Pionier des Versandhandels

Unternehmerlegende Werner Otto ist gestorben

27.12.2011
Im Alter von 102 Jahren ist Werner Otto, Gründer der Versandhandelsgruppe OTTO am 21.12.2011 im Kreise seiner Familie in Berlin gestorben. Das teilte das Unternehmen heute mit.
Werner Otto, aufgenommen im Jahr 2004. (Foto:ECE)
Foto: ECE

Im Alter von 102 Jahren ist Werner Otto, Gründer der Versandhandelsgruppe OTTO am 21.12.2011 im Kreise seiner Familie in Berlin gestorben. Das teilte das Unternehmen heute mit. Der Kaufmann und Unternehmer wurde am 13. August 1090 in Seelow in Mark Brandenburg geboren und kam nach dem Krieg als Flüchtling mit seiner Familie nach Hamburg. Dort gründete er zunächst eine Schuhfabrik. "Als dann die Zonengrenzen aufgehoben wurden und aus den traditionell in Südwestdeutschland beheimateten Schuhfabriken gut gearbeitete Ware auf den Markt kam, war meine Schuhfabrik ohne Fachleute nicht existenzfähig. Deshalb habe ich sie geschlossen. Mir blieben immerhin 6.000 Mark und die Fabrikhallen", erinnerte sich Otto.

Es folgte die Idee, die Ottos Leben veränderte: Warum nicht Schuhe verkaufen, die andere produziert haben? Und zwar im Versandhandel. Mit 6.000 Mark Startkapital und vier Mitarbeitern begann 1949 die beispiellose Erfolgsgeschichte, aus der mit der Otto Group die größte Versandhandelsgruppe der Welt hervorgehen sollte. Grundlage dieser Entwicklung war die konsequente Umsetzung der unternehmerischen Überzeugungen Werner Ottos. Vorrangig waren für ihn immer eine klare innovationsorientierte Unternehmensstrategie, der Aufbau eines leistungsfähigen Managements und die konsequente Multiplikation der eigenen Stärken.
So vermied er den Kardinalfehler vieler Gründerunternehmer, sich auf Dauer im Tagesgeschäft für unentbehrlich zu halten und sich in zu viele Details einzumischen. Bereits 1965 übertrug Werner Otto die operative Führung des Unternehmens dem familienfremden Manager Günter Nawrath, dem 1981 sein Sohn Dr. Michael Otto im Vorstandsvorsitz folgte. Damit schuf sich Werner Otto den Freiraum für eine zweite unternehmerische Karriere.

Zweites Standbein und soziale Projekte im Aufschwung der 60-er Jahre

Ab 1965 baute er mit der ECE ein weiteres Erfolgsunternehmen auf - wirtschaftlich und personell völlig unabhängig vom Versandhandelsunternehmen OTTO. Heute ist die ECE die bedeutendste Entwicklungs-, Bauträger- und Managementgesellschaft für Einkaufscenter in Europa. Die ECE entwickelt und baut neben Shopping-Centern große Bürohäuser, Logistikzentren und sonstige gewerbliche Großimmobilien - stets mit dem Ziel, einen wirkungsvollen Beitrag zur Belebung der Innenstädte sowie der behutsamen Stadterneuerung zu leisten. Im Jahr 2000 übernahm Werner Ottos jüngster Sohn Alexander Otto die Führung der ECE.

Bereits 1962 wagte Werner Otto den Sprung nach Nordamerika und erschloss in Kanada Industrieparks und Wohngelände. Ab 1973, im Alter von über 60 Jahren, begann er mit dem Aufbau einer US-amerikanischen Immobiliengruppe, der Paramount Group in New York.

Um gezielt und wirkungsvoll helfen und menschliche Not lindern zu können, gründete er 1969 die "Werner Otto Stiftung". Diese medizinische Stiftung springt insbesondere dort ein, wo der Staat aus finanziellen Gründen nicht oder nicht schnell genug Gelder zur Verfügung stellt. Ein wichtiges Projekt der "Werner Otto Stiftung" ist das wissenschaftliche Behandlungszentrum für Krebskrankheiten im Kindesalter an der Universitätskinderklinik in Hamburg-Eppendorf, das zahlreichen leukämiekranken Kindern das Leben gerettet hat. Für hervorragende wissenschaftliche Leistungen wird alle zwei Jahre der Preis der "Werner Otto Stiftung" zur Förderung der medizinischen Forschung an in Hamburg tätige Forscher und Ärzte verliehen.

Angeregt durch einen Bericht des Kinderarztes der Familie über hervorragende Heilungserfolge bei Kindern in den USA gründete Werner Otto 1974 das "Werner Otto Institut" auf dem Gelände der Stiftung Alsterdorf in Hamburg - die erste und bisher einzige Spezialeinrichtung Norddeutschlands, die sich ausschließlich der Früherkennung und Behandlung entwicklungsgestörter oder behinderter Kinder und Jugendlicher widmet. Seit 1996 gibt es außerdem das "Werner Otto Stipendium zur Förderung des medizinisch-wissenschaftlichen Nachwuchses an der Universität Hamburg". Im "Werner Otto Haus" in Berlin lernen hörbehinderte Kinder und Jugendliche nach einer so genannten Cochlear-Implant-Operation wieder hören.

Dem Prinzip gelebter gesellschaftlicher Verantwortung wurde Werner Otto auch auf anderen Gebieten gerecht. Der amerikanischen Harvard-Universität stiftete Otto einen Museumsneubau für die Unterbringung der Kunst deutschsprachiger Expressionisten, die "Werner Otto Hall".

In seinem Geburtsort Seelow, wo am Kriegsende die letzten schweren Kämpfe tobten, ließ Werner Otto den Kirchturm wieder aufbauen und das Kirchenschiff erneuern. In Potsdam wurde dank Ottos Unterstützung das Belvedere auf dem Pfingstberg restauriert und zu neuem Leben erweckt. Das Konzerthaus Berlin erhielt von ihm eine zusätzliche moderne Bühne. In Hamburg unterstützte Otto die Neugestaltung des Jungfernstiegs.

Das Bundesverdienstkreuz und weitere Ehrungen

Anlässlich seines 100. Geburtstags gründete Werner Otto 2009 mit seiner Frau Maren die Werner und Maren Otto Stiftung zur Förderung der Altenhilfe, insbesondere in Berlin und Brandenburg.

Für sein unternehmerisches und soziales Engagement erhielt Werner Otto diverse Auszeichnungen und Orden, u. a. das Großkreuz des Bundesverdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, die Ehrendenkmünze in Gold des Hamburger Senats, den Ehrentitel Professor und die Bürgermeister-Stolten-Medaille der Freien und Hansestadt Hamburg, die Ernst-Reuter-Plakette des Berliner Senats sowie den Preis der Konrad-Adenauer-Stiftung für "Soziale Marktwirtschaft" für sein unternehmerisches Handeln. Werner Otto war Ehrendoktor und Ehrensenator der Universität Hamburg sowie Laureat der "Hall of Fame" im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn. Anlässlich seines 100. Geburtstags wurde Werner Otto 2009 die Ehrenbürgerwürde Berlins verliehen.

Werner Ottos Handeln bleibt Vorbild und Herausforderung zugleich. Seine Wertmaßstäbe werden in den von ihm gegründeten Unternehmen weitergetragen, teilt das Unternehmen mit. (bw)