Beratungsgespräch mit einem potenziellen Neukunden: Der Kunde zögert. Er hat seine Hausaufgaben gemacht und in der Vorbereitung im Internet seinen Versicherungsbedarf mit den Preisen seines Beraters vor Ort verglichen. Der Preisunterschied ist enorm! Für den Berater am Tisch heißt das: Willkommen im Preisgespräch.
Nun hat die Anbieterseite zwei Optionen: Rabatt oder Verunsicherung. Ein erheblicher Rabatt würde langfristig für den Berater das wirtschaftliche Aus bedeuten. Also entscheidet er sich für Plan B: Er zieht sein Smartphone aus der Tasche und zeigt dem Kunden ein paar Fotos eines Einfamilienhauses mit spannenden Details. Gleichzeitig berichtet er von einem bösen Unglück:
Eine Familie fährt mit den zwei kleinen Kindern über das Wochenende in die Ferien. Als sie am Sonntagabend wieder zu Hause sind, ist alles anders. Die örtliche freiwillige Feuerwehr hat einen kleinen Kabelbrand zum Anlass genommen, die Tanks der Einsatzfahrzeuge einmal wieder komplett zu leeren. Der Brand im Haus wäre noch zu verkraften gewesen, doch das Löschwasser hat alles ruiniert. Die Familie steht vor dem Nichts.
Der Berater war noch am Sonntagabend zur Stelle. Soforthilfe inbegriffen: Hotel mit Kostenübernahme und ein passendes finanzielles Budget, um den dringendsten Bedarf an Alltagsprodukten sofort zu decken. Alles unbürokratisch und persönlich über die Versicherung erledigt - Glück im Unglück.
"Wann und wie erreichen Sie Ihren Ansprechpartner bei Ihrem Internet-Anbieter? Wann bekommen Sie Ihr Geld? Sind Sie sicher, dass Sie Ihr Geld überhaupt bekommen oder wird sich der anonyme Anbieter aus dem World Wide Web über eine Klausel im Kleingeduckten Ihres Vertrags von jeglicher Unterstützung entziehen wollen?
Sie wissen immer erst im Schadenfall, ob Ihre Versicherung wirklich gut ist!" Drei Fragen, eine Randbemerkung und der Kunde ist verunsichert. Die Fotos vom Sonntagabend auf dem Smartphone erledigen den Rest. Der Preisunterschied ist via Verunsicherung relativiert. Auch ohne Rabatt.
64 verschiedene Kaufmotive
Diese lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Wir tun etwas oder kaufen etwas aus "Lust" oder, um "Schmerzen" zu vermeiden. Freude und Angst. Auf der "Lust"-Seite finden Sie die Motive: Geld sparen, verdienen, Rendite, Bequemlichkeit, Zeit sparen, persönlicher Ansprechpartner und vieles mehr.
Auf der "Schmerz"-Seite ist es dann im Schwerpunkt das Motiv Sicherheit. Bei einem Versicherungskunden ist das vorherrschende Kaufmotiv also die Sicherheit. Und nur die Sicherheit! Bei einem Kapitalanleger sind es Rendite und Sicherheit. Was meinen Sie? Welches Kaufmotiv hat den stärkeren Einfluss auf die Entscheidung?
Nein, "Lust" ist es nicht. Wann treffen wir radikale Entscheidungen? Vor allem immer dann, wenn ein einschneidendes "Schmerz"-Erlebnis eintritt: Herzinfarkt, Scheidung, Arbeitslosigkeit, Unfall, Insolvenz, Todesfall im nahen Umfeld. Jetzt sind wir auch zu gravierenden Veränderungen bereit.
Das Thema Sicherheit, also die Schmerz-Vermeidung, ist das stärkste Kaufmotiv! Besonders bei uns im wohlhabenden Deutschland und bei Kunden im höheren Alter erreichen Sie mit einer intelligenten "Angst"-Argumentation deutlich mehr, als über die klassische Nutzenargumentation im Sinne von Vorteilen für den Kunden.
Bei einer weltweiten Befragung, wurden die Teilnehmer vor die Wahl gestellt, was sie mit eintausend Euro tun würden: absichern oder vermehren? In Indien, Russland, China, Brasilien würden die Menschen lieber ein Risiko eingehen, um das Vermögen zu vergrößern. In Deutschland, Österreich und der Schweiz steht die Absicherung der tausend Euro klar im Vordergrund.
Praktische Umsetzung im Verkaufsgespräch
Damit wir uns richtig verstehen: Natürlich bauen Sie eine Beziehungsebene zu Ihrem Kunden auf. Natürlich beginnen Sie mit einer Vorteilsargumentation. Doch wenn der Kunde jetzt keine Entscheidung trifft oder Ihr Produkt keine Lust-Vorteile bietet (wie zum Beispiel alle Versicherungsprodukte), dann wechseln Sie auf die "dunkle Seite" Ihrer Argumentation:
Sie weisen Ihren Gesprächspartner darauf hin, welche Nachteile er hat oder haben könnte, wenn er sich nicht für Ihre Lösung entscheidet. Sie verkaufen über Schmerzen. Der Fachbegriff: "Geistige Brandstiftung".
Sie denken jetzt, dass das nicht Ihr Stil ist? Sie müssen es auch nicht tun. Ihr Wettbewerb erhält dann den Auftrag! Seit Jahrhunderten wird in vielen Branchen so "verkauft". In der katholischen Kirche wird den Gläubigen immer wieder klar gemacht was passiert, wenn gegen die Gebote verstoßen wird: Hölle und Fegefeuer.
Beweise gibt es keine und dennoch funktioniert diese Argumentation bis heute. Auch in der Politik - egal von welcher Partei - wird der Wähler verunsichert. Oder in der Versicherungsbranche: Ein Milliardengeschäft mit der Angst - oder der Sicherheit, je nach Blickwinkel. Sie selbst werden es auch jetzt schon privat wie geschäftlich praktizieren. Nur meist unbewusst und unstrukturiert.
Die richtige Dosierung entscheidet
Beschäftigen Sie sich mehr mit dem Verkauf über "Schmerzen", denn erstens werden Sie so Aufträge realisieren, die Sie bis heute nicht für möglich gehalten haben und zweitens ist die "Geistige Brandstiftung" ein sehr sensibles Thema, mit dem Sie sich gut auskennen müssen.
Der Arzt Paracelsus hat gesagt, dass die Wirkung eines Medikaments von der Dosierung abhängt: Zu schwach dosiert hat es keinerlei Wirkung. Zu stark dosiert kann der Patient getötet werden. Richtig dosiert wird der Patient geheilt. Gleiches gilt für die "Schmerz"-Argumentation: Achten Sie auf die passende Dosierung!
Die drei Varianten der "Geistigen Brandstiftung"
Erstens im persönlichen Gespräch: Das ist die Königsdisziplin. Das geht schnell und zeigt meist sofortige Wirkung, wenn Sie rhetorisch "fit" sind.
Zweitens mit dem Einsatz einer Checkliste: "Zehn Punkte, auf die Sie bei der Auswahl Ihrer KFZ-Versicherung/ bei Ihrem Versicherungswechsel/ bei der Auswahl Ihres Lieferanten achten sollten." Hier stellen Sie Ihre Stärken im Vergleich zu den Schwächen Ihres Wettbewerbs heraus. Doch Vorsicht: Keine Nutzenargumentation! Sie weisen nur auf die möglichen Nachteile und Gefahren hin und warten die Reaktion Ihres Gegenübers ab. Erstellen Sie für jedes Produkt bzw. für jede Verkaufssituation eine eigene Checkliste und überarbeiten Sie diese regelmäßig.
Drittens der Hinweis im Beraterprotokoll: Im Idealfall bestätigt der Kunde sein bewusst eingegangenes Risiko bzw. seine unterlassene Vorsorge noch mit seiner Unterschrift. Aus diesem Blickwinkel wird aus der lästigen EU-Vorgabe ein echtes Verkaufs-Werkzeug für Profis. Beraterprotokolle gibt es aber nur in der Versicherungsbranche? Ein solches Protokoll kann überall zum Zweck der Brandstiftung eingeführt werden.
Wenn Sie heute bei VW ein Auto kaufen, kommt vor dem Vertrag erst ein Formular, auf dem der Kunde per Unterschrift ausdrücklich bestätigen muss, dass er die Vorteile der Finanzierung nicht nutzen möchte. In vielen anderen Branchen haben wir ähnliche Vorgehensweisen im Rahmen der Vertriebsberatung sehr erfolgreich implementiert. Ein geniales Tool zum Zusatzverkauf.
Wann lohnt sich der Einsatz?
Wenn Ihr Produkt/ Ihre Dienstleistung nur das Kaufmotiv "Sicherheit" aufweist
Wenn Sie mit der Vorteilsargumentation nicht erfolgreich sind
In der Akquise von Neukunden, die ihren Anbieter/ Partner nicht wechseln und/ oder sich mit der Thematik nicht auseinandersetzen wollen
Bei Preiskäufern und in Preisgesprächen: Der Kunde diskutiert mit Ihnen ein Vergleichsangebot
Der Kunde kündigt seinen Vertrag bei Ihnen.
In diesen fünf Situationen ist es Ihre Pflicht als Berater und Verkäufer, den Kunden oder Interessenten auf seine Nachteile hinzuweisen! Gleichzeitig sichern Sie so Ihren Umsatz.
Noch ein Tipp: Wenn Sie tatsächlich einmal "überdosieren" und der Kunde irritiert reagiert, dann können Sie sich mit dieser Formulierung retten: "Herr Kunde, welches Produkt/ welche Dienstleistung Sie von welchem Anbieter letztendlich kaufen, das entscheiden Sie allein. Mir ist nur wichtig, dass Sie alle Risiken auch beachten.
Wenn wir uns in ein paar Monaten einmal an der Tankstelle oder im Supermarkt an der Käsetheke treffen, dann möchte ich Ihnen mit gutem Gewissen in die Augen sehen können. Ich will mir später nicht von Ihnen sagen lassen, dass Sie den anderen Anbieter nie genommen hätten, wenn Sie diese Informationen von Anfang an gehabt hätten. Bitte, Herr Kunde, Sie entscheiden!"
Bitte bedenken Sie zum Schluss noch die alte Verkäuferweisheit: "Zuerst wirst Du gefragt, warum Du das machst. Dann wirst Du gefragt, wie Du das machst!" Und jetzt wünsche ich Ihnen viel Erfolg mit dem Kaufmotiv "Schmerz-Vermeidung". (oe)
Lesetipp: Was tun gegen die "Totschlag-Argumente" von Kunden?