EU-Richtlinie MiFID II

Telefonmitschnitte beim künftigen Quälgeist für Finanzgeschäfte

22.02.2017 von Arnd Westerdorf
Eigentlich sollte die europäische Finanzmarkt-Richtlinie MiFID II schon am Jahresbeginn 2017 in Kraft treten. Doch die Einführung dieses gesetzlich verankerten Anlegerschutzes verzögert sich nun um ein Jahr. Dabei geht es auch um die kosten- und aufwandsintensive Dokumentation der Kundenkommunikation und den technischen Einsatz von Telefonmitschnitten.

Die EU-Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID, Markets in Financial Instruments Directive), kurz Finanzmarktrichtlinie, regelt und harmonisiert fast schon seit einem Jahrzehnt den Wertpapierhandel in Europa. Die Richtlinie ist seit November 2007 rechtskräftig, bedarf aber aufgrund der wenig später eingetretenen Finanzkrise und der veränderten Marktstrukturen dringend der Reform. Die EU-Kommission hat nach jahrelangen Konsultationen gemeinsam mit dem EU-Parlament und anderen Gremien Anfang 2014 den Weg für die Modifikationen geebnet und dabei in die etablierten und zukünftigen Versionen MiFID I und II unterschieden.

Die Einführung der europäischen Finanzmarkt-Richtlinie MiFID II verzögert sich um ein Jahr.
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MiFID II sollte ursprünglich schon zum Jahresbeginn 2017 mit ihren Vorgaben die Transparenz in den Märkten sowie die Effizienz und Integrität der Finanzmärkte erhöhen. Zum Schutz der Anleger sind verschärfte Regeln im Vertrieb von Finanzprodukten und damit auch von Fonds geplant. Den einen Branchenexperten gilt die Richtlinie als „Grundgesetz der Kapitalmärkte“ und Instrument gegen die von der Realwirtschaft abgekoppelten Zockereien der Finanzmärkte, den anderen ausdrücklich als „regulatorischer“ oder „lästiger Quälgeist“ beziehungsweise als gravierender Eingriff in den Markt und Vertrieb von Finanzinstrumenten und Investmentfonds.

Neben inhaltlichen Bedenken kamen auch die technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen auf den Tisch. Bereits im 4. Quartal 2015 zeichnete sich ab, dass weder die zuständigen Behörden noch die Marktteilnehmer die erforderlichen Systeme für MIFID II bis Januar 2017 bereitstellen können. Kein Wunder, schließlich müssen die Daten von mindestens 300 Handelsplätzen zu 15 Millionen Finanzinstrumenten erfasst und verarbeitet werden.

Transparenz kontra hoher Aufwand

Das Umsetzen der Richtlinie wird die Branche laut einer Prognose der US-amerikanischen Beratungsgesellschaft Opimas umgerechnet 2,5 Milliarden Euro kosten. Demnach müssen überwiegend die Banken die Kosten für das Umstellen der Systeme und Prozesse schultern, zu einem Bruchteil Asset Manager und zu einem ganz kleinen Teil die Börsen und anderen Handelsplattformen. Dazu ist nach einer Studie des deutschen Consulting-Unternehmens PPI mit hohen Folgekosten in Höhe von jährlich 100 Millionen Euro sowie mit durcheinander gewirbelten Vertriebskonzepten zu rechnen. Da Fondsgesellschaften bzw. Asset Manager mit der ab dem 3. Januar 2018 gültigen MiFiD-Richtlinie keinen kostenloses Research mehr von ihren Brokern bekommen dürfen, sondern diesen Service bezahlen müssen, müssen sie diese Kosten entweder selber tragen oder an ihre Kunden weitergeben. Ebenso wird wohl das Einhalten der neuen Regeln für Beratungs- und Telefonprotokolle die Kosten treiben.

Dabei soll es ein Nebeneinander von Honorar- und Provisionsberatung geben und somit den fairen Wettbewerb zwischen beiden Vertriebsmodellen. Des Weiteren enthält MiFID II Vorgaben, die den Zielmarkt und die Eignung für bestimmte Anlegergruppen bestimmen. Solche Kriterien sollen sicherstellen, dass Anleger nur individuell zugeschnittene Angebote erhalten.

Nachweise der Kundenkommunikation

Diese Angebote müssen über alle getätigten Kommunikationskanäle dokumentiert werden, damit die Regulierungsbehörde diese bei Kundenbeschwerden untersuchen kann. Bis MFID II in Kraft tritt, müssen alle Anbieter die Nachweise dieser Kundenkommunikation fünf Jahre aufbewahren. Damit lassen sich auch Kommunikationsfehler bei der Ordererteilung wie etwa Fehlbezeichnungen, Zahlendreher und Tippfehler sowie Insiderverstöße und Kursmanipulationen aufdecken.

Telefonmitschnitte in öffentlichen Netzen sind in den Lizenzbedingungen der Telekommunikations-Dienstleister geregelt, die diese entweder auf Anfrage staatlicher Stellen wie etwa Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten oder auf Kundenwunsch zur Verfügung stellen. In privaten Netzen kann der Betreiber unter Beachtung der gesetzlichen Erfordernisse wie zum Beispiel der Zustimmung der Gesprächsteilnehmer selbst Telefonmitschnitt-Anlagen betreiben, wie es beispielsweise Kunden von Call-Centern kennen. Die Anlagen wiederum ermöglichen Gesprächsaufzeichnungen über verschiedene Anschlüsse: an der Amtsleitung, in der Telefonanlage oder an Nebenstellen.

Dr. Rolf Fiedler, CTO bei Ferrari Electronic: Möglichkeiten des telefonischen Mitschnitts.
Foto: Ferrari Electronic AG

Technische Ansätze im Detail

Jeder technische Ansatz hat spezifische Vor- und Nachteile wie es zum Beispiel Dr. Rolf Fiedler, Vorstand von Ferrari Electronic, in einem Fachartikel erläutert hat. Der technische Verantwortliche des Brandenburger Lösungsanbieters nennt Möglichkeiten über die Telefonanlage oder einen Media-Gateway, bei denen zwar alle Informationen über die Gesprächsteilnehmer verfügbar, aber diese technischen Lösungen später häufig nicht nachrüstbar, kompatibel oder von passender Software begleitet sind. Fiedler sieht in dem Aufnahmestandard SIPREC (Session Initiation Protocol Recording) einen akzeptablen Ansatz, Mediendaten über die VoIP-Telefonanlage (Voice-Over-Internet-Protocol) zu einem externen Mitschnitt-Server zu leiten.

Beim Mitschnitt über Nebenstellen erkennt der ITK-Experte im selektiven Erfassen bestimmter Apparate ohne komplexe Filtereinstellungen einen Vorteil, aber auch den Nachteil eines höheren Aufwands durch das Erfassen vieler Nebenstellen. Dazu kann die Hürde herstellerspezifischer Schnittstellen kommen. Dagegen sei der Mitschnitt an Amtsleitungen mit den eingesetzten Protokollen standardisiert und relativ einfach wie auch zentral zu händeln, so Dr. Rolf Fiedler. Allerdings könnten keine internen Gespräche erfasst werden, da diese nur zwischen den Nebenstellen und der Telefonanlage laufen würden, und manchmal sei es auch schwierig, die Mitschnitte bestimmten Nebenstellen zuzuordnen, wenn Rufnummern unterdrückt oder durch eine zentrale Einwahlnummer ersetzt würden.

Mobilfunk-Option und gute Mitschnittlösungen

Als weitere Option thematisiert der CTO (Chief Technology Officer) von Ferrari Electronic den Mitschnitt auf Mobilfunk-Terminals, wobei idealerweise der Provider eine entsprechende Funktion anbieten, ein mobiles Telefon als Nebenstelle eingerichtet oder eine spezielle App installiert würde.

Laut Fiedler bieten gute Mitschnittlösungen Funktionen wie umfassende Filter- und Sucheinstellungen, Audiokomprimierung, Live-Mithören, Mitschnittsteuerung durch DTMF-Töne (Mehrfrequenzverfahren), Verschlüsselung und Schutz gegen Manipulation durch MD5-Hashes (Message-Digest Algorithm), automatisches Löschen etwa beim Überschreiten eines Zeit- oder Speicherlimits, automatischer Versand als E-Mail, Schnittstellen zur Integration in andere Software-Systeme, automatische Fehlersignale und die Möglichkeit zur Datenreplikation.

Im Zuge dieser technischen Aufrüstung dürften im laufenden Jahr viele Anbieter von Finanzprodukten wie auch von ITK-Lösungen mit der MiFID-II-Materie hinreichend beschäftigt sein.