Michael Ganser, Zentraleuropachef bei Cisco

"Unsere strategischen Kernfelder liegen rund um das Netz"

28.01.2013 von Jürgen Hill
Mit Michael Ganser, Senior Vice President bei Cisco für das "Central Theatre" in EMEA, diskutierte CW-Redakteur Jürgen Hill über den Wandel Ciscos vom Netzausrüster hin zum IT-Anbieter.

Mit Michael Ganser, Senior Vice President bei Cisco für das "Central Theatre" in EMEA, diskutierte CW-Redakteur Jürgen Hill über den Wandel Ciscos vom Netzausrüster hin zum IT-Anbieter.

CW: Cisco hat bisher einen Rekordverlauf im Geschäftsjahr 2013 berichtet. Was macht das Unternehmen im Vergleich zu anderen Netzausrüstern, die eher über eine schwierige Marktlage klagen, richtig?

Michael Ganser, Senior Vice President bei Cisco: "Es war richtig uns wieder auf das Kerngeschäft zu konzentrieren."
Foto: Cisco

GANSER: Vielleicht sollten wir nicht nur von Netzwerkfirmen, sondern von IT-Firmen sprechen. Cisco ist auf dem Weg, eine führende IT-Firma zu werden. Das ist schon ein Teil der Antwort, der andere liegt im Netz, das immer wichtiger wird. Alle die meinten, das Netzwerk werde commodity, lagen völlig daneben und haben nun Schwierigkeiten. Die Intelligenz geht in das Netz und dieses wird zu einem Key Asset der IT-Architektur, wenn wir über Themen wie Cloud, Security oder Mobility reden.

Zum anderen wird den intelligenten Netzen, wie der letzte deutsche IT-Gipfel gezeigt hat, eine immer größere Bedeutung zu gesprochen, um die aktuellen Probleme der Wirtschaft zu lösen. Egal ob im Gesundheitswesen, dem Bildungsbereich oder der Fertigung, das Netz steht immer im Mittelpunkt und damit ist auch Cisco immer mittendrin. Ferner greifen die Kurskorrekturen, die wir vor rund 18 Monaten gemacht haben. Es war richtig, uns wieder auf das Kerngeschäft zu konzentrieren und andere Dinge sein zu lassen.

CW: Und was bedeutet die Fokussierung konkret?

GANSER: Das Wichtigste war, dass wir unsere Entwicklungskapazitäten wieder auf unsere strategischen Kernfelder rund um das intelligente Netz konzentrierten. Und das haben wir gemacht. Vielleicht hatten wir zuvor auch zu viele Themen adressiert und damit einen Fehler gemacht, so dass wir jetzt sagen mussten, wir konzentrieren uns wieder auf das Kernnetz mit Routing, Switching, Mobility und Security sowie die Wachstumsmärkte Data Center, Video, Collaboration und Services. Hierauf konzentrieren wir unsere Kräfte und investieren in diesen Bereichen. Auf diesen Gebieten können wir heute ein Innovationsfeuerwerk abbrennen. Gleichzeitig haben wir frühzeitig unsere Kosten angepasst, zu einer Zeit als andere noch sagten, der Markt hat kein Problem.

CW: Kurz gefasst, der Konzern will auch deinvestieren. In welchen Bereichen?

Mit Consumer-Hardware, hier die Flipcam, hatte Cisco in der Vergangenheit keine glückliche Hand.
Foto: Cisco

GANSER: Nehmen wir als Beispiel die Flipcams. Ein tolles Produkt. Allerdings haben wir zu lange auf die Hardware gesetzt und zu spät auf die Software. Das ist ein klassischer Bereich aus dem wir raus sind, da es für uns keinen Sinn macht im Consumer-Device-Bereich eine Rolle spielen zu wollen.

Video im Fokus

CW: Sie betonen die Konzentration auf das Kerngeschäft, wie passt der Kauf einer NDS in diese Strategie?

GANSER: In meinen Augen passt NDS perfekt, denn zu den fünf Prioritäten zählt für uns Video. NDS ist ein strategisches Stück, das uns noch gefehlt hat, um End-to-end-Videoarchitekturen zu bauen. Alle die mit anderen IT-Firmen gegangen sind, haben große Middleware-Probleme, während wir heute etwas gestalten können, das vom User-Interface über die Architektur genau dem entspricht, was Service-Provider nachfragen. Letztlich unterstreicht die Akquisition von NDS unsere Fokussierung auf die Kernthemen.

CW: Ihre Erklärung klingt einleuchtend, doch welcher Kabel-TV-Anbieter in Europa nutzt die Cisco -Technologie.

GANSER: In England haben wir etwa Sky als großen bekannten Kunden und hierzulande setzten ebenso vier bis fünf namhafte Anbieter auf unsere Technik.

CW: Wir diskutierten die Konzernstrategie. Wie sieht es in Europa aus?

GANSER: Natürlich kann sich auch Cisco nicht von der makroökonomischen Situation in Europa loskoppeln. Aber wir müssen in Europa differenzieren. Das sind Nord- und Zentraleuropa, wo die Geschäftsentwicklung ziemlich nach Plan verläuft. Dann hatten wir England mit der Sondersituation Olympia und Südeuropa. Und dort merken auch wir, wenn ein Land in einer schwierigen Situation ist und sich die Öffentliche Hand mit Investitionen zurückhält. Letztlich haben sich der öffentliche Sektor sowie einige Kundensegmente mit kurzfristigen Investitionen zurückgehalten. Auf der anderen Seite sehen wir Wachstum in diversen Technologiebereichen - da sind etwa Rechenzentren, Mobility oder Wireless.

CW: Gehen wir ins Detail, wie ist die Situation in Deutschland?

Michael Ganser, Senior Vice President bei Cisco: "Die Anwender sehen uns mittlerweile als IT-Anbieter."
Foto: Cisco

GANSER: Für Deutschland gilt ähnliches. In den letzten fünf bis sechs Jahren hatten wir sicher eine Phase wo wir ganz außergewöhnliches erreicht haben und die Industrie in einigen Bereichen anführten. Schaue ich mir die Situation heute an, dann machen wir große Fortschritte im Rechenzentrums- und Mobility-Bereich. Hier passiert eine Menge in Deutschland und es gibt viele positive Anzeichen.

Allerdings dürfte es noch zu früh sein, um von einer Trendwende zu sprechen - da müssen wir noch ein oder zwei Quartale warten, um wieder voll durchzustarten. Aber es gibt viele Themen, wo der Markt wieder greift. Bei Cloud und anderen Themen spielt das intelligente Netz eine sehr wichtige Rolle spielt. So laden uns die verschiedensten Firmen ein, um mit uns über Lösungen für ihre Business- und IT-Probleme zu diskutieren.

Die 20 größten IT-Übernahmen 2012
Unternehmen wie SAP, Cisco, Dell und Google haben mehrere Milliarden Dollar in Hand genommen, um Wettbewerber oder hoffnungsvolle Startups zu übernehmen. Wir haben die größten 20 IT-Akquisitionen des Jahres 2012 geordnet nach ihrem Kaufpreis in US-Dollar zusammen getragen. Aufgelistet sind nur Transaktionen, deren Volumen veröffentlicht wurde. Einige der Deals wurde Ende 2011 angekündigt, aber erst 2012 abgeschlossen, andere wurden vor kurzem bekannt, ihren offiziellen Abschluss werden sie aber wohl erst im kommenden Jahr finden.
Softbank kauft Sprint Nextel für 20 Milliarden Dollar
Im schwierigen US-Mobilfunkmarkt kam es im vergangenen Oktober zu einer spektakulären Akquisition: Der japanische Mischkonzern Softbank kündigte mit dem Kauf von Sprint Nextel den Einstieg ins US-Geschäft an. Die US-Kartellwächter hatten bei dieser Transaktion keine Einwände. Zuvor war die Übernahme von T-Mobile durch AT&T noch am Votum der Wettbewerbshüter gescheitert, weil sie die Zahl der Konkurrenten reduziert hätte.
Cisco schluckt NDS Group für 5 Milliarden Dollar
Die Erwartungen an künftige Einnahmen, die sich mit der Vermittlung von Bewegtbildern erzielen lassen, sind enorm. Immerhin ließ sich Cisco die Übernahme von NDS mehrere Milliarden Dollar kosten. Bei der britischen Company entwickeln und vertreiben etwa 5000 Mitarbeiter Software, mit der Pay-TV-Anbieter ihre Programme auf Set-Top-Boxen, Tablet-Computer und PCs ausliefern.
SAP AG kauft Ariba für 4,3 Milliarden Dollar
Europas größter Software-Hersteller schürte im Mai 2012 einmal mehr den Konkurrenzkampf mit Oracle an. Die SAP kündigte die mittlerweile von den Aktionären durchgewunkene Übernahme von Ariba an. Der Cloud-Spezialist betreibt einen Online-Marktplatz, den SAP als eine Art „Ebay für Business-Netzwerke“ bezeichnet.
Micron kauft Elpida für 2,43 Milliarden Dollar (200 Milliarden Yen)
Im harten Überlebenskampf der Speicher-Chip-Hersteller schluckt der US-Konzern Micron den insolventen japanischen Rivalen Elpida. Letzteres Unternehmen ist wichtiger Zulieferer für Apple und unterhält moderne Stätten für die DRMA-Fertigung.
CGI Group schluckt Logica für 2,2 Milliarden Dollar
Die Zahl großer Übernahmen im IT-Servicegeschäft war in den vergangenen Jahren überschaubar, umso bemerkenswerter erschien die Milliarden-schwere Akquisition des britischen IT-Dienstleisters Logica durch die kanadische CGI Group im Mai 2012. Logica hatte zuletzt wirtschaftliche Probleme, Ende 2011 kündigte das Unternehmen Restrukturierungen und 1300 Stellenstreichungen an. CGI verschafft sich mit dem Deal Zugang zum europäischen IT-Servicemarkt.
Apax Partner – Orange Schweiz: 2,1 Milliarden Dollar (1,64 Milliarden Euro)
Kurz vor Jahresschluss 2011 kündigte der französische TK-Konzern France Télécom den Verkauf seiner schweizerischen Mobilfunktochter an. Für 1,6 Milliarden Euro veräußerte er Orange Suisse an die britische Beteiligungsgesellschaft Apax Partners. Die 1999 gegründete Mobilfunktochter erzielte zuletzt mit 1,6 Millionen Kunden einen Jahresumsatz von 1,1 Milliarden Euro. Sie ist damit hinter Swisscom und Sunrise die Nummer drei im Mobilfunkmarkt der Schweiz.
Oracle übernimmt Taleo für 1,9 Milliarden Dollar
SAP kauft SuccessFactors? Das lässt Larry Ellison nicht auf sich sitzen und blättert satte 1,9 Milliarden Dollar für Taleo auf den Tisch. Taleo macht genau das Gleiche wie SuccessFactors, also Talent-Management im SaaS-Betrieb. Angekündigt wurde die Transaktion im Februar 2012, knapp zwei Monate nachdem der SuccessFactors-Deal öffentlich wurde.
IBM zahlt 1,3 Milliarden Dollar für Kenexa
Nach SAP (SuccessFactors) und Oracle (Taleo) kauft nun auch die IBM für teures Geld einen Anbieter von Talent-Management aus der Cloud. Die börsennotierte Kenexa Corp. schlüpft für 1,3 Milliarden Dollar unter das IBM-Dach.
Vodafone schluckt Cable&Wireless für 1,27 Milliarden Dollar
Der britische Carrier Vodafone zahlt rund 1,27 Milliarden Euro für den Netzbetreiber Cable & Wireless (C&W). Die Übernahmen soll Vodafones Position im britischen Breitband-Markt stärken, denn C&W unterhält das größte Glasfasernetz Großbritanniens. Es verschafft Vodafone eine bessere Position im Wettbewerb um Geschäftskunden, der bislang von BT dominiert wird.
VMware übernimmt Nicira Networks für 1,26 Milliarden Dollar
Die EMC-Virtualisierungstochter VMware zahlt im Juli 2012 stattliche 1,26 Milliarden Dollar für das Unternehmen Nicira, das Netze im Data Center ähnlich virtualisiert, wie VMware das seit Jahren mit Servern macht.
Microsoft akquiriert Yammer für 1,2 Milliarden Dollar
Der Softwarekonzern setzt auf das Geschäft mit Social Business. Die Übernahme des Plattformanbieter Yammer war Microsoft 1,2 Milliarden Dollar wert. Im Juni wurde die Akquisition öffentlich, und im November präsentierte Microsoft schon Pläne zur Integration von Yammer mit Sharepoint. Zudem wurden die Preise gesenkt und die angebotenen Lizenzmodelle bereinigt.
Cisco kauft Meraki für 1,2 Milliarden Dollar
Das Geschäft mit den Folgen des ByoD-Trends (Bring Your Own Device) wird sehr lukrativ – hofft zumindest Cisco. Der weltgrößte Netzausrüster übernahm vor wenigen Wochen das privat gehaltene Startup Meraki für 1,2 Milliarden Dollar. Der Hardware-Anbieter stellt Netzgeräte her, mit denen Unternehmen ihre Funknetze sicher betreiben und mobile Endgeräte kontrollieren können.
Dell schluckt SonicWall für 1,2 Milliarden Dollar
Die fortschreitende Diversifizierung des Dell-Portfolios erstreckt sich bis in den Security-Bereich. SonicWall wird für 1,2 Milliarden Dollar übernommen, um Dells Angebot um Firewalls, Netzwerksicherheit und Antispam-Systeme zu erweitern. Das Unternehmen bringt über 130 Patente nebst 300.000 Kunden in 50 Ländern mit.
Facebook kauft Instagram für eine Milliarde Dollar
Noch vor dem eigenen Milliarden-schweren Börsengang im Mai kündigte Facebook den Kauf des Fotodienstes Instagram an. Die Partner hatten sich im April 2012 auf einen Kaufpreis von eine Milliarde Dollar geeinigt. 300 Millionen Dollar der Summe seien in bar zu entrichten, der Rest des Betrags werde mit 23 Millionen Facebook-Aktien beglichen, hielt man damals fest. Die wurden zum Zeitpunkt der Verhandlungen mit rund 30 Dollar bewertet. Als die Übernahme im September 2012 schließlich zum Abschluss kam, war der Kurs auf weniger als 19 Euro geschrumpft und die Transaktion nur noch 736 Millionen Dollar wert.
Riverbed übernimmt Opnet für eine Milliarde Dollar
Riverbed Technology, ein Netzwerk-Spezialist mit einem Jahresumsatz von knapp 730 Millionen Euro (im Jahr 2011), hat Ende Oktober bekannt gegeben, das Unternehmen Opnet für 43 Dollar pro Anteil in bar und Aktien zu übernehmen. Der Kaufpreis beläuft sich damit auf einer Milliarde Dollar. Opnet ist laut Gartner Marktführer im Markt für das Applikations- und Netzwerk-Performance-Management (APM) und nahm mit seinen Produkten im dritten Quartal 2012 rund 47 Millionen Dollar ein.
Kabel Deutschland kauft Tele Columbus für 603 Millionen Euro
Die Konsolidierung im deutschen Provider-Markt schreitet voran. Kabel Deutschland meldete im Mai die Übernahme des Konkurrenten Tele Columbus für gut 600 Millionen Euro (780 Millionen Dollar) bei den Kartellbehörden an. Der Internet-Zugangs-Provider Tele Columbus betreibt für rund 1,7 Millionen Kunden die letzte Meile. Allerdings meldeten die Wettbewerbshüter Bedenken an und gaben bis dato kein grünes Licht. Die Akquisition von Kabel BW durch Unitymedia für 3 Milliarden Euro im Dezember 2011 hatten die Wettbewerbshüter noch genehmigt.
Amazon schluckt Kiva Systems für 775 Millionen Dollar
Das US-Unternehmen Kiva Systems ist Anbieter von Technologien, mit denen sich Warenlager automatisch betreiben lassen. Amazon hat Bedarf an solcher Technik, unterhält der Konzern doch riesigen Logistik-Zentren.

Was Kunden wünschen

CW: In welcher Funktion laden die Firmen Cisco ein - als Netzhersteller, Cloud-Partner oder Anbieter von RZ-Equipment?

GANSER: Als Netzhersteller lädt man uns nicht mehr ein, sondern als Unternehmen, mit dem man über zwei oder drei geschäftskritische Dinge gleichzeitig diskutieren will. Eine Frage ist, wie entwickelt sich mein Kerngeschäft? Hier kommen Banken, produzierendes Gewerbe oder Handelsunternehmen mit Vorständen und IT-Organisationen zu uns, um mit uns zu diskutieren, wie sich ihre Industrie verändert und wie ihnen die IT dabei helfen kann. Im Service-Provider-Bereich hatten wir diese Entwicklung schon vor einigen Jahren und heute ist sie in allen Bereich anzutreffen - selbst auf politischer Ebene, wo die Krankenkassen und Hospitäler zu uns kommen.

Diese Diskussion dreht sich meist um "Helft mir" oder "Worauf müssen wir uns einstellen, wo geht die Reise hin". Und im IT-Bereich gehen solchen Diskussionen weit über das Netz hinaus. Viele haben ein RZ mit einer Siloarchitektur, wo sich in den letzten Jahren nichts bewegt hat. Dazu kommt ein Incumbent Player, der dem Anwender zwar alles billiger anbietet, aber zu wenig Innovationen offeriert. Deshalb werden wir oft gefragt, wie die Unternehmen ihre IT-Struktur virtualisieren können, Data Center as a Service anbieten können, wie sie Applikationen virtualisieren, wie sie SAP in Richtung HANA migrieren, wie sie Collaboration und Data Center kombinieren. Die Firmen sehen uns also vielmehr als IT-Anbieter, denn als reiner Anbieter von Netz-Hardware.

CW: Ehrlich, mit diesen Herausforderungen würde ich als Anwenderunternehmen eher zu einer IBM gehen als zu einer Cisco.

GANSER: Ja, da geht sicherlich auch eine Menge hin. Aber Fakt ist, sie brauchen Technologie für viele Themen und kommen dann mit reinen Consultant-Skills nicht weiter. Aber in der Kombination aus Business-Verständnis, Technik, Innovation und der Fähigkeit, Dinge vom Engineering aus kommend zusammenzubringen, liegt ein hoher Mehrwert. Und den bieten wir.

CW: Sie nannten vorher Trends wie BYOD, Mobile etc, was ist mit dem Thema Social Enterprise beziehungsweise Social Business Networks?

GANSER: Dies ist heute ein Bestandteil von Collaboration. Und dort wird es mittlerweile auch im Business-Umfeld gesehen. Nehmen Sie als Beispiel den Versicherungsmakler, der effizienter werden muss, indem er etwa den Experten virtuell in der Aktentasche dabei hat. Oder nehmen Sie Banken, die Experten nur noch an wenigen Standorten vorhalten, Umzüge vermeiden wollen etc - in diesen Fällen ist Collaboration immer ein Thema. Und dahinter stehen dann Video, Social Media. Von daher hat das Thema Social Media an Bedeutung gewonnen, nur wir sehen das Thema heute unter dem Gesamtbild Collaboration. Es geht mehr um die Frage, wie arbeite ich eigentlich in Zukunft und weniger um einzelne Funktionen.

SDN - ein virtueller Switch

CW: Software Defined Networks (SDN) sind ein heißes Thema in der Branche. Ist die Virtualisierung von Netz und Data Center nicht eine Gefahr für Cisco, denn das Geschäftsmodell basierte lange auf dem Verkauf von Hardwareboxen mit sehr teuren Preisschildern?

Mit der Switch-Reihe Nexus hat sich Cisco bei vielen Unternehmen einen festen Platz im Rechenzentrum erobert.
Foto: Cisco

GANSER: Verzeihung, wir lieferten schon immer mehr als nur Hardware, denn in unseren Produkten steckt eine Menge Software. Doch blicken wir zurück. Wie oft standen in der Industrie schon Veränderungen an und alle unkten, jetzt wir es aber ganz schwierig für Cisco? Als Switches aufkamen hieß es, wir brauchen keine Router mehr. Als wir es mit VoIP mit den klassischen Sprachgiganten aufnahmen, da hieß es, das können die nie - ebenso als wir die Service-Provider adressierten. Das gleiche spielte sich ab, als wir ins Data Center sind.

Immer wenn der Markt sich veränderte, hat dies Cisco gestärkt. Welche der ersten Router-Firmen gibt es denn noch? Wo sind die Switch-Wettbewerber geblieben? Wie geht es den TK-/Sprachgiganten heute, wenn es sie überhaupt noch gibt? Ich glaube, das gehört zu einer unserer Kernstärken: Immer wenn ein Markt im Umbruch war, dann haben wir uns einen guten Marktanteil geschnappt.

Aber zurück zum SDN. Heute versteht man meist verschiedene Aspekte beziehungsweise Anwendungsszenarien darunter. Ein Aspekt ist, große skalierbare Public Clouds zu bauen, ein anderer sind Privat Clouds, die evolutionär wachsen. Oder es geht um die Programmierbarkeit von großen Enterprise und Campus Networks. Das sind alles verschiedene use cases. Um wirklich von der SDN-Idee zu profitieren, müssen sie die die Intelligenz im Netz und ASIC adressieren sowie die Frage beantworten, wie Hard- und Software zusammenspielen. Wir sehen die Entwicklung positiv, denn mit unserem Nexus 1000 nehmen wir eine führende Rolle ein.

Dieser ist im Prinzip ein virtueller Switch, den bereits 8000 Kunden nutzen, ergänzt durch unseren Cisco-One-Ansatz. Für uns ist das eine große Chance, indem wir die physikalischen und virtuellen Netze zusammenführen. Aktuell bauen wir in Europa eines der größten Software Defined Networks - den Namen darf ich leider nicht nennen - und leisten hier Pionierarbeit. Wir sind fest entschlossen - egal wie schnell SDN kommt - auch bei dieser Transition zu führen.

Bei Cisco im Entwicklungslabor
COMPUTERWOCHE-Redakteur Jürgen Hill hatte Gelegenheit, sich in Ciscos Entwicklungslaboren in Oslo umzuschauen. Er bekam einen Eindruck, wie moderne Collaboration-Plattformen die Arbeitswelt prägen könnten.
Standortfragen:
Die Entwicklungslabore in Oslo haben eine lange Tradition,….
Standortfragen:
… vor der Übernahme durch Cisco im Jahr 2010 residierte hier Tandberg. Die Geschichte Tandbergs reichte bis 1933 zurück. Damals begann das Unternehmen Radios und TVs zu produzieren.
Qualität sieht anders aus:
Wer vom Bild eines TelePresences-Systems verwöhnt ist, wird sich nur schwer an den Gedanken gewöhnen, per Tablet an Videokonferenzen teilzunehmen. Zumal dem hier verwendeten iPad schnell die Puste ausgeht. Die Kamera löst zu schlecht auf, und beim De- und Encoden des hochauflösenden Videostreams fehlt den Geräten Rechen-Power. Mit Videoaussetzern machen sich zudem die Designschwächen des iOS-Betriebssystems bemerkbar.
Virtuell total:
Dank Blue-Box-Technik scheint die Konferenzteilnehmerin während des Meetings in ihrem iPad zu sitzen.
Videokonferenz trifft Augmented Reality:
Mit der Kombination beider Techniken können in virtuellen Konferenzen 3D-Modelle nicht nur gezeigt, sondern auch gedreht werden.
Collaboration auf See:
Rund um den Globus entstehen bei Aker Solutions, einem auf die Erkundung und Erschließung von Öl-und Gasvorkommen spezialisiertem Unternehmen, Bohrinseln virtuell im Team per Videokonferenz.
Kreatives Chaos:
Im norwegischen Entwicklungszentrum pflegt man laut Olve Maudal (im Bild), Minister of Knowledge bei Cisco, einen eigenen Stil. So graust es den bekennenden AGILE-Anhänger beispielsweise vor Dokumentationen. Für ihn ist in der kreativen Entwicklung die Kommunikation im Team wichtiger.
Oslo ruft Shanghai:
Jørgen Gulnes, Leiter der Application Services bei der Klassifikationsgesellschaft Det Norske Veritas (DNV), erklärt den Journalisten in Oslo, warum er nun in Shanghai sitzt und sein Unternehmen dort Software entwickelt.
Fortschritt im Labor:
Miniaturisierung ist Trumpf – so werden nicht nur die Videokameras immer kleiner, sondern auch die Codecs. Benötigten diese bis vor kurzem noch eigene Gehäuse wie auf dem Tisch, sind aktuelle Geräte nicht mehr viele größer wie ein DSL-Router (links im Bild).
Der Fernseher machts:
In der Theorie lassen sich Videokonferenzen bereits mit normalen Fernsehern realisieren. Allerdings haben die Consumer-LCD-TVs, wie hier verwendet, eine zu große Latency.
Das Bild begeistert:
Bei allen Einschränkungen wie Latency etc. begeistert die Bildqualität, wenn man bedenkt welches Equipment hierzu vor wenigen Jahren noch erforderlich war.
Geschrumpft:
Das ist Ciscos Videokonferenzsystem „SX20“, das auf den beiden vorherigen Bildern Live zu sehen war.
Dauertest:
Neue Systeme und Konfigurationen werden in Oslo im Dauertest auf Herz und Nieren getestet. Dazu gehören unter anderem Netzsimulatoren sowie eine Armada an Videokameras (rechts im Bild).
Entspannung:
Was in deutschen Unternehmen der Fußballkicker ist, ist für die norwegischen Entwickler der Billardtisch. Ein Möbelstück, das in den Entwicklungslabors auf keinem Stockwerk fehlt.
Virtuelle Welten:
Moderne Videokonferenzsysteme, so zeigt ein Rundgang durch die Entwicklungslabore von Cisco in Oslo, werden immer leistungsfähiger. So ist FullHD-Auflösung heute eigentlich schon Standard.
Folgsam:
Die Videokamera dieses mittelgroßen Konferenzsystems (zwei Bildschirme) folgt dem Sprecher aufs Wort und richtet sich automatisch aus.
Geschichte:
Vor zehn bis 15 Jahren galten diese Tandberg-Konferenzsysteme noch als State of the Art.

CW: Sie sprechen in Sachen SDN von Pionierarbeit. Warum tun sich die Anwender so schwer, sich mit SDN anzufreunden?

GANSER: Weil das Ganze nicht einfach commodity ist, sondern der Kern für die künftige IT-Struktur und das Business ist. Und mit meinem wichtigsten Asset gehe ich als Anwender sehr sorgfältig um. Hinzu kommt die Erwartungshaltung, dass Skalierbarkeit und Investitionsschutz gewährleistet sein müssen. Ferner werden die gleichen Features verlangt wie bisher. Deshalb wird wohl eher ein evolutionärer Ansatz gefragt sein.

CW: Wer steuert später dieses Netz? Wird die Aufgabe outgesourct, eventuell gar an eine Cisco als Service-Partner?

GANSER: Unsere Rolle und die unserer Partner wird sich grundlegend verändern. Weg von dem Modell, dass wir einen Service für ein bestehendes Netz bieten, hin zu einem umfassenden Angebot. Dies beginnt etwa mit der Hilfe beim Design der IT-Struktur oder dem Support zu Beginn des IT-Betriebes. Eine eindeutige Antwort wird es nicht geben. Ich bin überzeugt, dass wir alle Facetten im Markt sehen werden, also die Service-Provider und Systemintegratoren. Und sicherlich werden auch wir mit unseren Services aktiv unterstützend tätig sein.

CW: Und wie sieht ihre Strategie für das Data Center selbst aus? Verkaufen Sie weiter Hardware oder wird der Schwerpunkt auf dem Software Defined Data Center liegen?

GANSER: Unsere Wertschöpfung liegt ganz klar in beiden Bereichen: Der Produktion exzellenter Hardware und exzellenter Software. Und der dritte Aspekt ist die Zusammenarbeit mit Partnern, um eine komplett Lösung anzubieten und so für den Anwender die Komplexität zu verringern.

Consumer nicht mehr im Fokus

CW: Wir haben bislang über das Enterprise Business diskutiert, wie sieht es mit dem Consumer Business aus und eventuellen Verkaufsgerüchten um Linksys?

Business-Tablet ohne Erfolg: Mit dem Cius hatte Cisco gegen die Android- und Apple-Tablets keine Chance.
Foto: Cisco

GANSER: Wir sind eindeutig im Business-Umfeld stark und dort bewegen wir uns. Ich glaube nicht, dass sie uns in absehbarer Zukunft als Anbieter von Consumer Devices sehen werden. Dass wir Software anbieten wie Jabber, die sie auch im Consumer-Umfeld einsetzten können, oder dass wir versuchen Videolösungen zu integrieren oder das Thema BYOD adressieren - das gehört zu der Strategie, Consumer und Business IT zusammenzubringen. Was die Zukunft von Linksys betrifft, die Verkaufsgerüchte kommentieren wir nicht.

CW: Ihre Antwort verstehe ich nicht. Wenn ich mir die ganze Produktpalette an Geräten mit dem Label "Linksys by Cisco" anschaue, dann sind sie für mich auch ein Produzent von Consumer Hardware.

GANSER: Ja, in dem Bereich schon, ich dachte die Frage zielt darauf ab, ob wir auch noch ein Tablet oder ein Smartphone auf den Markt bringen.

CW: Naja. Mit dem Cius haben Sie es zumindest bei den Tablets schon versucht.

GANSER: Sie haben Recht. Wir haben dann schnell erkannt, dass unsere value proposition woanders liegt.

CW: Cisco-Boss Chambers spricht immer von den Milliarden-Märkten, die er jährlich neu erschließen will. Welcher ist der Nächste?

GANSER: Die ganzen Punkte, die wir bisher diskutiert haben, sind Multimilliarden-Märkte. Das andere nächste große Thema ist sicherlich das "Internet of Everything". Es wird die von uns andiskutierten Aspekte potenzieren. Wir sind davon überzeugt, dass in den nächsten Jahren bis zu 50 Milliarden Endgeräte neu vernetzt werden. Und dieses Zusammenspiel von Hardware, Software, ASICs und Sensoren benötigt wiederum ein intelligentes Netz. Das wird große Chancen aber auch Herausforderungen für unsere Kunden bringen. (mhr)