Mit der erfolgreichen Durchführung des in Japan erprobten Verkaufsevents Super Sale hat der Online-Marktplatz Rakuten.de seine Anpassung an das Geschäftsmodell des Mutterkonzerns abgeschlossen. Von entscheidender Bedeutung für den angestrebten Angriff auf Amazon wird jedoch sein, inwiefern es Rakuten gelingt, dauerhaft das Interesse der deutschen Konsumenten zu halten.
„Der erste Rakuten Super Sale war ein voller Erfolg“, berichtet die Deutschlandchefin des E-Commerce-Unternehmens, Beate Rank, begeistert. Im Rahmen des Verkaufsevents boten Händler auf dem Online-Marktplatz während insgesamt 28 Stunden neben 22 stündlich wechselnden Top Deals auch rund 200 weitere Produkt-, Time- und Gutschein-Deals mit zumeist starken Preisnachlässen an. Wie Rank erklärt, sei das in Japan entwickelte Verkaufsformat auch in Deutschland auf große Resonanz gestoßen: „Die Händler, die am Rakuten Super Sale teilgenommen haben, konnten Ihr Handelsvolumen um das 15-fache steigern.“ Dabei hätten die „Superdeals“ auch die Umsätze im Gesamtsortiment der teilnehmenden Händler spürbar angefeuert. Zu den stärksten Kategorien hätte dabei neben Bereichen wie Möbel, Wohnen und Lifestyle auch das Segment Computer und Elektronik gehört.
Die erstmalige Durchführung des Super Sale in Deutschland markiert für Rakuten.de den Abschluss der 2012 eingeleiteten Ausrichtung auf das Geschäftsmodell der japanischen Konzernmutter. Rank betrachtet es daher mit Erleichterung, dass die von der Verkaufsaktion erwarteten Effekte auch tatsächlich so eingetreten seien: „Ein Drittel unserer Bestandskunden hat im Zeitraum des Super Sale mehrfach gekauft“, berichtet Rank, die den Online-Marktplatz 2007 unter dem Namen Tradoria mitgründete. Zudem habe sich während des Super Sale die Anzahl der Einkäufe, bei denen der shopübergreifende Warenkorb von Rakuten.de genutzt wurde, verdoppelt – für das E-Commerce-Unternehmen eine wichtige Argumentationshilfe im Kontakt mit alteingesessenen Tradoria-Händlern, die der stärkeren Vereinheitlichung der zuvor eher dezentralen Online-Plattform nach der Übernahme durch Rakuten zum Teil recht skeptisch gegenüberstanden.
Vor allem in den ersten 120 Minuten war der Super Sale von Rakuten.de so erfolgreich, dass sogar die Server des Online-Unternehmens mit der Anfragenlast zu kämpfen hatten. „Die wiederholten Lastspitzen zu den stündlichen Wechseln der Topdeals haben zu einer enormen Belastungen der Systeme geführt, was kurzzeitig eine eingeschränkte Erreichbarkeit bei uns zur Folge hatte“, erklärt Rank. Als Reaktion habe man die Topdeals aus dieser Zeit nachgeholt und den Super Sale um 2 Stunden verlängert. Insgesamt sei es aber beeindruckend, wie exakt die Prognosen aus Japan zum Verlauf des Verkaufsevents eingetreten seien. „Wir sind vom eigenen Erfolg überrascht“, so Rank.
Japanisches Erfolgsmodell
Dass Rakuten in Japan ein hochgradig attraktives und erfolgreiches E-Commerce-Modell entwickelt hat, unterstreichen auch die vor wenigen Tagen veröffentlichten Geschäftszahlen des Internetkonzerns für das vergangene Jahr. Der Online-Marktplatz Rakuten Ichiba kam dort auf ein Handelsvolumen von umgerechnet 11,6 Milliarden Euro und liegt damit deutlich vor dem weltgrößten Onlinehändler Amazon, der in Japan 2012 einen Umsatz in Höhe von rund 5,9 Milliarden Euro erzielte. Ebenso beeindruckend sind auch die weiteren Kennzahlen für das Japan-Geschäft von Rakuten: Das Unternehmen kommt in seinem Heimatmarkt auf einen E-Commerce-Marktanteil von 28,8 Prozent und verfügt über einen aktiven Kundenstamm von 13 Millionen Nutzern, deren Shoppingfrequenz im letzten Jahr auf ganze 4,61 Käufe pro Quartal gestiegen ist.
Auf dem deutschen Markt bleibt noch viel zu tun
Die Jahresbilanz von Rakuten belegt aber ebenso deutlich, wie weit das Unternehmen noch davon entfernt ist, international eine auch nur annähernd vergleichbare Rolle einzunehmen: So betrug das gesamte von Rakuten 2012 außerhalb Japans im Marktplatzgeschäft erzielte Handelsvolumen magere 365 Millionen Euro – ein Wert, der umso enttäuschender ist, wenn man bedenkt, dass hierzu neben Rakuten.de auch Akquisitionen wie der US-Marktplatz Buy.com, das französische Priceminister.com oder das in Großbritannien beheimatete Play.com beitragen. Im Jahresendvergleich ist der Gesamtumsatz der im Ausland beheimateten Rakuten-Töchter sogar um fast 20 Prozent eingebrochen. Eine Entwicklung, die dem Umstand geschuldet ist, dass Buy.com und Play.com ihre Handelstätigkeit im vergangenen Jahr eingestellt haben, um sich künftig vollumfänglich dem von Rakuten vertreten Marktplatz-Modell zu widmen.
„Da auch Tradoria rein auf das Marktplatzgeschäft gesetzt hat, sind wir von dieser Umstellung nicht betroffen und zählen zu den am schnellsten wachsenden Rakuten-Landesgesellschaften“, erklärt Deutschlandchefin Rank. Rakuten.de könne die auf den japanischen Erfahrungen basierenden Erkenntnisse mit am schnellsten umsetzen und pflege daher ein gutes Verhältnis zum Mutterkonzern: „Ich bekomme aus Japan das Ausmaß an Aufmerksamkeit, Support und Anerkennung, das ich mir wünsche“, so Rank.
Dennoch steht die von Rakuten-CEO Hiroshi Mikitani Anfang 2012 geäußerte Kampfansage, man wolle auch in Deutschland mit Amazon gleichziehen, in einem krassen Missverhältnis zu den Marketingmitteln, die bisher zur Erfüllung dieses Ziels bereitgestellt wurden. Selbst der nun als Meilenstein gefeierte Super Sale wurde außer durch die Schaltung von Onlinebannern nirgends beworben. „Es steht nicht zur Diskussion, Millionensummen ins Marketing zu stecken. In Japan will man erst Fortschritte bei der Umsetzung der Rakuten-Strategie sehen“, erklärt Rank. Immerhin sei man nun an einem Punkt angelangt, an dem die Neujustierung abgeschlossen sei und das E-Commerce-Modell des japanischen Konzerns seine Wirkung entfalten könne. „Auf diese Weise wollen wir nun Stück für Stück vorwärtskommen“, so Rank. „Davon, teuer Traffic einzukaufen, halten wir nichts.“
Neue Händler und mobile Services
Für einen weiteren Schub soll bei den Kunden nun die Einbindung weiterer attraktiver Hersteller- und Händlermarken sorgen. Angekündigt wurde dieser Schritt zwar schon bei der Rakuten-Hausmesse Anfang 2012, doch sei man zunächst mit der Schaffung der nötigen Voraussetzungen beschäftigt gewesen. „Unsere Key Account Manager haben in den letzten Monaten mit sämtlichen der Top 100 E-Commerce-Unternehmen in Deutschland gesprochen“, berichtet Rank. Als erstes Ergebnis werden nun bald Markenanbieter wie Design3000, Trigema, Kofferprofi und der Elektronikversender GetGoods mit eigenen Shops auf Rakuten.de vertreten sein. „Wir treffen hier auf eine extrem positive Resonanz“, erklärt Rank. „Die Marken und Händler werden Rakuten.de je nachdem als Abverkaufskanal, als zusätzlichen Vertriebsweg oder als Präsentationsplattform nutzen.“ Die Erwartungshaltung sei in jeden Fall hoch.
Ebenfalls ausbauen will Rakuten.de im laufenden Jahr sein Mobile-Engagement. So sollen der Rakuten-Marktplatz wie auch die einzelnen Storefronts für Smartphone und Tablet mobile-optimiert werden. Auf eine dezidierte Shopping-App verzichtet das E-Commerce-Unternehmen dagegen und will das Thema mobile Applikationen eher für Marketing- und Kundenbindungszwecke nutzen. „Auch das Thema On-/Offline-Verknüpfung finden wir sehr attraktiv“, erklärt Rakuten.de-Chefin Rank. Rund ein Viertel der auf der Online-Plattform vertretenen Händler betreibe auch ein Ladengeschäft, was spannende Integrationsmöglichkeiten eröffne. „Denkbar wäre, dass Rakuten-Kunden online gekaufte Waren stationär abholen. Aber auch, dass sich Kunden Waren aus dem Ladengeschäft über ihr Rakuten-Konto nach Hause schicken lassen“, so Rank. In Japan biete Rakuten bereits vergleichbare Services an und die Integration des im vergangenen Jahr übernommenen französischen Logistikdienstleisters ADS sei in diesem Kontext ebenfalls prinzipiell denkbar. Wie in vielen anderen Bereichen besitzt Rakuten auch hier viel Potenzial – von entscheidender Bedeutung wird aber sein, mit welchem Engagement der japanische Konzern diese Möglichkeiten umsetzt. (mh)