Der Gründer will in Rente gehen, ist plötzlich erkrankt oder will einfach ein neues Kapitel in seinem Leben aufschlagen: Gründe für den Inhaberwechsel eines Unternehmens gibt es viele. Etwa 135.000 Unternehmen werden nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung (IFM) in den kommenden Jahren einen Nachfolger für ihren Chefsessel suchen - insgesamt sehen gut zwei Millionen Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Interesse an Selbständigkeit sinkt
Zugleich sinkt allerdings die Lust an der Selbstständigkeit, immer weniger Hochqualifizierte finden es noch attraktiv, ihr "eigener Chef" zu sein. Nachdem der Zugang zum Gründerzuschuss deutlich erschwert wurde und die gute Arbeitsmarktlage auch kaum noch jemanden in die Selbständigkeit zwingt, gehen Unternehmensgründungen ebenso wie die Bereitschaft, eine bestehende Firma zu übernehmen, von Jahr zu Jahr zurück. Das bestätigt auch ein Report des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK). Demnach berichten rund 40 Prozent der Alt-Inhaber, dass sie Schwierigkeiten haben einen passenden Nachfolger zu finden. Kamen 2010 auf ein angebotenes Unternehmen im Durchschnitt noch 1,6 Interessenten, liegt das Verhältnis 2013 nur noch bei 1:1. Insgesamt sank die Zahl der Existenzgründer, die bereit sind, ein bereits bestehendes Unternehmen zu übernehmen, in den letzten drei Jahren um 14 Prozent.
Schlechtes Timing
Doch es ist nicht nur die sinkende Zahl der Interessenten, die die Nachfolger-Suche erschwert. Das häufigste Problem ist vielmehr, dass viel zu spät mit der Suche und der Planung der Übergabe begonnen wird. So mancher Unternehmer befindet sich bereits im Rentenalter und ist trotzdem fest davon überzeugt, noch reichlich Zeit für die Nachfolgeregelung zu haben. Tatsächlich sollte man das Thema aber schon mit Ende 50 anpacken, so Nils Koerber, Mitbegründer und Inhaber von K.E.R.N - Die Nachfolgespezialisten: "Die Wertermittlung als erster Schritt des Nachfolgeprozesses braucht schon mal seine Zeit. Liegen der Preis, den sich der Inhaber vorstellt und der tatsächliche Wert des Unternehmens weit auseinander, muss die Firma eventuell noch mit einem Sparkurs, einer Neuausrichtung oder Sanierung für den Verkauf fit gemacht werden, so dass der gewünschte Preis doch noch erzielt werden kann. Die Suche nach dem passenden Nachfolger kann ebenfalls dauern. Das sollte berücksichtigt werden und es gilt der Grundsatz, wer unter Zeitdruck verkaufen muss, verkauft zum schlechteren Preis."
Der Zeitbedarf wird unterschätzt
Die meisten Firmeninhaber haben das alles aber nicht auf dem Radar. Die potentiellen Interessenten gehen allerdings ebenfalls häufiger unbedarft an die Sache heran, wie Koerber bestätigt: "Nicht nur Verkäufer, sondern auch Käufer unterschätzen meist gnadenlos die Zeit, die man für die Abwicklung des Nachfolge-Prozesses braucht. Im Schnitt sind das nämlich drei Jahre."
Auf einen plötzlichen Ausfall des Chefs, der durchaus schon vor Erreichen des Rentenalters eintreten und die Existenz eines Unternehmens gefährden kann, sind laut DIHK übrigens sogar nur 29 Prozent der Firmen vorbereitet. So manche Hausbank verlangt von kreditsuchenden Firmeninhabern jenseits der 50er deshalb inzwischen nicht nur die Vorlage der Businesspläne, sondern auch eine Strategie zur Nachfolge- und Notfallregelung.
Ohne Profi schlechte Aussichten
Viele Firmeninhaber glauben, dass sie die Suche nach dem Nachfolger sowie die dazugehörigen Vertragsverhandlungen und -abschlüsse selbst stemmen können. Doch es ist ein großer Unterschied, ob man einem Kunden sein Produkt oder einem Interessenten das eigene Unternehmen verkaufen will. Deshalb rät Nils Koerber dringend davon ab, die Sache ohne externen Berater zu versuchen. "Der Markt ist sehr undurchschaubar. Es gibt viele Unternehmensbörsen, darunter sind auch schwarze Schafe. Wer sich hier alleine hineinwagt, hat außerdem keinen Sicherheitspuffer: Die Vertraulichkeit fehlt, der Firmeninhaber outet sich direkt, so dass jeder sofort mitbekommt, um welches Unternehmen es geht - schlimmstenfalls auch die eigenen Mitarbeiter oder der Wettbewerb. Ein Profi sorgt da für Sicherheit und Neutralität."
Der externe Berater habe außerdem den Vorteil, dass er die Materie wirklich kennt: "In den Verhandlungen geht es um steuerliche und juristische Dinge. Wer da keinen Fehler machen will, der ihn Geld oder gar sein Lebenswerk kosten könnte, sollte besser einen professionellen Berater an seiner Seite haben", so Koerber. "Das ist wie mit dem Radfahren: Wenn Sie das nur einmal machen, beherrschen sie es auch nicht perfekt. Deshalb ist es besser, solche Verhandlungen dem Profi zu überlassen."
Emotionen sind schlechte Berater
Es versteht sich von selbst, dass bei einem externen Berater keine sentimentalen Gefühle mit im Spiel sind. Das ist durchaus hilfreich, denn oft stehen sich die Senior-Chefs, die ihrem Unternehmen emotional stark verbunden sind, bei dem Verkauf selbst im Wege, so jedenfalls Koerbers Erfahrung. "So mancher, der eigentlich verkaufen will, sperrt sich unbewusst doch dagegen, etwas, das für ihn so wertvoll war, abzugeben. Viele sehen sich durch den Verkauf auch selbst in Frage gestellt, denn es kann doch nicht sein, dass da ein anderer kommt, der es genauso gut kann. Das ist häufig ein unbewusster Vorgang, der den Verkaufsprozess aber Jahr um Jahr weiter hinauszögert. Ein guter Berater berücksichtigt die Gefühle, sorgt aber trotzdem dafür, dass das Ziel nicht verschwommen bleibt, sondern klar abgearbeitet werden kann."
So mancher Senior-Chef meint zudem, noch nach dem Verkauf seines Unternehmens mitmischen zu müssen und zu dürfen. Firmeninhaber, die entsprechendes signalisieren, schrecken Interessenten verständlicherweise ab. "Von dem Gedanken, dass der Nachfolger das Unternehmen im Sinne des bisherigen Inhabers weiterführen muss, sollte man sich unbedingt freimachen", rät Nils Koerber. "Leistungsbereitschaft und soziale Attribute des Nachfolgers sollten natürlich stimmen, dennoch wird er nie 1:1 so wie der Vorgänger sein. Deshalb muss sich der Firmeninhaber klar machen: Da sitzt ein erwachsener Mensch, dem muss man zutrauen, dass er weiß, was er tut, so wie es einem selbst auch mal zugetraut wurde als man das Unternehmen gegründet hat."
Schweigen ist Gold
Besonders hart sei das für Unternehmer, die danach nichts mehr haben, wofür sie "brennen", so Koerber: "Das macht es schwerer sich von dem eigenen Unternehmen zu lösen. Dann müssen wir den Alt-Unternehmer auch mal darauf hinweisen, dass der neue Inhaber ihm nicht nur etwas wegnimmt, sondern ihm auch etwas schenkt, zum Beispiel mehr Zeit mit den Kindern oder den Enkelkindern." Koerber rät allen Unternehmern, die verkaufen wollen, sich nicht nur einen Nachfolger, sondern auch eine neue Leidenschaft zu suchen: "Urlaub machen oder im Garten arbeiten füllt einen Menschen auf Dauer nicht aus."
Natürlich gäbe es auch die, die es kaum erwarten können, sich von ihrer Firma zu verabschieden. Die sollten ihre Begeisterung über den bevorstehenden Verkauf aber lieber für sich behalten, so der Experte: "Mit Dritten bitte erst über die bevorstehende Übergabe der Firma reden, wenn die Tinte unter dem Vertrag trocken ist. Vorher ist das Risiko enorm, dass Mitarbeiter, verunsichert werden und eine Unruhe reinkommt, die der Wettbewerber möglicherweise zu nutzen weiß. Das ist hundertprozentig gefährlich".
Für alle, die darüber nachdenken, ein bestehendes Unternehmen zu kaufen, hat Koerber ebenfalls noch einen wichtigen Tipp. Denn auch hier geht es nicht nur um finanzielle und juristische Voraussetzungen: "Prüfen Sie, ob Sie das Unternehmer-Gen wirklich haben. Vielen fehlt das. Wer 20 oder 30 Jahre als Angestellter gearbeitet hat, tut sich eben nicht so leicht damit, den letzten Schritt in die Selbständigkeit zu gehen."
Eine Checkliste mit den wichtigsten Dingen, die bei der Nachfolgesuche beachten werden sollten, gibt es unter http://www.kernundpartner.de/56/checkliste_unternehmensverkauf.html