Der Bundesgerichtshof hat einen Fall entschieden, bei dem es um Meinungsverschiedenheiten zwischen Verkäufer und Käufer beim Kauf eines Vertu-Handys über eine Internetauktion ging. Darauf verweist der Frankfurter Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz Dr. Jan Felix Isele von der Kanzlei DANCKELMANN UND KERST, Vizepräsident der DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die entsprechende Mitteilung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 28.03.2012 zu seinem Urteil vom selben Tage, Az.: VIII ZR 244/10.
Die Beklagte bot auf der Internetplattform eBay im Rahmen einer Auktion unter Hinzufügung eines Fotos ein Handy zum Verkauf unter der Bezeichnung "Vertu Weiss Gold" ohne Festlegung eines Mindestpreises zu einem Startpreis von 1 Euro an. Zur Beschreibung heißt es in dem Angebot, dass der Zustand gebraucht sei. Außerdem teilte die Beklagte dazu Folgendes mit:
"Hallo an alle Liebhaber von Vertu
Ihr bietet auf ein fast neues Handy (wurde nur zum ausprobieren ausgepackt). Weist aber ein paar leichte Gebrauchsspuren auf (erwähne ich ehrlichkeit halber). Hatte 2 ersteigert und mich für das gelb goldene entschieden. Gebrauchsanweisung (englisch) lege ich von dem gelb goldene bei, das andere habe ich auch nicht bekommen. Dazu bekommt ihr ein Etui, Kopfhörer und Ersatzakku. Privatverkauf, daher keine Rücknahme. Viel Spaß beim Bieten."
Der Kläger gab ein Maximalgebot von 1.999 Euro ab und erhielt für 782 Euro den Zuschlag. Die Annahme des seitens der Beklagten angebotenen Handys verweigerte er mit der Begründung, dass es sich um ein Plagiat handele. Der Kläger hat behauptet, dass ein Original des von der Beklagten angebotenen Handys 24.000 Euro koste. Die auf Zahlung von 23.218 Euro Schadensersatz (24.000 Euro abzüglich des Kaufpreises von 782 Euro) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.
Die dagegen gerichtete Revision des Klägers führte zur Aufhebung des Berufungsurteils, so Dr. Isele.
Kein wucherähnliches Rechtsgeschäft
Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der zwischen den Parteien zustande gekommene Kaufvertrag entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht als sogenanntes wucherähnliches Rechtsgeschäft gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Zwar entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass Rechtsgeschäfte, bei denen ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, dann nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sind, wenn weitere Umstände, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung hinzutreten.
Auf eine derartige Gesinnung kann beim Verkauf von Grundstücken und anderen hochwertigen Sachen regelmäßig geschlossen werden, wenn der Wert der Leistung annähernd doppelt so hoch ist wie der der Gegenleistung. Von einem solchen Beweisanzeichen kann bei einer Online-Auktion jedoch nicht ohne Weiteres ausgegangen werden. Denn die Situation einer Internetversteigerung unterscheidet sich grundlegend von den bisher entschiedenen Fällen, in denen sich in den Vertragsverhandlungen jeweils nur die Vertragsparteien gegenüberstanden.
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann auch eine Beschaffenheitsvereinbarung des Inhalts, dass es sich bei dem angebotenen Mobiltelefon um ein Originalexemplar der Marke Vertu handelt, nicht verneint werden. Das Berufungsgericht meint, gegen die Annahme einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 Abs. 1 Satz 1) spreche "vor allem" der von der Beklagten gewählte Startpreis der Auktion von 1 Euro.
Diese Begründung trägt nicht. Das Berufungsgericht verkennt, dass dem Startpreis angesichts der Besonderheiten einer Internetauktion im Hinblick auf den Wert des angebotenen Gegenstandes grundsätzlich kein Aussagegehalt zu entnehmen ist. Denn der bei Internetauktionen erzielbare Preis ist von dem Startpreis völlig unabhängig, da er aus den Maximalgeboten der Interessenten gebildet wird, so dass auch Artikel mit einem sehr geringen Startpreis einen hohen Endpreis erzielen können, wenn mehrere Bieter bereit sind, entsprechende Beträge für den Artikel zu zahlen.
Aus diesen Gründen kann dem Berufungsgericht schließlich auch insoweit nicht gefolgt werden, als es den geltend gemachten Schadensersatzanspruch mit der Hilfsbegründung verneint hat, dem Kläger sei der - unterstellte - Mangel der Unechtheit des von der Beklagten angebotenen Mobiltelefons infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben (§ 442 Abs. 1 Satz 2 BGB), weil es erfahrungswidrig sei, dass ein Mobiltelefon mit dem von dem Kläger behaupteten Wert zu einem Startpreis von 1 Euro auf einer Internetplattform angeboten werde.
Sichtweise eines verständigen Empfängers
Die Sache wurde an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann, auf deren Grundlage das Berufungsgericht in umfassender Würdigung der gesamten Umstände zu beurteilen haben wird, ob das Angebot der Beklagten aus der Sicht eines verständigen Empfängers ein Originalgerät der Marke Vertu zum Gegenstand hatte.
Rechtsanwalt Dr. Isele empfiehlt, dies zu beachten und in allen Zweifelsfragen auf jeden Fall Rechtsrat einzuholen, wobei er in diesem Zusammenhang u. a. auch auf die DASV Deutsche Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e. V. (www.mittelstands-anwaelte.de) verweist.
Weitere Informationen und Kontakt:
Dr. Jan Felix Isele, Rechtsanwalt und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, c/o Danckelmann und Kerst, Mainzer Landstraße 18, 60325 Frankfurt am Main, Tel.: 069 920727-0, E-Mail: ra.dr.isele@danckelmann-kerst.de, Internet: www.danckelmann-kerst.de