1. Dienstvertrag oder Werkvertrag?
Der Dienstvertrag wird in § 611 BGB definiert: "Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein".
Eine Definition des Werkvertrags findet sich in § 631 BGB: "Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein".
Die beiden entscheidenden Unterschiede zwischen den Vertragsarten sind somit die Erfolgsbezogenheit des Werkvertrags sowie die genaue Definition des Arbeitsergebnisses.
Welche Art von Vertrag vorliegt, ist in der Regel eine Frage der Auslegung. Hierfür besagt § 133 BGB: "Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften".
Somit kommt es nicht auf Begriffe allein an. Nicht jeder Vertrag, der den Titel "Werkvertrag" trägt, ist auch einer. Vielmehr kommen anderen Fragen Bedeutung zu:
- Was haben die Parteien vereinbart?
- Warum wurden die Vereinbarungen geschlossen?
- Wie wurde der Vertrag gelebt?
2. Freiberuflichkeit/Gewerblichkeit
Steuerrechtlich gilt der Grundsatz: Jeder Freiberufler ist Selbständiger, aber nicht jeder Selbständige ist Freiberufler.
Die Vorteile eines Selbständigen, der vom Finanzamt als Freiberufler eingestuft ist, sind
- Keine Gewerbesteuer
- Keine Bilanzierungs-/Buchführungspflicht
- Kein IHK-Beitrag
Die Frage, ob ein Selbständiger als gewerblich oder als freiberuflich gilt, ist gesetzlich in § 18 EStG (Einkommensteuergesetz) geregelt. Hier werden so genannte Katalogberufe aufgezählt, die als freiberuflich gelten. Weiterhin werden bestimmte Tätigkeiten genannt. Die Auslegung dieser gesetzlichen Bestimmungen erfolgt durch die Finanzgerichte und den BFH (Bundesfinanzhof).
Für den Bereich der IT hat der BFH mit seinem Urteil vom 04.05.2004 beispielsweise entschieden: "Ein selbständiger Diplom-Informatiker, dessen Ausbildung der Berufsausbildung der Ingenieure vergleichbar ist, übt seit Anfang der 90er-Jahre eine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch dann aus, wenn er (vorwiegend) Anwendersoftware entwickelt. Die gegenteilige Rechtsprechung des BFH ist insoweit durch die Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse überholt".
Und das Niedersächsische Finanzgericht ergänzt mit seinem Urteil vom 13.12.2005: Die Auffassung des BFH, nach der Ingenieure wegen ihres breiteren und tieferen Grundlagenwissens in der Lage seien, Probleme in einem größeren Zusammenhang zu sehen und damit sicherer zu beurteilen als ein Techniker, mag seinerzeit zugetroffen haben, ist heute allerdings überholt.
Und in einem neueren Urteil hat der BFH entschieden, dass auch die Beratung freiberuflich sein kann (BFH Urteil vom 09.02.2006, Az. IV R 27/05, BFH/NV 2006, 1270) und dabei u.a. ausgeführt: "Ein konstruierendes Element ist zur Bejahung einer ingenieurähnlichen Tätigkeit nicht erforderlich. Für eine ingenieurähnliche Tätigkeit reicht es vielmehr aus, dass sich die Tätigkeit des Steuerpflichtigen zumindest auf einen der Kernbereiche einer vergleichbaren Ingenieurtätigkeit erstreckt. Die Ingenieurtätigkeit umfasst auch die beratende Tätigkeit. Der beratenden Tätigkeit ist ein konstruierendes Element nicht von Natur aus wesenseigen".
Daher meine Empfehlung:
1. Legen Sie Einspruch gegen Gewerbesteuermessbescheide des Finanzamts ein.
Frist: Innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheids.
2. Beantragen Sie die Aussetzung der Vollziehung.
3. Ziehen Sie für die Begründung des Einspruchs einen in der Sache versierten Steuerberater oder Rechtsanwalt hinzu.
3. Umsatzsteuer
Probleme mit der Umsatzsteuer kann es geben, wenn der Auftraggeber des Freiberuflers seinen Sitz im Ausland hat und daher keine Umsatzsteuer berechnet haben möchte und der Endkunde seinen Sitz im Inland hat.
Insbesondere im Rahmen einer Betriebsprüfung kann das Finanzamt dann nachträglich eventuell die Umsatzsteuer vom Freiberufler verlangen.
Ob eine Leistung umsatzsteuerpflichtig ist, wird in den §§ 3a und 3 b UStG (Umsatzsteuergesetz) geregelt. Danach wird eine Leistung an dem Ort ausgeführt, von dem der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Ist der Empfänger ein Unternehmer, so wird die Leistung dort ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt.
Dies bedeutet, dass es darauf ankommt, für wen der Freiberufler seine Leistung erbringt: für seinen ausländischen Vertragspartner (dann umsatzsteuerfrei) oder für den inländischen Endkunden (dann umsatzsteuerpflichtig).
Dabei kommt den vertraglichen Vereinbarungen immense Bedeutung zu.
Meine Empfehlungen hierzu lauten: Sammeln Sie möglichst folgende Informationen und Unterlagen:
- Verträge
- Referenzen
- Arbeitsunterlagen (Dokumentation)
- Geschäftsunterlagen des Auftraggebers/Vermittlers
- Handelsregisterauszug
- Wirtschaftsauskünfte
- Inserate des Auftraggebers/Vermittlers
- Adressen von anderen Freiberuflern
4. Scheinselbständigkeit/Rentenversicherungspflicht
4.1 Kleine Geschichte der Scheinselbständigkeit
Vor dem 01.01.1999 galt:
- Keine konkreten gesetzlichen Kriterien
- Volle Beweislast bei der BfA
Vom 01.01.1999 bis 31.12.2002 galt:
- 5 gesetzliche Kriterien
- Umgekehrte Beweislast zu Gunsten der BfA
Ab dem 01.01.2003 gilt:
- Gesetzeslage wie vor dem 01.01.1999
Ab 01.10.2005 heißt die BfA (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte) nunmehr DRB (Deutsche Rentenversicherung Bund).
4.2 Rentenversicherungspflicht
Für Selbständige gelten nach wie vor 2 Kriterien:
- im wesentlichen und auf Dauer nur ein Auftraggeber
und
- keine eigenen Mitarbeiter (über 400,00 EUR Monatsverdienst)
Die Auslegung der Begriffe "im wesentlichen" und "auf Dauer" ist äußerst strittig. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat hierzu eine sehr eigene Ansicht, die von Gerichten des Öfteren korrigiert wurde. So haben z.B. die Sozialgerichte Aachen, Itzehoe und München fast einmütig u.a. entschieden: "Die Regelung des § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI würde auf den Kopf gestellt, wenn gerade dann, wenn der Betroffene einen besonders lukrativen und umfangreichen Auftrag erhält, er der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt, während er in Zeiten, in denen er mehrere kleine Aufträge, die sich nebeneinander erledigen lassen, bearbeitet, er dieser Versicherungspflicht nicht unterliegt".
Meine Empfehlungen hierzu lauten:
- keine unbefristeten Verträge
- keine vertragliche Verpflichtung des Freiberuflers, Leistung persönlich zu erbringen
- keine Einschränkung des Einsatzes eigener Mitarbeiter des Freiberuflers
- Widerspruch gegen Bescheide der DRB einlegen
- Hinzuziehung eines in der Sache versierten Rechtsanwalts
5. Wettbewerbsverbote
Die meisten Verträge von Freiberuflern, die über Agenturen und nicht direkt für den Endkunden tätig sind, beinhalten Wettbewerbsverbote. Diese werden manchmal auch anders bezeichnet wie beispielsweise als Kundenschutzklausel, Loyalitätsvereinbarung, Geheimhaltungsgebot oder Treupflicht.
Will der Freiberufler dann nach Abschluss des Projektes direkt für den Endkunden arbeiten, stellt sich die Frage, inwieweit das Wettbewerbsverbot wirksam ist.
Die Rechtsprechung hat dazu drei Kriterien entwickelt. Danach ist ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot dann unwirksam, wenn
- keine Karenzentschädigung vereinbart wurde
nur für einen Auftraggeber gearbeitet wurde
die Vertragsdauer länger als ein Jahr war.
6. Fazit
Wie gesehen, stecken die rechtlichen bzw. steuerlichen Probleme für Freiberufler häufig im Detail. Hinzu kommt, dass es zwischen den einzelnen Bereichen Vertrag, Steuer und Rentenversicherung zahlreiche Beziehungen gibt, die sich unterschiedlich auswirken können, wie z.B. eine langjährige Vertragdauer mit einem Auftraggeber, die eher ungünstig in Bezug auf die Rentenversicherungspflicht aber eher günstig in Bezug auf die Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots.
Für Freiberufler ist daher eine umfassende, um nicht zu sagen ganzheitliche Beratung wichtig, die alle Aspekte mit einbezieht und abwägt.
Nur so lassen sich die vielfältigen, häufig unterschätzten Risiken erkennen, angemessen bewerten und reduzieren bzw. vermeiden.
Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Benno Grunewald. Bremen, Justitiar des Berufsverbandes Selbständige in der Informatik (BVSI) e. V. (weitere Informationen dazu siehe Kasten). Kontakt zu Dr. Grunewald unter www.dr-grunewald.de (Dr. Benno Grunewald/mf)