Hat ein Arbeitnehmer auf dem Arbeitsweg einen Unfall, muss die gesetzliche Unfallversicherung für die entstehenden Kosten aufkommen. Allerdings nur dann, wenn es sich auch tatsächlich um einen sog. Wegeunfall handelt. Je nach Konstellation ist diese Frage nicht immer eindeutig zu beantworten – und muss oftmals vom Richter entschieden werden. Die Arag-Experten informieren über drei Urteile, die die Gerichte im vergangenen Jahr zu diesem Thema gefällt haben.
Wo beginnt der Arbeitsweg?
In einem vom Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall war ein Arbeitnehmer mit dem Fuß an der Schwelle seiner Haustür hängen geblieben und aus der Tür auf die davor befindlichen Pflastersteine gestürzt. Die entstandene Knieverletzung meldete er als Arbeitsunfall. Die Unfallversicherung wollte aber nicht zahlen: Er sei schließlich aus der Tür gefallen und nicht gegangen – und habe sich damit noch nicht auf dem Weg zur Arbeit befunden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts beginnt der Arbeitsweg erst mit dem Durchschreiten der Haustür (weshalb der Sturz im Home Office auch nicht versichert ist).
Ungeachtet dessen kam das LSG im konkreten Fall aber zu einem arbeitnehmerfreundlichen Ergebnis: Es sei für die Einstandspflicht der Unfallversicherung ohne Bedeutung, ob der Arbeitnehmer seine Haustür aufrechten Ganges passiert habe oder nicht. Alles andere führe zu unnötigen Zufälligkeiten, so die Richter (Urteil vom 20. September 2012, Az.: L 2 U 3/12).
Wenn man den Arbeitsweg verlängert
Das LSG Rheinland-Pfalz entschied dagegen in einem Urteil vom 27. September 2012 gegen den klagenden Arbeitnehmer. Der hatte den Weg zur Arbeit von der Wohnung seiner Verlobten aus angetreten. Problem: Deren Wohnung war etwa 55 Kilometer von seiner Arbeitsstätte entfernt. Von seiner eigenen Wohnung aus hätte er nur 6,5 Kilometer fahren müssen. Auf der Fahrt hatte er einen Verkehrsunfall, bei dem er eine Wirbelsäulenverletzung erlitt.
Die beklagte Unfallversicherung erkannte den Unfall nicht als versicherten Wegeunfall an. Sie war der Meinung, der längere Weg zur Arbeit von der Wohnung der Verlobten aus sei nicht durch die betriebliche Tätigkeit geprägt. Das LSG gab ihr Recht: Ein versicherter Weg liege nicht vor, wenn der von der Wohnung der Freundin angetretene Weg zur Arbeit mehr als achtmal so lang ist wie der übliche Weg zur Arbeit. Hinzu komme, dass der Aufenthalt bei der Verlobten allein eigenwirtschaftlich motiviert war (Az.: L 4 U 225/10).
Wenn man eine Dienstreise unterbricht
Das LSG Niedersachsen-Bremen schließlich hatte über die Frage zu urteilen, ob ein kurzes privates Treffen während einer mehrtätigen Dienstreise dazu führt, dass der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung verloren geht. Der Kläger – ein angestellter Innenarchitekt – hatte für seine Firma eine mehrtägige Geschäftsreise unternommen. Unter anderem hatte er einen Termin in Oldenburg. Nach der dortigen Besprechung traf er seine Freundin zu einem Abendessen im Restaurant. Auf der Rückfahrt zum außerhalb von Oldenburg liegenden Hotel prallte sein Wagen gegen einen Alleebaum. Dabei wurde er schwer verletzt.
Das Gericht stufte den Unfall als Arbeitsunfall ein. Drei Gründe spielten dabei eine Rolle: Zum einen stand die Rückfahrt zum Hotel im Zusammenhang mit der Geschäftsreise, weil der Kläger am nächsten Tag von dort aus weitere geschäftliche Termine wahrgenommen hat. Zum anderen sei es bei Geschäftsreisen durchaus üblich, dass der Abend mit Freizeitaktivitäten verbracht werde, so die Richter. Schließlich komme es aber auch auf das zeitliche Verhältnis von betrieblicher Tätigkeit und privater Unterbrechung an. Handele es sich – wie hier – um eine mehrtätige Geschäftsreise, so sei eine kurze private Unterbrechung für den Versicherungsschutz unschädlich (Urteil vom 18. September 2012, Az.: L 3 U 28/12). (oe)
Quelle: www.arag.de