate Oettinger
In nicht wenigen Fällen erfährt der Erwerber eine Immobilie, dass der Veräußerer selbst erst kurze Zeit vor dem Vertragsabschluss das Grundstück zu einem günstigeren Kaufpreis erworben hat. Hans-Georg Herrmann zur rechtlichen Würdigung.
Beim Kauf einer Wohnung oder eines Hauses stellt sich gelegentlich Kaufreue ein, wenn der Erwerber davon Kenntnis erlangt, dass der Veräußerer selbst erst kurze Zeit vor dem Vertragsabschluss Woh-nung oder Haus zu einem günstigeren Kaufpreis erworben hat. In diesen Fällen ist dann schnell von einer üblen Gesinnung des Veräußerers oder von einer Sittenwidrigkeit des Geschäftes die Rede.
Der Bundesgerichtshof hatte sich mit einem solchen Fall zu befassen, dem der Verkauf einer Eigen-tumswohnung nebst Tiefgaragenstellplatz für 118.000,00 € zugrunde lag. Der Veräußerer selbst hatte etwa zwei Monate zuvor Eigentumswohnung und Tiefgaragenstellplatz für 53.000,00 € erworben. Auch in diesem Falle wurde dem Veräußerer eine verwerfliche Gesinnung zur Last gelegt. Es war von einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung die Rede.
Der Bundesgerichtshof stellte zunächst klar, dass bei einem besonders groben Missverhältnis zwi-schen Leistung und Gegenleistung eine verwerfliche Gesinnung durchaus in Betracht komme. Dabei müsse der Benachteiligte die verwerfliche Gesinnung nicht einmal ausdrücklich behaupten. Es sei ausreichend, dass aus dem Kontext mit dem Vortrag zu einem grob objektiven Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung auf die begründete Vermutung einer verwerflichen Gesinnung zu schlie-ßen sei. Es genüge auch, wenn die Klage auf § 138 BGB gestützt werde und ein grobes Missverhält-nis zwischen Leistung und Gegenleistung behauptet wird.
Allerdings könne davon bei Grundstücksgeschäften erst dann ausgegangen werden, "wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung". Dies sei erst bei einer Ver-kehrswertüber oder -unterschreitung von 90 % der Fall. Ausdrücklich wurde in der Entscheidung be-tont, dass eine Überschreitung von 80 % oder auch von 84 % nicht ausreichend sei.
Aus der Entscheidung ergibt sich des Weiteren, dass hier nicht allein auf die beiden unterschiedlichen Kaufpreise abzustellen ist, sondern auf den tatsächlichen Verkehrswert der Wohnung. (BGH V ZR 249/12).
Weitere Infos: Hans-Georg Herrmann ist Rechtsanwalt und Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberaterverei-nigung für die mittelständische Wirtschaft e.V. Kontakt: Rechtsanwaltspraxis Dr. Thalhofer, Herrmann & Kollegen, Geibelstraße 1, 66121 Saarbrücken, Tel.: 0681 / 968 640, E-Mail: herrmann@rechtsanwaltspraxis.com, Internet: www.rechtsanwaltspraxis.com
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