Die aktuellen Verwerfungen auf den internationalen Finanzparketten haben dazu geführt, dass Firmengründer von US-Start-ups vergeblich auf potenzielle Investoren warten. Indem die US-Regierung zusätzlich in dieser schwierigen Wirtschaftslage Forschungsgelder kürzt und somit die Weiterentwicklung von Ideen hemmt, wird vor allem das kalifornische Silicon Valley mit voller Wucht getroffen. Wie der Spiegel berichtet, fürchtet angesichts der Auswirkungen der Finanzkrise nun die US-Start-up-Szene um ihre Existenz. Vor allem die Computer-, Biotech- und junge Softwarebranche gerät somit zusehends in Schieflage. Dass die aktuelle Situation dramatisch ist, zeigt sich unter anderem darin, dass allein im zweiten Quartal 2008 kein Start-up mangels finanzieller Möglichkeiten durch Investoren an die Börse gehen konnte. Dies sei laut dem amerikanischen Venture-Capital-Verband zum letzten Mal 1978 der Fall gewesen.
"Frühphaseninvestitionen sind generell mit größerem Risiko behaftet. Da dieses Segment in Österreich noch in den Kinderschuhen steckt, besteht in diesem Bereich auch ohne die Krise ein Nachholbedarf, der somit keine Folge der Hiobsbotschaften der vergangene Wochen ist", erläutert Jürgen Marchart, Geschäftsführer der Austrian Private Equity and Venture Capital Organisation. Laut dem Experten sei auf regionalübergreifender Ebene langfristig jedoch damit zu rechnen, dass sich ab 2009 bereits erste Auswirkungen der US-Finanzkrise auf die Venture-Capital-Branche bemerkbar machen werden. "Dies trifft auf die Marktteilnehmer zu, die sich im Fundraising befinden, also dem Aufbringen von Investitionskapital zum Zweck der Gründung einer Beteiligungsgesellschaft", so Marchart. Diese Sicht scheint sich hinsichtlich der Banken-Hiobsbotschaften zu bestätigen.
Nach der Mrd.-Pleite der renommierten US-Investmentbank Lehman Brothers, dem Verkauf von Merrill Lynch an die Bank of America sowie der Rettung des größten Versicherers AIG durch die Notenbank Fed wurde die Situation für die US-Tech-Branche noch schwieriger. Belastend kommt aber auch hinzu, dass dem 700 Mrd. Dollar schweren Notpaket zur Stützung der Finanzbranche bislang nicht vom US-Repräsentantenhaus zugestimmt wurde und dies ein Börsenbeben verursacht hatte. Der Bankencrash hat dazu geführt, dass das Misstrauen der Finanzgiganten untereinander wächst und junge Industriezweige, die sich im Wachstum befinden, nicht mehr genügend Investoren finden. "Dieser Crash wird schlimmere Folgen haben als das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000. Dieses Mal sind grundsätzliche Mechanismen unseres Finanzsystems zerstört", zitiert der Bericht John Fisher, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität San Francisco.
Laut dem US-Marktforschungsinstitut Forrester leidet vor allem die Technologie-Industrie unter den Auswirkungen des Finanzbebens. Schließlich machen IT-Firmen rund 20 Prozent ihres gesamten IT-Umsatzes in den USA mit Finanzfirmen, während allein die Wall Street gerade einmal sechs Prozent ausmacht. Wie das Branchenblatt American Banker berichtet, erwirtschaften Branchengiganten wie Sun Microsystems oder IBM sogar 24 bzw. 29 Prozent ihres Umsatzes durch das Geschäft mit der Finanzindustrie. Wegen der brisanten Finanzlage rechnen Branchenexperten vor allem mit Verwerfungen im Biotech-Bereich. Bislang hätten große Pharmakonzerne innovative Start-ups mit interessanten Produkten gekauft, da es ihnen selbst an kreativem Potenzial fehlt. Obwohl es sich für Venture-Capital-Firmen bisher gelohnt hat, Start-ups zu unterstützen, könnte es deutlich schwieriger werden, das dazu notwendige Kapital aufzutreiben. (pte/rw)