Collaborator Touchpoint Management

Tool für unsere neue Arbeitswelt

23.10.2012
Künftig wird ein kollaborativer Managementstil die Unternehmen prägen. Das Collaborator Touchpoint Management kann diesen Wandel bestens begleiten, sagt Anne M. Schüller.
Nicht nur die Kernbelegschaft muss gut zusamenarbeiten, sondern auch Zeitarbeiter und Freelancer.
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Das Social Web hat nicht nur das Kaufen und Verkaufen, sondern auch die Arbeitswelt unübersehbar verändert. Die ‚Digital Natives‘, die derzeit ans Ruder kommen, prägen nicht nur eine humanisierte Unternehmenskultur, sie schaffen auch die Rahmenbedingungen für einen kollaborativen Managementstil. Das Collaborator Touchpoint Management kann diesen Wandel bestens begleiten.

Kollaboration ist im Kommen. In nahezu allen Branchen ist festzustellen, dass es neben einer Kernbelegschaft in herkömmlichen Arbeitsverhältnissen immer mehr Mitarbeitende ohne klassischen Arbeitsvertrag gibt: Zeitarbeiter, Freelancer, Interim Manager, Projektspezialisten, Geschäftspartner - und auch Kunden. Zunehmend stehen Unternehmen im Zentrum ihres eigenen Netzwerks und werden von ‚Kollaborateur-Satelliten‘ umkreist. Denn sie können nur noch dann überleben, wenn sie die Intelligenz und die Schaffenskraft der Besten vereinen.

Das Collaborator Touchpoint Management

Unter Collaborator Touchpoint Management, im Deutschen Mitarbeiterkontaktpunkt-Management genannt, verstehe ich die Koordination aller Berührungspunkte zwischen Führungskraft und Mitarbeitern zu dem Zweck, die Kontaktqualität zu verbessern sowie inspirierende Arbeitsplatz-Bedingungen und ansprechende Leistungsmöglichkeiten zu schaffen. Dabei kann jede Interaktion als Chance genutzt werden, die Performance-Exzellenz der Mitarbeitenden zu erhöhen, ihre emotionale Verbundenheit zum Unternehmen zu stärken, ihr Loyalitätspotenzial zu heben und positive Mundpropaganda nach innen und außen auszulösen.

An jedem Touchpoint können positive wie auch negative Erlebnisse passieren, die eine Mitarbeiterbeziehung stärken oder zermürben beziehungsweise ihr Engagement kräftigen oder bröckeln lassen. Deshalb ist unter anderem auch das unterschiedliche männliche und weibliche Mitarbeiterverhalten zu beleuchten, um die jeweils individuellen Arbeitsmotive ermitteln und die spezifischen Talente besser fördern zu können. Hierdurch sollen zwischenmenschliche wie auch organisatorische Motivationshemmer erkannt und weggeräumt werden, so dass sich alle Beschäftigten auf einem hohen Niveau voll entfalten können.

Ziel des insgesamt vierstufigen Prozesses ist das stete Optimieren der Führungsperformance an allen Interaktionspunkten. In meinem Buch werden in diesem Zusammenhang zwei Führungsansätze ausführlich besprochen, die hier aus Platzgründen nicht weiter vertieft werden können: die Genderführung und die Begeisterungsführung. Dies sowie die intensive Auseinandersetzung mit jedem einzelnen Touchpoint erhöht nicht nur den Output, sie legt auch interne Effizienzreserven frei, führt zu Zeit- sowie Kosteneinsparungen und damit letztlich zu höheren Erträgen. Schauen wir uns dazu die vier Schritte einmal genauer an.

Schritt 1: die Analyse

Im Collaborator Touchpoint Managements werden zunächst alle Interaktionspunkte gesichtet, die ein Mitarbeitender im Rahmen der Zusammenarbeit mit einer Führungskraft hat oder haben könnte - und zwar aus dem Blickwinkel des Mitarbeiters betrachtet. Dabei gibt es zwei Arten:

direkte Kontaktpunkte (Mitarbeitergespräch, Gruß auf dem Flur, Meeting usw.)

indirekte Kontaktpunkte (E-Mail, schriftliche Anweisung, Arbeitszeugnis usw.)

Sind diese detailliert aufgelistet, dann werden die Erlebnisse, die ein Mitarbeiter dort hat oder haben könnte, erarbeitet und den Kategorien ‚enttäuschend‘, ‚OK‘, ‚begeisternd‘ zugeordnet. Dabei geht es sowohl um die kritischen Ereignisse als auch um die positiven Geschehnisse, die ihm dort widerfahren - oder im schlimmsten Fall widerfahren könnten. Hilfreiche Fragen dabei:

- Was läuft prima? Wann stellt sich ein Moment großer Freude ein?

- Wo gibt es heikle Situationen?

- Was erwartet ein Mitarbeiter an diesem Touchpoint? Und was nicht?

- Was könnte die Arbeitsleistung verbessern?

- Was könnte die Motivation intensivieren?

- Wo lauern Abwanderungsrisiken?

- Welcher (akute) Handlungsbedarf ergibt sich aus Sicht der Mitarbeiter?

- Und was hat uns bislang daran gehindert, das Notwendige zu tun?

Auch wenn unangenehm, über die letzte Frage muss unbedingt gesprochen werden. Denn erst, wenn die wahren Ursachen für Handlungsblockaden offen liegen, lässt sich etwas dagegen tun. Damit in der Folge das Ausmerzen der Minderleistungen gezielt in Angriff genommen und als Herausforderung gesehen werden kann, macht es Sinn, diesem Prozess klingende Namen zu geben. Heike Bruch vom Lehrstuhl für Führung und Personalmanagement der Uni St. Gallen schlägt folgende vor: ‚Den Drachen besiegen‘ oder ‚Die Prinzessin vom Eis holen‘.

Übrigens können die Mitarbeiter durch entsprechende Fragen aktiv in diese Analysephase mit eingebunden werden. Meine Lieblingsfrage in diesem Zusammenhang ist die ‚Gewissensfrage‘, und die geht so: "Lieber Mitarbeiter, stellen Sie sich vor, Sie wären unser Unternehmensgewissen. Was würden Sie uns sagen?"

Schritt 2: die Soll-Strategie

Im zweiten Teilschritt geht es um das Definieren der angestrebten Ziel-Situation und das Sondieren passender Vorgehensweisen an den Interaktionspunkten, die man für die anvisierten Mitarbeitergruppen optimieren will. Folgende Fragen lassen sich beispielhaft stellen:

- Wie können wir über alle Leistungsbereiche hinweg ein gemeinsames Führungsverständnis für die wichtigsten Mitarbeiter-Touchpoints entwickeln?

- Wie können wir veraltetes Führungsvorgehen schnellstmöglich auf einen zukunftsfähigen Stand bringen?

- Wie können wir sämtliche Recruiting-Touchpoints an die Erfordernisse der Digital Natives anpassen?

- Wie können wir uns von veralteten Strukturen, Standards und Prozessen lösen und Netzwerkstrukturen in unserem Unternehmen schaffen?

- Wie können wir die Treue unserer Mitarbeitenden fördern und uns so vor kostspieliger Mitarbeiterfluktuation schützen?

- Wie können wir unsere Mitarbeitenden zu aktiven positiven Botschaftern der Firma machen, und welche Touchpoints eignen sich besonders dazu?

- Wie können wir unsere Mitarbeiter in operative wie auch strategische Entscheidungen zeitsparend und effizient miteinbeziehen?

- Wie lässt sich der Ideenreichtum unserer Mitarbeiter weiterentwickeln, für passende Touchpoints nutzbar machen und adäquat speichern?

- Wie können wir an den einzelnen Kontaktpunkten mit nichtmonetären Begeisterungsfaktoren arbeiten, um das Wollen zu fördern?

- Wie können wir eine auf Dauer ausgerichtete Kundenfokussierung auf Web-2.0/3.0-Niveau bereichsübergreifend erreichen?

- Wie können wir mit dem Aufbau eines Touchpoint Managements in unserem Unternehmen zügig beginnen?

- Wie können wir schließlich die Summe der Touchpoints so optimieren, dass wir bei Arbeitgeber-Wettbewerben vorderste Plätze belegen?

Auf Basis dieser und weiterer relevanter Fragen werden nun die spezifischen Mitarbeiter-Touchpoint-Ziele definiert. Hierbei geht es sowohl um die Do’s als auch um die Dont’s, also darum, was erwünscht und was unerwünscht ist.

Schritt 3: die operative Umsetzung

In diesem Schritt geht es um die Planung und Umsetzung passender Maßnahmen, die von der analysierten Ist-Situation zur gewünschten Soll-Situation führen. Folgende Fragen sind dabei zu bearbeiten:

- Wer macht was ab/bis wann mit welchem Budget?

- Welche Ressourcen müssen bereitgestellt werden?

- Welche Zeitlinien sind dabei sinnvoll und machbar?

- Wie lassen sich die erzielten Ergebnisse messen?

Dies kann im kleinen Kreis oder auch im Rahmen von Großgruppen-Events gemeinsam geplant und anschließend umgesetzt werden. Dabei gilt: Weniger ist mehr. Wählen Sie ein Thema, das sowieso schon allen auf den Nägeln brennt. Oder fangen Sie mit wenigen wichtigen Touchpoints an. Oder wählen Sie einen ‚Quick win‘ zum Start, also eine Maßnahme, die schnelle Resultate verspricht. Folgeeffekte stellen sich oft wie von selber ein.

So berichtet Mathias Bauer, Geschäftsführer der österreichischen Raiffeisen Capital Management (RCM), wo wir einen eintägigen Touchpoint Workshop mit knapp 100 Mitarbeitern durchgeführt haben: "Zusätzlich ist uns noch Folgendes aufgefallen: Seit einigen Wochen befindet sich in einer der Küchen eine Flipchart, welche vorerst mit einem einfachen "Guten Morgen" beschriftet war. Über Wochen konnte man beobachten, wie sich dieses Flipchart mehr und mehr mit lauter Nettigkeiten und motivatorischen Sprüchen füllte. Mittlerweile gibt es einen unbekannten Wohltäter, der eine Seite, wenn sie vollgeschrieben ist, regelmäßig wechselt und mit einem Einleitspruch von vorne startet!"

Schritt 4: Monitoring und Optimierung

In diesem Schritt geht es um das Ermitteln der Ergebnisse an den einzelnen Mitarbeiter-Touchpoints zwecks Optimierung der Führungsarbeit. Folgende Fragen lassen sich stellen:

- An welchen Kriterien wollen wir unsere verbesserte Touchpoint-Performance messen?

- Welche Kennzahlen wollen wir dazu auf welche Weise wie oft und für wen erheben?

- Wie wird das gewonnene Wissen dokumentiert und gemeinsam besprochen?

- Welche Monitoring-Tools sind sinnvoll und können unkompliziert eingesetzt werden?

- Wer leitet wann und wie die fortlaufend notwendigen Prozessverbesserungen ein?

Vor allem langfristig sollten Touchpoint-Maßnahmen positive Auswirkungen auf die mitarbeiterbezogenen Kennzahlen eines Unternehmens haben, wie etwa die durchschnittliche Verweildauer, die Fluktuationsrate, die Kranktage, die Burnout-Rate und die Mitarbeiterproduktivität.

Und kurzfristig? Da stellen Sie den Mitarbeitern - am besten schriftlich - folgende Fragen:

- Auf einer Skala von 0 bis 10: Würden Sie sich heute wieder für dieses Unternehmen entscheiden? Und wenn ja, aus welchen Hauptgründen? Und wenn nein, weshalb nicht?

- Auf dieser Skala von 0 bis 10: Würden Sie unser Unternehmen an einen interessierten Arbeitssuchenden weiterempfehlen? Und wenn ja, aus welchen Hauptgründen? Und wenn nein, weshalb nicht?

Schon allein die Antworten auf diese beiden Fragen ergeben meist jede Menge Ansatzpunkte, um weitere Verbesserungen in Angriff zu nehmen. Die aus den Skalen-Ergebnissen abgeleiteten Kennzahlen zählen zu den wichtigsten Leistungsindikatoren im Mitarbeiterbereich.

Fazit

Mit dem Collaborator Touchpoint Management erhalten Führungskräfte ein praxisnahes, schnelles und einfaches Navigationssystem, mit dessen Hilfe die sich verändernden Arbeitsbeziehungen beherrschbar werden. Vier Prozessschritte führen dabei zum Ziel. Durch eine kontinuierliche Arbeit an den Touchpoints werden sich alle Unternehmensbereiche stärker miteinander vernetzen. Mit der Präzision eines Laserstrahls wird gemeinsam gesucht und gefunden, was bei den Mitarbeitern Bleibefreude und eine hohe Leistungsbereitschaft weckt.

Denn nur, wer die Besten anzulocken versteht und nur, wer für alle Kollaborateure die Touchpoints mitarbeiterfreundlich gestaltet, wird am Ende Excellenz bewirken. Und die Kunden werden es Ihnen danken: mit Immer-wieder-Kaufen, mit engagierter Mundpropaganda und mit jeder Menge Weiterempfehlungen. So können Unternehmen die Zukunft ganz sicher erreichen.

Das Buch zum Thema

Anne M. Schüller: Touchpoints. Auf Tuchfühlung mit dem Kunden von heute. Managementstrategien für unsere neue Businesswelt, Gabal, März 2012, 350 S., 29,90 Euro, ISBN: 978-3-86936-330-1
Weitere Infos: www.touchpoint-management.de
Die Autorin Anne M. Schüller ist Diplom-Betriebswirtin, zehnfache Buch- und Bestsellerautorin und Management-Consultant. Sie gilt als Europas führende Expertin für Loyalitätsmarketing und zählt zu den gefragtesten Business-Speakern im deutschsprachigen Raum. Über 20 Jahre hatte sie leitende Vertriebs- und Marketingpositionen in internationalen Dienstleistungsunternehmen inne und dabei mehrere Auszeichnungen erhalten. Zum Touchpoint Management hält sie Vorträge und Seminare.
Kontakt:
Anne Schüller Marketing Consulting, Harthauser Str. 54, 81545 München, Tel.: 089 6423208, E-Mail: info@anneschueller.de, Internet: www.anneschueller.de