Videokonferenzen künftig über Visavid

Tage von Microsoft Teams an Bayerns Schulen sind gezählt

19.04.2021 von Peter Marwan
Das Bayerische Kultusministerium hat den Vertrag zur Nutzung von Microsoft Teams bis Ende des laufenden Schuljahres verlängert – allerdings nur als Übergangslösung. Der in Bayern entwickelte Nachfolger Visavid steht schon in den Startlöchern.
Das Angebot Visavid der Firma Auctores aus der Oberpfalz hat sich bei einer Ausschreibung durchgesetzt und kommt nun an Bayerns Schulen zum Einsatz.
Foto: Visavid/Auctores GmbH

Ab Ende April stellt das Bayerische Kultusministerium für alle Schulen in dem Bundesland eine einheitliche Videokonferenzsoftware bereit. Die Wahl dafür fiel auf das Visavid genannte Angebot der Firma Auctores aus Neumarkt in der Oberpfalz. Sie hat sich in einem EU-weiten, offenen Vergabeverfahren durchgesetzt. Die Videokonferenzlösung ist laut Geschäftsführer Karl Weigl "100 Prozent Made in Germany". Das Unternehmen betreut sie bereits seit Ende 2020 als Datev-Partner bundesweit bei Steuerberaterverbänden und -kammern.

"Damit haben wir eine einfache und für Schulen maßgeschneiderte Software, die für das pandemiebedingte 'Lernen zuhause' eingesetzt werden kann, aber auch für zahlreiche weitere Einsatzzwecke im künftigen Schulalltag geeignet ist", teilt das Kultusministerium mit. Die Lernplattform Mebis, die mehrfach wegen technischer Probleme kritisiert wurde, soll dennoch weiterhin genutzt werden. Sie bietet vor allem Funktionen, die Videokonferenzen ergänzen. Eine Anleitung zur Einrichtung von Visavid an Schulen steht bereits bereit.

Datenschutzkonforme Videokonferenzen für Bayerns Schulen

"Visavid ist ein benutzerfreundliches, maßgeschneidertes und datenschutzkonformes Videokonferenztool für unsere Schulen. Jetzt haben alle Schulen - auch die Grundschulen - ein Programm, das leicht und auf allen Geräten zu bedienen ist - ganz ohne Installation", lobt Bayerns Kultusminister Michael Piazolo. Zudem finde die Datenverarbeitung ausschließlich in großen Rechenzentren der EU statt. Das sieht Piazolo als einen wichtigen "Schritt in Richtung digitaler Souveränität an bayerischen Schulen."

Dass bei Visavid die Datenverarbeitung ausschließlich in großen Rechenzentren der EU stattfindet sieht Bayerns Kultusminister Michael Piazoloals einen wichtigen "Schritt in Richtung digitaler Souveränität an bayerischen Schulen."
Foto: Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus

Bisher wurde Schulen in Bayern vom Kultusministerium auch das datenschutzrechtlich umstrittene Microsoft Teams angeboten. Der Vertrag wurde bis Ende des aktuellen Schuljahres verlängert. Schulen, die es genutzt haben, wird damit eine mehrmonatige Übergangszeit eingeräumt. Dennoch dürfte Ende Juli Teams dann endgültig aus Bayerns Schulen verbannt werden - sofern Visavid die in das System gesetzten Anforderungen erfüllt.

Visavid umfasst dem Anbieter zufolge Screen-Sharing, Dateiaustausch, Live-Chat, erlaubt Aufzeichnungen und mehrere Moderatoren und bringt ein Einladungsmanagement mit. Laut Datenschutzerklärung können Daten unter "Wahrung der berechtigten Interessen von uns oder Dritten" verarbeitet werden, heißt es in der Datenschutzerklärung. Dort werden als Beispiele für berechtigte Interessen auch "Werbung und Marketing" genannt.

Allerdings kann der Verwendung personenbezogenen Daten für Werbezwecke jederzeit widersprochen werden, ohne dass dadurch über die Basistarife hinausgehende Kosten entstehen. Auf Nachfrage von Heise.de erklärte das Kultusministerium bereits, dass für den Unterricht eine Auftragsverarbeitung für die jeweilige Schule vorgesehen sei. Die Datenverarbeitung zu eigenen Zwecken sei für das bayerische Kultusministerium ebenso ausgeschlossen, wie die Datenübertragung in Drittländer.

Erste Einschätzungen zu Visavid für den Schulbetrieb

Ein Schulleiter kritisierte bereits, dass Breakout-Rooms fehlen und Screensharing von Apple-Touchgeräten nicht möglich ist. Damit sei das Tool "für den Unterricht nicht die erste Wahl", zumal Bayern gerade große Stückzahlen an iPads mit Touch und Stift für Lehrer und Schüler beschaffe. Die seien mit Visavid nach jetzigem Stand jedoch "leider kaum nutzbar". Allerdings kamen bei der Videokonferenzlösung in den vergangenen Wochen zahlreiche neue Funktionen hinzu. Möglicherweise ist die Ergänzung um die vermissten Funktionen bereits geplant.

Johannes Nehlsen, der sich beruflich an der Stabsstelle IT-Recht derbayerischen staatlichen Universitäten und Hochschulen sowie als Datenschutzbeauftragter für die "Virtuelle Hochschule Bayern" intensiv mit Microsoft 365 beschäftigt hat, weist auf Twitter unter anderem auf die im Vergleich zu anderen Angeboten zumindest laut Anbieter fortgeschrittenen Funktionen in Bezug auf die Barrierefreiheit hin.

Außerdem hat Nehlsen ermittelt, dass die Software zumindest teilweise bei OVH gehostet wird (das somit "Unterauftragsverarbeiter" ist). Der an anderer Stelle genannte Betrieb "im Rechenzentrum in Nürnberg" könnte sich auf die Nutzung durch Datev-Kunden beschränken. Nehlsen spricht zudem nach einem ersten Blick von einer "ordentlichen Qualität des TLS-Zertifkats", hat einen Blick auf HSTS und CSP geworfen und auch da kaum etwas auszusetzen gefunden. Er weist lediglich auf "teilweise veraltete Javascript-Bibliotheken" hin.