(NEU: Finanzministerium, VATM, Telekom, Netzagentur)
Von Stefan Paul Mechnig
Dow Jones Newswires
BRÜSSEL/DÜSSELDORF (Dow Jones)--Der seit fast zwei Jahren schwelende Streit um eine Schonbehandlung der Deutschen Telekom AG beschäftigt jetzt die Justiz. Die Europäische Kommission reichte am Mittwoch wie angekündigt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland ein. Damit ist das vor vier Monaten eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren weiter eskaliert. Brüssel wendet sich gegen ein neues Gesetz, das für das teure neue Glasfasernetz der Telekom eine Ausnahme von der Regulierung ermöglicht.
Nach Auffassung der Kommission gefährdet die seit Jahresbeginn geltende Regelung die Position der Wettbewerber und erschwert neuen Anbietern den Zugang zum deutschen Markt. Auch könnten die Vorschriften dazu führen, den Ermessensspielraum der Bundesnetzagentur zu beschneiden. Die Kommission habe Deutschland mehrfach gewarnt, dass es mit den neuen Bestimmungen gegen EU-Recht verstoße, erklärte die zuständige Kommissarin Viviane Reding in Brüssel.
Die Bundesregierung bleibt gleichwohl bei ihrem Kurs. "Wir halten die Vorwürfe weiterhin für unberechtigt und sehen jetzt der Klage gelassen entgegen", sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Man gehe davon aus, vor Gericht Recht zu bekommen. Vorwürfe, die Bundesregierung wolle das Gesetz nicht ändern, weil sie den Aktienkurs der Telekom in die Höhe treiben wolle, bezeichnete die Sprecherin als "völlig abwegig".
Das Bundesfinanzministerium macht indessen die Regulierung von Staatsbetrieben wie der Telekom für negative Entwicklungen des Aktienkurses mitverantwortlich. Laut einem Dokument, in das die Nachrichtenagentur Dow Jones Newswires Einblick hatte, will das Ministerium die Auswirkungen der Regulierung untersuchen und schreibt jetzt den Auftrag aus.
In der Kurzbeschreibung dazu heißt es, die so genannte sektorspezifische Regulierung stelle "heute für ehemalige Staatsunternehmen ein besonderes Risiko" dar. Sie lasse sich "zum Teil an einer negativen Unternehmens- und Aktienkursentwicklung festmachen." Der Bund hält noch 14,8% an der Telekom, weitere 16,9% sind bei der ihm gehörenden KfW Bankengruppe geparkt.
Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) erklärte mit Blick auf die Äußerungen des Finanzministeriums, hier werde "die gesamte Ordnungspolitik der Bundesregierung in Frage gestellt". Es sei absurd, die Kursentwicklung auf die Regulierung zurückführen zu wollen. Denn die Telekom habe im Inland eine viel höhere Marge als im Ausland, wo sie vielfach über ihre Preise im Wettbewerb selbst entscheiden könne.
Man müsse sich im Übrigen fragen, ob nicht beim Börsengang der Telekom darauf hätte hingewiesen werden müssen, dass die Regulierungspolitik dem Aktienkurs schaden könne, so der VATM.
Im Falle des VDSL-Netzes der Telekom, das Ausgangspunkt der Klage aus Brüssel ist, befürchten Wettbewerber und Kommission eine Aufweichung der Regulierung. Laut dem neuen Telekommunikationsgesetz sind neue Märkte, zu denen der Bonner Konzern die Glasfaser zählt, übergangsweise von der Regulierung befreit. Die Telekom drängt darauf, weil sie befürchtet, dass ihre hohen Investitionen - das Netz soll drei Mrd EUR kosten - entwertet werden, wenn sie es für Konkurrenten öffnen muss.
Der Konzern ist aber bereit, die Glasfaser Resellern zur Verfügung zu stellen. Hierzu liefen Gespräche, sagte ein Unternehmenssprecher. Den Schritt der Kommission wollte die Telekom nicht kommentieren; das sei eine "Angelegenheit zwischen Organen".
Die Netzagentur sieht derzeit in dem VDSL-Netz als solchem keinen neuen Markt, womit einstweilen die bestehenden Regeln greifen und die Telekom reguliert würde. Nach Ansicht der Bonner Behörde hängt es von den künftigen Produkte ab, ob eine Herausnahme aus der Regulierung möglich ist. Die Telekom bietet auf den schnellen Leitungen derzeit das so genannte "Triple Play" an, also Telefonieren, Surfen und hochauflösendes Fernsehen auf Basis des Internets. Darin sieht Behördenpräsident Matthias Kurth keine große Innovation.
Losgelöst von dem direkten VDSL-Streit ordnete die Bundesnetzagentur der Telekom unterdessen an, ihre Kabelrohre den Wettbewerbern zur Mitbenutzung zu überlassen, damit diese dort eigene Glasfaser einziehen können. In Ausnahmefällen sollen sie sogar die unbeschaltete Glasfaser der Telekom mitbenutzen dürfen.
Webseiten: http://www.telekom3.de
http://www.bmwa.de
http://www.BNetzA.de
http://ec.europa.eu/information_society/policy/ecomm/implementation_enforcement
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