Lieferung von Informationstechnik

Urteil zur produktneutralen Ausschreibung

19.02.2008
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein Urteil zur produktneutralen Ausschreibung gefällt. Es ging um die Lieferung von Drucker-Verbrauchsmaterialien.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einem Beschluss (Az.: 11 Verg 12/06) zu dem Grundsatz der produktneutralen Ausschreibung Stellung genommen.

Hintergrund war eine Ausschreibung der zentralen Beschaffungsstelle in Hessen für die Lieferung von Informationstechnik. Es sollte eine Rahmenvereinbarung über die Lieferung von DV-Verbrauchsmaterialien im offenen Verfahren nach der VOL/A europaweit ausgeschrieben werden. Die vorgesehene Rahmenvereinbarung sollte mit einem einzigen Wirtschaftsteilnehmer über einen Zeitraum von vier Jahren abgeschlossen werden. Der Auftragswert wurde auf 8 Mio. Euro netto geschätzt.

Bei den DV-Verbrauchsmaterialien handelte es sich um Tonerkartuschen, Tintenpatronen, Speichermedien, Reinigungsmaterial u.a. In der Ausschreibung selber war ausdrücklich vorgegeben, dass Originalprodukte des Herstellers (die einzelnen Markennamen wurden entsprechend aufgezählt) sowie auch Alternativprodukte anzubieten und dabei zu kennzeichnen seien, um welche Art der Alternativprodukte es sich handelt.

Bei der Auswertung sollten die Alternativprodukte im Verhältnis zu den Original-Hersteller-Produkten wie folgt gewichtet werden: Original/Kompatibel: 60 : 40, Original/Rebuild: 70 : 30, Original/Refilled: 90 : 10

Dagegen wandte sich ein Anbieter und hatte auch vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main Erfolg.

Das Oberlandesgericht Frankfurt stellt fest, dass der Anbieter mit seinen Alternativprodukten letztlich keine reale Chance hat, in den Kreis derjenigen zu gelangen, die für die Zuschlagserteilung ernsthaft in Betracht kommen. Dies wird aus Sicht der Richter auf die Gewichtung der Angebote zurückgeführt, die ein deutliches Übergewicht zugunsten der Original-Angebote erstellen.

Durch diese beabsichtigte Gewichtung hat die Vergabestelle mittelbar bestimmte Produkte vorgegeben, so dass die Grundsätze des § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A zu berücksichtigen sind. Weiter führt das Gericht aus:

"Zwar kann eine Ausschreibung grundsätzlich auch in dieser Form durchgeführt werden; hierfür muss jedoch ein berechtigter Anlass bestehen und die Vergabestelle hat dies im Einzelnen nachvollziehbar zu begründen und zu dokumentieren, insbesondere im Hinblick auf das angeblich erwartete Bestellverhalten, aus dem sich die Vorgabe der Gewichtung ergeben soll. Gerade diesem Erfordernis ist die Antragsgegnerin nicht ausreichend nachgekommen."

Die Richter kritisieren, dass allgemein die Gewichtung damit begründet wird, dass so das Bestellverhalten der jeweiligen Behörden wiedergegeben wird. Die bloße Unterstellung eines solchen Bestellverhaltens ohne weitere Begründung ist aber nicht zulässig. Auch der Verweis auf die Vielfalt der in den Dienststellen zum Einsatz kommenden Drucker sowie ihre Unkenntnis über deren konkrete Einsatzbedingungen, das Alter und den Pflegezustand genügt nicht, um Original-Produkte in der hier erfolgten Art und Weise zu bevorzugen.

Das Argument, bestimmte Druckermodelle lassen sich mit Alternativprodukten nicht ordnungsgemäß einsetzen, wird von dem Gericht als nicht ausreichend tragfähig angesehen. Hier hätte die Vergabestelle weitergehende Informationen sammeln müssen und dies entsprechend im Rahmen der Vergabeakte vermerken müssen.

In den Schlussbemerkungen führt das Gericht weiter aus: "Der Vergabestelle ist darüber hinaus entgegenzuhalten, dass auch keine ausreichende Dokumentation Ihrer Erwägungen vorgenommen worden ist. Ein fortlaufend geführter Vergabevermerk hinsichtlich Planung, Vorbereitung von Entscheidungsphasen und insbesondere der tragenden Ermessenserwägungen, die zu der Aufstellung des Leistungsverzeichnisses in der vorliegenden Form geführt haben, ist in den von der Vergabestelle vorgelegten Akten nicht enthalten. Es fehlen insbesondere Unterlagen, die den Prüfungs- und Willensbildungsprozess der zuständigen Entscheidungsträger dokumentieren und aus denen sich die Einhaltung des Wertungsspielraums der Antragsgegnerin nachvollziehen lassen, insbesondere das Vorliegen der besonderen Umstände erkennen lassen, aus denen es nachvollziehbar gerechtfertigt ist, ein bestimmtes Bestellverhalten als maßgebend zugrunde zu legen."

Praxistipp:

Das Gericht macht, wie bereits in vielen Entscheidungen zu lesen, erneut deutlich, dass eine sorgfältige Dokumentation im Rahmen von vergaberechtlichen Entscheidungen dringend geboten ist.

Bei der Beschaffung von DV-Materialien kann des Weiteren nicht auf "allgemeine" Informationen zurückgegriffen werden, die Störungen von DV-Geräten dokumentieren. Hier ist ein höherer Aufwand von Vergabestellen zu betreiben. Anderenfalls hat ein Anbieter durchaus die Möglichkeit, entsprechende Vergabeverfahren rechtlich anzugreifen.

Der Autor: Thomas Feil, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Informationstechnologierecht und Arbeitsrecht. Kontakt und weitere Informationen: Feil Rechtsanwälte, Georgsplatz 9, 30159 Hannover. Tel: 0511/473906-01, Fax 0511/473906-09. Im Internet: www.recht-freundlich.de, E-Mail: feil@recht-freundlich.de

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