Wer Auto fahren will, braucht Straßen. Wer Zug fahren will, braucht Schienen. Wer digitale Daten, Sprache, Fotos, Videos, Telefonie und Webseiten übertragen will, braucht ebenfalls ein passendes Träger-Medium. Die bekanntesten Inhouse-Carrier sind: Ethernet-Kabel für das LAN, Luft für das WLAN sowie ganz normale 230-Volt-Stromleitungen für Powerline.
Was spricht für eine Verkabelung per Gigabit-LAN?
Das klassische Ethernet-LAN-Kabel garantiert die sicherste, zuverlässigste und durchsatzstärkste Heim- und Büro-Vernetzung. Leider kostet die komplette Vernetzung einer Wohnung, eines Büros oder eines ganzen Hauses per Ethernet-Kabel viel Zeit und Mühe. Wenn der Hausmann zwei linke Hände hat, muss ein Handwerker kommen, um Löcher durch Decken und Wände zu bohren oder Kabel-Kanäle in Boden und Wände zu fräßen. Da kommen schnell drei bis vierstellige Eurobeträge für Arbeitslöhne zusammen.
Das reine Kabel-Material samt Router-Switch-Equipment ist im Vergleich dazu kaum nennenswert. Nur wenige Häuser wurden schon im Bau mit genügend Leerkanälen für die lückenlose Heim-Verkabelung ausgestattet. In modernen Büros sieht es besser aus: Dort sind Ethernet-Dosen in allen Räumen der Standard. Außerdem gibt es in Büros oft genug Leer-Rohre, Leer-Kanäle, doppelte Decken oder doppelte Böden, die ohne großen Aufwand nachträglich Kabel aufnehmen können.
Wie schnell ist ein Netzwerk mit Gigabit-LAN?
Mit einem 10/100/1000-Megabit-LAN-Equipment kann man 600 bis 900 Mbit/s an echten Nutzdaten in einem Windows-Datei-Transfer übertragen. Konkrete Messung aus der Praxis: Wir verbinden zwei schnelle Laptops mit Gigabit-Ports per LAN-Kabel über den eingebauten 4-Port-Gigabit-Switch einer aktuellen AVM FRITZBox 7490: Beim Kopieren einer 1,0-Gigabyte großen Test-Datei rasen die Daten mit bis zu 890 Mbit/s netto von einem Rechner zum anderen. Auch mit anderen Switch-Marken landet man netto in der Regel 100 bis 200 Megabit unter den offiziellen 1.000 Megabit.
Was spricht für eine Vernetzung per Gigabit-WiFi?
WLAN alias Wi-Fi, also das drahtlose LAN, nutzt die Luft als Trägermedium für das Lokale Netzwerk. WLAN eignet sich besonders für die Vernetzung mobiler (!) Geräte wie Smartphones, Tablets und Notebooks. Fast alle Mobiles haben heutzutage WLAN ab Werk eingebaut. Doch auch stationäre Fernsehgeräte, PCs, Gaming-Konsolen, Blu-ray-Player und Lokale NAS-Speichersysteme haben immer häufiger WLAN-Module an Bord, oder sind mit einem WLAN-Stick nachrüstbar. Der große Vorteil von WLAN: Die Luft ist überall präsent, nicht nur an der Steckdose. Man kann sich daher in der gesamten WLAN-Funkzelle einer Wohnung oder eines Büros kabelfrei bewegen, und hat trotzdem (fast) immer eine Verbindung zum Netzwerk.
Wie schnell funkt Gigabit-WiFi?
Der aktuelle WLAN-Standard 802.11ac, alias Gigabit-WLAN, verspricht in der 3x3-MIMO-Variante mit jeweils drei WLAN-Antennen im Router und im Endgerät nominal 1.300 Mbit/s Brutto. In der Praxis kommt natürlich weniger: Mit zwei aktuellen WLAN-Routern AVM Fritzbox 7490 konnten wir unter optimalen Bedingungen Peaks von 791 Mbit/s netto auf kurze Distanz messen, sprich 61 Prozent vom Bruttowert. Als reproduzierbare Dauerleistung schafften die zwei AC-Fritzboxen AVM 7490 durch eine Stahlbetondecke hindurch einen Netto-Durchschnitt von 560 Mbit/s, also 43% vom Bruttowert. Fazit: Das aktuelle Gigabit-WLAN ist netto (!) langsamer als Gigabit-LAN, egal welche Hersteller-Marke man verwendet.
Wie funktioniert Powerline?
Die weniger bekannte PowerLine-Communications-Technik, kurz PLC, nutzt die normalen 230-Volt-Stromleitungen einer Wohnung als Trägermedium für ein lokales Netzwerk. Im einfachsten Falle läuft ein Ethernet-Kabel von einem Router (oder von einem Rechner) zu einem Ethernet-to-PLC-Adapter, der in einer Strom-Steckdose steckt. Dieser PLC-Adapter treibt nun Daten, Musik, Fotos, Filme, Telefonie und Webseiten über die 230-Volt-Stromleitung an alle anderen Strom-Steckdosen der Wohnung. Dort kann ein zweiter PLC-to-Ethernet-Adapter den Daten-Musik-Bilder-Video-Strom aus dem 230-Volt-Netz abgreifen und dem Ziel-Endgerät wieder per LAN-Kabel zuführen.
Wie funktioniert Gigabit-Powerline?
Ein moderner Stromkreis hat drei Adern, die Phase (L), den Neutral-Leiter (N) und den Schutz-Leiter (PE). Ältere Stromkreise haben häufig nur zwei Adern, die Phase (L) und den Neutralleiter (PEN), der dann die Aufgabe des Schutzleiters mit übernimmt.
Ursprünglich wurde Powerline nur auf zwei Adern genutzt. Das schnelle Gigabit-Powerline benötigt jedoch einen Stromkreis mit drei Adern sowie Schutzkontakt-Steckdosen. Dank MIMO-Technik kann Powerline auf drei Adern etwa 60 bis 80 Prozent schneller kommunizieren als auf zwei Adern, erklärt etwa der PLC-Hersteller AVM aus Berlin.
In dessen jüngstem PLC-Adapter "AVM FRITZ Powerline 1000E" arbeiten zwei Empfänger und zwei Sender auf beiden Seiten im Parallelbetrieb. Man spreche deshalb von 2x2-MIMO. Durch aufwändige Signalverarbeitung auf Sende- und Empfangsseite würden beide Adernpaare mit der maximal möglichen Datenrate betrieben. Die Datenrate, die der FRITZ!Powerline 1000E übertragen kann, sei die Summe der Datenraten beider Kanäle, erläutern die Berliner Netzwerk-Experten.
Wer bietet moderne Powerline-Produkte?
PCL-Adapter gibt es unter anderem von Allnet, ASUS, AVM, Conrad, Devolo, D-Link, Deutsche Telekom, Linksys, MSI, Netgear, Trendnet, TP-LINK und ZyXEL.
Der deutsche Powerline-Spezialist Devolo aus Aachen gilt als Marktführer, in Deutschland sowieso, aber auch weltweit. So jedenfalls Christoph Rösseler, Director Marketing & Public Relations bei der devolo AG.
Der deutsche WLAN-Router-Champion AVM aus Berlin hat den PLC-Markt zur CeBIT 2011 mit seinem ersten PLC-Pärchen "FRITZPowerline 500E" mit nominal 500 MBit/s betreten.
Per Redaktionsschluss 11.11.2014 können derweil just diese beiden deutschen High-Tech-Schmieden schon die modernsten Powerline-Produkte der jüngsten 1200-Megabit-Klasse liefern. Die meisten anderen PLC-Adapter-Hersteller waren mit PLC-1200 noch nicht lieferfähig. Es gibt also noch führende Netzwerk-Technik aus deutschen Landen, von deutschen Ingenieuren.
Was bringen PLC-Adapter mit 200 und 500 Mbit/s?
Ältere PLC-Produkte mit nominal 14 oder 85 Mbit/s (Brutto) sind nicht kompatibel mit den jüngeren Speed-Klassen 200, 500, 600, 1.000 und 1.200 Megabit.
Powerline-Adapter der 200-Megabit-Klasse (Brutto) schafften in unseren Tests meist 60 bis 90 Mbit/s netto auf kurze Distanz im gleichen Raum. Netto blieben also keine 50% vom Bruttowert übrig.
Anfang 2011 ist mit dem "Netgear Powerline AV 500 Adapter Kit XAVB5001" das erste PLC-Pärchen mit 500 MBit/s (Brutto) auf den deutschen Markt gekommen, noch ohne Durch-Steckdose. Kurz darauf kam der große Bruder - mit einer Durch-Steckdose - als "Netgear Powerline AV+ 500 Adapter-Set XAVB5501". Ein ähnlicher PLC-Adapter - ebenfalls mit Durch-Steckdose - kam damals auch von Devolo als "dLAN 500 AVplus Starter Kit". Auf kurze Entfernung im gleichen Raume flitzte unsere 1-GigaByte-Test-Datei via devolo-PLC-Pärchen mit maximal 256 Mbit/s über die Stromleitung. Mit zwei Netgear-500-Mbit/s-Adaptern waren es maximal 263 Mbit/s. Netto blieben in beiden Fällen also immerhin gut 50 Prozent der nominalen Brutto-Datenrate übrig. Bei identischen Testverfahren, in der gleichen Testumgebung.
Was bringen PLC-Adapter mit 1.200 Megabit?
Im Herbst 2014 kamen die ersten 1.200-Megabit-PLC-Adapter der Marken "AVM FRITZPowerline 1000E" und "devolo dLAN 1200+" auf den deutschen Markt. In unseren Messungen vom November 2014 blieben deutlich weniger als 50 Prozent vom Brutto übrig, egal ob mit AVM- oder Devolo-Adaptern.
Bei unseren Messtests kopieren wir seit Jahren die immer gleiche 1-Gigabyte-Test-Datei von einem schnellen Windows-Laptop zum Anderen, egal ob wir nun LAN, WLAN oder Powerline vermessen. Die Entwicklungsabteilungen einiger Hersteller testen oft mit anderen Methoden, die weitaus höhere Messwerte auswerfen, aber für normale Endanwender keine Praxisrelevanz besitzen.
In diesem Übersichts-Artikel ist kein Platz für unsere detaillierten PLC-1200-Messprotokolle. Nur mal so viel vorab: Bei Gigabit-Powerline klafft die Lücke zwischen Brutto- und Netto-Speed momentan erheblich größer als bei Gigabit-WLAN oder gar Gigabit-LAN. Das spricht aber keinesfalls gegen Gigabit-PLC, gerade wenn Alternativen wie LAN und WLAN - aus welchen Gründen auch immer - nicht in Frage kommen.
Sind Powerline-Mess-Ergebnisse übertragbar?
Die Ergebnisse von Powerline-Speed-Messungen lassen sich nur grob auf andere Wohnungen übertragen. Sie hängen unter anderem von der Qualität und vom Alter der Stromleitungen ab. Wohnungs-Nachbarn, die ebenfalls PLC-Adapter benutzen, können den Durchsatz im ganzen Haus verschlechtern. Auch billige Netzteile in benachbarten Steckdosen können das Stromnetz belasten und den PLC-Durchsatz verschlechtern. Falls möglich, sollte man PLC-Adapter auch nur direkt in Wandsteckdosen und nicht in Steckdosenleisten betreiben, weil letztere den Durchsatz je nach Bauart verlangsamen können.
Laut Netzwerkproduzent AVM wird der PLC-Speed auch durch folgende Geräte im Stromkreis behindert: Schalter in Mehrfachsteckdosen, Überspannungsfilter, FI-Schutzschalter, Stromzähler, Dimmer, Vorschaltgeräte sowie einige andere Geräte wie Bohrmaschinen und Staubsauger. Zudem werde der Durchsatz reduziert, wenn viele Powerline-Adapter im PLC-Netz zum Einsatz kommen. Das Alles gilt selbstverständlich auch für die Produkte der Marktbegleiter.
Verursacht Powerline Stör-Strahlung?
WLAN-Router funken aus ihren Antennen - das ist im Sinne des Erfinders. LAN-Kabel funken aus ihren Kupferdrähtchen - diese Störstrahlung ist unerwünscht, lässt sich aber mit abgeschirmten Ethernet-Kabeln reduzieren.
PLC-to-Ethernet-Adapter generieren ebenfalls unerwünschte Funkstrahlung, und zwar aus den 230-Volt-Strom-Kabeln, denn diese liegen in der Regel ohne Abschirmung unter dem Putz. Stromleitungen verhalten sich wie Sende-Antennen, sobald man hochfrequente Energie darauf gibt. Man versucht deshalb, die Störstrahlung von Powerline in Bereiche zu verlagern, wo es wenig Ärger gibt. Hier haben einige PLC-Adapter in der Vergangenheit gepatzt und Grund für kontroverse Diskussionen geboten.
Umfangreiche Messungen des Instituts für Rundfunktechnik (IRT) mit Sitz im Gelände des Bayerischen Rundfunks in München-Freimann haben etwa den 500-Mbit/s-Adaptern von Netgear mit dem Qualcomm Atheros Chipset AR7400 per Januar 2011 wie folgt bestätigt: "Eine Beeinträchtigung des UKW- und DAB-Empfangs durch den Betrieb der nach HomePlug AV2 (IEEE 1901) operierenden Adapter ist… nicht gegeben".
Dagegen haben die Störstrahlenmessungen des IRT den 1000-Mbit/s-PLC-Produkten von Belkin und MSI bescheinigt, "dass diese Modems im Frequenzbereich 30 MHz bis 305 MHz stärker stören als nach der Norm EN 55022 erlaubt". Diese Störungen erkannten beim IRT offenbar nicht nur die Profi-Messgeräte, sondern auch das bloße Ohr der Testexperten Lipfert, Schramm und Wiegel: "Subjektive Hörtests im Nahbereich zu einer datenführenden, ungeschirmten Stromleitung lassen Störungen von UKW-Empfang sowie deutliche Störungen des DAB-Empfangs erkennen, bis zum kompletten Ausfall des Audiosignals." Leider werden derart aufwändige Messungen nicht ständig für alle neuen PLC-Produkte durchgeführt. Sie belegen aber: Nicht nur WLAN strahlt, sondern auch Powerline, nur eben auf anderen Frequenzen.
Inwieweit stören anno 2014 auch die neuesten 1200-Megabit-Produkte? Dazu befragten wir Florian Szigat, PR Manager beim PLC-Adapter-Weltmarktführer Devolo: Voila: "Aktuelle Powerline-Adapter, wie der devolo dLAN 1200+, die dem HomePlug AV(2) Standard folgen, nutzen ausschließlich Frequenzen zwischen 2 und 68 MHz. Störungen wie bei den genannten Modellen von MSI und Belkin, denen ein abweichendes Konstruktionsprinzip zugrunde lag, sind somit nicht zu erwarten."
Was nun? LAN, WLAN oder Powerline?
Am Ende bleibt die Qual der Wahl: Will man maximalen Speed und beste Stabilität? Dann schließt man möglichst viele (stationäre) Geräte mit einem Gigabit-Kabel direkt an einen Gigabit-Router an: Weder 1.200-Megabit-Powerline noch 1.300-Megabit-WLAN-11a/b/g/n/ac können beim Nettospeed nämlich mit einer 10/100/1.000-Megabit-LAN-Vernetzung konkurrieren. Nur dort, wo das Gigabit-Kabel nicht gut hinkommt, optisch stört, oder nicht mobil genug erscheint, sollte eine Anbindung via PLC oder WLAN erfolgen. Außerdem kann man die drei Vernetzungs-Techniken LAN, WLAN und PLC in einer Wohnung, einem Haus oder einer Firma auch intelligent kombinieren. (hal)