Im B2B-Handel spielen zwei Faktoren eine zentrale Rolle: eine langfristige Kundenbindung und eine persönliche, serviceorientierte Betreuung. Die Produktpalette ist in den meisten Fällen hochkomplex und sehr variantenreich. Leider ist genau das auch oft der Grund, warum viele B2B-Händler noch zögern, in den Online-Vertrieb einzusteigen.
Angst vor dem Umfang der Digitalisierung
Der Offline-Geschäftskundenbereich ist sehr traditionell und über viele Jahre gewachsen; B2B-Unternehmer sehen die Chancen des Onlinehandels, scheuen aber dessen potenzielle Risiken. In unserer aktuellen gemeinsamen Studie zum Kaufverhalten im B2B E-Commerce mit der ibi Research an der Universität Regensburg wird von über 50 Prozent der Unternehmen die hohe Komplexität von E-Commerce-Projekten als Einstiegshürde genannt.
Die Datenverwaltung der Unternehmen ist heterogen, Daten liegen in Printkatalogen, ERP-Systemen und/oder Vertriebs-Datenbanken in unterschiedlichen Formaten vor. Eine Konsolidierung wird scheinbar zum Mammut-Projekt.
Lösung:
Machen Sie das Thema Digitalisierung zur Chefsache. Nur mit Unterstützung der Führungsebene wird es Ihnen gelingen, erfolgreiche E-Commerce-Lösungen innerhalb einer Gesamtstrategie zu entwickeln und leistungsfähige E-Commerce-Systeme aufzusetzen. Dies ist schon deshalb notwendig, weil unterschiedliche Unternehmensbereiche und Kompetenzen eingebunden werden müssen: Vertrieb, Produktmanagement, IT und Marketing.
Für den zusätzlichen Vertriebsweg und die vielfältigen Möglichkeiten des Onlinehandels ist eine strategische Entscheidung der Führungsebene erforderlich, da sie mit Investitionen einhergeht, die erst mittel- und langfristig Umsatzsteigerung über den neuen Vertriebskanal ermöglicht.
Suchen Sie sich einen geeigneten externen Partner für einen schnellen Start und bauen Sie gleichzeitig intern ein Team und entsprechendes Know-how auf. Unterstützen Sie Mitarbeiter, die sich für das Thema begeistern.
Furcht vor Kundenabwanderung
Der klassische Vertriebsmitarbeiter hat sich viele Jahre leidenschaftlich und sehr persönlich um seine B2B-Kunden gekümmert. Als Vollprofi übernahm er persönlichen Service und Beratung. Über individuelle Rabattierungen förderte er die Kundenbindung. Dadurch entstand ein großes Vertrauensverhältnis zwischen den Geschäftspartnern. Ein Umstieg auf den Online-Vertriebsweg wird als Zäsur gesehen. Durch Online-Recherche und Angebotsvergleiche wird eine Kundenabwanderung befürchtet.
Lösung
Stellen Sie sich diesem vermeintlichen Vertrauensverlust. Personalisierung und individuelle Preisgestaltung sind große Herausforderungen für B2B-Unternehmen. Ihre Vertriebsmitarbeiter müssen dafür sensibilisiert werden, einen Online-Shop nicht als Konkurrenz zu sehen. Im Gegenteil: Nur eine Integration des digitalen Vertriebswegs befördert das Unternehmen und damit die Mitarbeiter selbst in die Zukunft.
Entlasten Sie Ihre Vertriebsmitarbeiter bei A- und B-Kunden von standardisierbaren Service-Leistungen, die sich besser online abwickeln lassen. So bleibt er Ansprechpartner draußen und vor Ort und kann weiter erfolgreich und intensiv seine Kunden bedienen. Mit persönlicher Ansprache und Betreuung im World Wide Web wird er sogar zum Multichannel-Begleiter seiner Kunden werden.
Unpassende Produkte fürs Internet
Der intensive, persönliche Kundenkontakt ist für viele Unternehmen im B2B das Erfolgsgeheimnis, insbesondere bei erklärungsbedürftigen Produkten. Das Internet sehen sie dagegen als anonyme unpersönliche Welt, in der beliebig und austauschbar Geschäfte gemacht werden und das eigene Produkt untergeht.
Lösung
Zeigen Sie Präsenz mit neuen Mitteln. Online-Shops bieten zahlreiche Möglichkeiten dazu, auch wenn Ihre Produkte erklärungsintensiv sind. Für die Kundenkommunikation stehen nicht nur klassische Wege wie Kontaktformular oder Hotline zur Verfügung. Mit Kontaktmöglichkeiten via E-Mail oder Chat-Funktion ist der Service des Vertriebsmitarbeiters umfangreich.
Entscheiden Sie strategisch, wie Sie in den Markt gehen: mit der kompletten Sortimentstiefe und -breite oder vertikalisieren Sie eine Produktkategorie nach der anderen?
Bieten Sie zusätzliche Services zu den Produkten: Benutzerhandbücher, Wartungspläne, Sicherheitsrichtlinien, Erklärvideos, Terminvereinbarungen zur persönlichen Einweisung oder zum Aufbau der Maschinen durch Kundendienstmitarbeiter und vieles mehr.
Ein Plus an Service können Sie in Richtung Kunde verlagern. Ermöglichen Sie dazu umfangreiche feingranulare Suchfunktionen sowie Auswahlmöglichkeiten für passendes Zubehör und bieten Sie Möglichkeiten zur Konfiguration oder Personalisierung der Produkte an.
Virtuelle Verkaufsberater sind ganz neue Möglichkeiten, innovative Servicemöglichkeiten anzubieten. Ein außergewöhnlicher Kundenservice ist im Onlinehandel eine große Chance, sich Wettbewerbsvorteile zu sichern.
Unser Offline-Vertrieb ist etabliert
Besonders traditionsreiche mittelständische Unternehmen tun sich schwer damit, ihre bewährten Strukturen aufzubrechen. Nicht selten gibt es sogar regelrechtes Kompetenzgerangel zwischen den "alten Hasen" aus dem klassischen Offline-Vertrieb, die Produkte und ihre Kunden genau kennen und der jüngeren Kollegen-Generation, die dem E-Commerce offen gegenüberstehen. Außerdem befürchtet der Vertrieb eine mögliche Verringerung der Provisionen, wenn er nicht mehr die komplette Kontrolle hat.
Lösung
Nehmen Sie Ihre Vertriebsmitarbeiter mit. Entwickeln Sie innovative Provisionsmodelle, die mit dem neuen Vertriebsweg vereinbar sind und die Grabenkämpfe vermeiden helfen.
Erarbeiten Sie eine Strategie zur Einführung von E-Commerce in Ihr Unternehmen. Mögliche Szenarien könnten zum Beispiel folgende sein: Einführung zunächst für C-Kunden, Entlastung der Vertriebsmitarbeiter von stupiden standardisierten Device-Tätigkeiten, Einführung zunächst für Verbrauchsstoffe und Zubehör.
Nutzen Sie das Potenzial der jüngeren Mitarbeiter (Digital Natives) ebenso wie das Wissen und die Erfahrung der älteren. In manchen Fällen kann es für ein Unternehmen sinnvoll sein, auf externe Berater zuzugreifen, zum Beispiel Experten für Change Management. Diese bieten den Vorteil, den wichtigen Blick von außen zu haben.
Wir kennen die Online-Technik nicht
Ein oft gehörtes Hindernis ist die Sorge vor unkontrollierbaren Kosten für die einzurichtende Technologie und für Mitarbeiter, die dafür spezialisiert werden müssen.
Lösung
Die Sorge ist berechtigt. Und noch einmal: Gehen Sie planmäßig anhand einer Digitalisierungsstrategie vor. Definieren Sie die Meilensteine und überprüfen Sie Ihre Strategie permanent anhand der Zwischenergebnisse.
Wichtige Meilensteine sind dabei unter anderem:
Definition der Projektvision
Definition der Prozesse
Vorgehensweise zur Vereinheitlichung der Produktdaten
Evaluation des Shopsystems bzw. Individualentwicklung
Klärung des Ressourcenbedarfs, Freigabe
Klärung des Projektbudgets, Freigabe
Definition des MVP, also des minimal notwendigen Funktionsumfanges zum Livegang
Auswahl des Umsetzungspartners
Natürlich ist die Implementierung einer E-Commerce Lösung kostenintensiv. Auf lange Sicht stellt sich Ihnen aber eher die Frage, ob Sie es sich leisten können nicht zu investieren. Denn der zeitliche Vorsprung Ihres Wettbewerbs wird Sie vermutlich viel mehr kosten. Auch wenn der digitale Vertriebsweg neue Zielgruppen und neue Umsatzpotenziale vielleicht erst mittel- und langfristig erschließt.
Eine Erfolgs-Garantie gibt es leider dabei nicht. Sie können das Risiko aber unter der Berücksichtigung folgender Faktoren minimieren:
Umsetzungsstrategie
Erfahrener Umsetzungspartner
Realistische Budgetplanung
Realistische Zeitplanung
Priorisierung durch die Geschäftsleitung
Umsetzung innerhalb einer Gesamtstrategie, die alle wichtigen Erfolgsfaktoren berücksichtigt: Zielgruppe, Sortimentsstrategie, Preispolitik, Online-Marketing, Datenmanagement, Kundenservice, Technische Infrastruktur, Logistik.
Fehlendes Know-how im Online-Marketing
Selbst wenn die gravierendsten Vorbehalte gegenüber einem Online-Vertrieb ausgeräumt werden konnten, bleibt oft noch ein großes Fragezeichen bei der Vermarktung über den neuen Vertriebsweg. Dabei äußern viele Unternehmen die Befürchtung, man habe hohe Investitionskosten, die sich nicht rechnen, weil niemand das Online-Angebot findet.
Lösung
E-Commerce kann als Instrument zur Neukundengewinnung und zur Kundenbindung eingesetzt werden. Das unterscheidet E-Commerce Lösungen vom reinen E-Procurement und hier liegt ein spannendes Potenzial, insbesondere für Hersteller und Marken. Diese haben die Chance, frische, einzigartige Inhalte zu liefern und Themenwelten glaubwürdig rund um ihre Produkte aufzubauen. Damit lässt sich Sichtbarkeit und damit somit Aufmerksamkeit erzielen.
Entwickeln Sie eine Online-Marketing-Strategie, die auf Ihre Zielgruppen abgestimmt ist. Diese sollte alle für Ihr Business und Ihre Zielgruppe relevanten Marketing-Kanäle berücksichtigen.
Setzen Sie sich messbare Zielvorgaben für erfolgreiche Online-Kampagnen. Analysieren Sie den Wettbewerb und arbeiten Sie mit Vergleichszahlen. Optimieren Sie von Anfang an Ihre Suchmaschinenplatzierung, denn SEO ist ein kontinuierlicher Prozess. Wählen Sie überlegt Ihre Social-Media-Kanäle aus: Facebook oder Twitter sorgen für Empathie für das Unternehmen und stärken Ihre Marke. Mit Analysetools erlangen Sie wichtige Details über das Nutzerverhalten Ihrer Kunden. Nutzen Sie diese Daten für erfolgreiche Upselling-Strategien oder Incentives zur Kundenbindung.
Achten Sie darauf, nicht wahllos Werbetexte auszuspielen, sondern sorgen Sie für textoptimierte Websites. Landingpages für spezielle Themen oder Produkt(gruppen) sorgen für Leadgenerierung und bessere Conversions.
Fazit
Für B2B-Unternehmen liegt in der Digitalisierung eine große Chance. Dabei ist Online gleichwohl Vertriebs- und Kommunikationskanal. Kein Produkt ist zu komplex oder ungewöhnlich, um es nicht erfolgreich online vermarkten zu können.
Die Skepsis bei vielen B2B-Unternehmern resultiert meist aus der Unsicherheit über Komplexität und Risiko. Ursächlich also aus unzureichendem Know-how und Erfahrung hinsichtlich E-Commerce. Holen Sie sich externe Expertise und bauen Sie von Beginn an auch intern Kompetenzen auf.
Denn das Internet ist auch für B2B nicht nur ein unverzichtbarer Informationskanal auf dem Weg zur richtigen Kaufentscheidung sondern mehr und mehr der Verkaufskanal selbst. Online-Marketing-Maßnahmen werden elementar, genauso wie die Verknüpfung von On- und Offline-Maßnahmen. Die digitale Transformation ist bereits in vollem Gange. (bw)