Ab März Public-Cloud-Services

T-Systems will AWS-Preise unterbieten

11.11.2015 von Karin Quack
Nachdem T-Systems bereits gutes Geld mit dem Betrieb von Private Clouds verdient, will der Dienstleister seine Kundschaft nun auch für das Thema Public Cloud begeistern. Dabei nimmt er aber durchaus in Kauf, dass einige Kunden zumindest partiell von der privaten in die öffentliche Cloud wechseln.
Zur CeBIT 2016 will die Telekom mit der eigenen Open Telekom Cloud den US-Anbietern Konkurrenz machen.
Foto: Deutsche Telekom AG

Offenbar verspricht sich T-Systems von der "Open Telekom Cloud", kurz OTC, ein regelrechtes Massengeschäft. Denn die Premium-Preise, die der Provider für seine Private-Cloud-Angebote nimmt, kann und will er im Public-Bereich nicht erzielen. Im Gegenteil: Die Services sollen nicht nur sicher, sprich: in Europa nach dem strengen deutschen Datenschutzgesetz, betrieben werden, sondern auch noch "erschwinglich" sein: "Wir wollen die Preise von Amazon unterbieten", bestätigte Jörn Kellermann, Senior Vice President Global IT Operations, eine entsprechende Ankündigung von Mitte September. Die exakte Gebührenstruktur will er allerdings immer noch nicht verraten.

Nicht an der IT vorbei

Konkret wird T-Systems zunächst Speicher- und Computing-Services einschließlich des Load-Balancing zur Verfügung stellen - basierend auf dem Open-Stack-"Ökosystem". Oben drauf offeriert der Anbieter Software as a Service (SaaS), wie er sie heute schon für die Private Clouds zur Verfügung stellt, also beispielsweise ERP-Funktionen von SAP, Vertriebsunterstützung von Salesforce und Personal-Management von Success Factors. In einer nächsten Ausbaustufe soll es, so Kellermann, auch Platform as a Service (PaaS) geben.

Mit den Infrastrukturservices adressiert T-Systems ausschließlich die IT-Bereiche, während die "On-Top-Lösungen" durchaus auch an die Fachbereiche direkt verkauft werden sollen. Wie Kellermann beteuert, werden die T-Systems-Vertriebler aber nicht versuchen, existierende Policies zu unterlaufen und die IT-Bereiche bewusst zu umgehen: "Der CIO ist schließlich unser Freund."

Zweite Testrunde läuft

"Der CIO ist schließlich unser Freund." Jörn Kellermann, Senior Vice President Global IT Operations bei T-Systems.
Foto: T-Systems

Am ersten Praxistest nahmen 30 Kunden teil. In der gerade angelaufenen zweiten Runde sind 120 Unternehmen mit von der Partie. Etwa ein Drittel davon ist laut Kellermann den Großkonzernen zuzurechnen. Nicht nur für diese Kunden will T-Systems Ende-zu-Ende-Lösungen anbieten, die auch individuelle Services und Beratung umfassen. Ein Massentest ("Invite based Open Beta") mit bis zu 10.000 Unternehmen soll sich Anfang des kommenden Jahres anschließen.

Voraussichtlich zur CeBIT werden die Services dann allgemein verfügbar sein - und zwar weltweit für Anwender jeder Größenordnung. Besonderes Interesse beobachtet Kellermann im öffentlichen Bereich. Der Standort Europa spielt hier sicher eine Rolle. "Es gab definitiv einen Bedarf für eine europäische Lösung", so der T-Systems-Manager.

Aktuelle Entwicklungen zu Cloud-Security und -Datenschutz
Ob Unternehmensdaten in der Cloud "sicher" sind, hängt davon ab, welchen Datenschutzregeln der jeweilige Anbieter verpflichtet ist. Häufig geht hier es um Europa vs. USA. Die aktuellen Entwicklungen um "Safe Harbor" haben die Debatte neu befeuert. Eine klare Antwort ist immer noch in weiter Ferne.
Marktanteile
Auf die "Großen Vier" Amazon Web Services, Microsoft, IBM / Softlayer und Google entfielen im zweiten Quartal 2015 rund 54 Prozent des weltweiten Umsatzes mit Cloud-Services. Nordamerika ist mit etwa der Hälfte der Umsätze der größte regionale Markt, vor Europa und Asien/Pazifischer Raum.
Standorte
Für deutsche Unternehmen ist laut einer Studie von Bitkom Research und KPMG wichtig, dass ein Cloud Service Provider im deutschen oder EU-Rechtsraum angesiedelt ist oder dort Rechenzentren unterhält.
Erfahrungen der Nutzer
Anwender in Deutschland haben bessere Erfahrungen mit Private Clouds gemacht als mit IT-Diensten, die sie über Public Clouds beziehen.
Transformation als Treiber
Cloud Computing hat bei vielen deutschen Unternehmen einen hohen Stellenwert, wenn es um die strategische Ausrichtung der IT-Umgebung geht. Daran ändern auch Debatten um den Datenschutz nichts.
Public Cloud Provider
Alle führenden amerikanischen Anbieter von Public Cloud Services haben mittlerweile Rechenzentren in EU-Mitgliedsstaaten oder Deutschland aufgebaut. Damit tragen sie dem Wunsch von Unternehmen Rechnung, die Daten nicht in Datacentern lagern wollen, die in anderen Rechtsräumen angesiedelt sind.
Google
Google hat sich mit einer gewissen Verspätung als Cloud-Service-Provider positioniert. Mittlerweile bietet das Unternehmen nach dem Baukastenprinzip eine Palette von Cloud-Services an.
Verschlüsselungslösungen
Für die Verschlüsselung und Schlüsselverwaltung setzen Microsoft und andere Cloud-Service-Provider besonders sichere HSMs (Hardware Security Modules) ein. Microsoft nutzt bei Azure HSM-Systeme von Thales. Andere Anbieter von HSM, die in Cloud-Umgebungen zum Zuge kommen, sind Utimaco und Gemalto (SafeNet).
Microsoft-Prozess
Microsoft gegen die Vereinigten Staaten von Amerika: In dem Berufungsverfahren will Microsoft die Herausgabe von E-Mail-Daten an ein US-Gericht verhindern, die auf Servern im Cloud-Datacenter in Irland gespeichert sind.
SAP-Sicherheitsarchitektur
Die Grundlage für Cloud-Services, die den Anforderungen von Compliance- und Datenschutzregeln genügen, sind umfassende Sicherheitsmaßnahmen in Cloud-Datacentern. Eine Schlüsselrolle spielen dabei Verschlüsselungs- und Authentifizierungsmaßnahmen.
Constantin Gonzalez, AWS
Constantin Gonzalez, Solutions Architect bei Amazon Web Services: "Amazon Web Services bietet Anwender eine Art ferngesteuerte Hardware. Für die Kontroller der Daten ist der Nutzer selbst verantwortlich."
Speicherorte
Laut einer Analyse von Skyhigh Networks entsprechen zwei Drittel der Cloud-Services, die in Europa zur Verfügung stehen und von Firmen in dieser Region genutzt werden, nicht den EU-Datenschutzregelungen.
Khaled Chaar, Pironet NDH
Khaled Chaar, Managing Director Business Strategy bei der Cancom-Tochter Pironet NDH: "Bei der Debatte um die Sicherheit von Daten in der Cloud sollte ein weiterer Aspekt berücksichtigt werden: Cloud-Rechenzentren verfügen in der Regel über deutlich bessere Sicherheitsvorkehrungen als Data Center von Unternehmen. Denn für die meisten Firmen gehört der Aufbau sicherer Rechenzentrums-Strukturen nicht zum Kerngeschäft und ist schlichtweg zu aufwändig, insbesondere aufgrund der stetig wachsenden Sicherheitsanforderungen."
Hartmut Thomsen, SAP
Hartmut Thomsen, Managing Director der SAP Deutschland SE & Co. KG: "SAP befolgt die rechtlichen Rahmenbedingungen in den Ländern, in denen das Unternehmen geschäftlich tätig ist. Ebenso wichtig sind für uns die Wünsche unserer Kunden. Für diese besteht deshalb – abhängig vom jeweiligen Cloud-Produkt – die Möglichkeit, sich für Cloud-Dienstleistungen zu entscheiden, die SAP innerhalb der EU bereitstellt."
René Büst, Crisp Research
René Buest, Senior Analyst und Cloud Practice Lead bei dem Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Crisp Research: "Für international tätige Unternehmen ist es schlichtweg unverzichtbar, einen Cloud-Service-Provider mit einer Präsenz in vielen Regionen der Welt auszuwählen."
Geteilte Verantwortung in der Public Cloud
In der Public Cloud gehorchen die Services verschiedenen Herren: Management und Sicherheit von Infrastruktur wie Storage, Netzwerk, Datenbank und Rechenpower auf der einen Seite, Verwantwortung für VMs, Anwendungen und Daten auf der anderen Seite.
Rechtslage in Deutschland
Gerade die Angst vor Angriffen und Datenverlusten schreckt viele Anwender nach wie vor vor der Cloud ab.
Compliance-Sorgen
Auch die Sorge, Compliance-Bestimmungen in der Cloud nicht einhalten zu können, treibt viele Anwender um.
CASB - das Geschäft mit dem Cloud-Zugang
Durch sogenannte CASB (Cloud Access Security Broker) soll der gesicherte Zugang zu Cloud-Diensten sichergestellt werden. Hier entwickelt sich zunehmend ein eigener Markt.

Vermarkten will T-Systems die Services sowohl selbst als auch über Partner. Es stünden bereits einige Interessenten bereit, so Kellermann. Namen will er jedoch keine nennen. Dank seiner beiden Trumpfkarten - Deutsches Datenschutzgesetz und Kampfpreise - hofft T-System, bis 2018 einen Marktanteil um die zehn Prozent zu erringen. (mb)